Medien Studie: Prekäre Lage für den Journalismus

Der IT-Experte und Inhaber der Kommunikationsagentur PR-COM, Alain Blaes, sorgt sich um die tradierte Medienlandschaft. Seine Agentur hat dazu die Studie „Medienfinanzierung der Zukunft“ herausgebracht, die sich mit der aktuellen Situation von Verlagen, Redaktionen und Journalisten beschäftigt. In seinem Gastbeitrag bezieht er sich außerdem auf die Untersuchungen „Journalismus in Deutschland 2023“ des Hans-Bredow-Instituts und „State of the Media Report 2024“ von Cision Germany.

Alain Blaes (Foto: PR-COM)

Von Alain Blaes, München

Die Medien haben ihre tradierte Rolle als vierte Gewalt (neben Legislative, Exekutive und Jurisdiktion) nicht – wie so oft behauptet – verloren. Sie haben an Bedeutung in einer zunehmend medial geprägten Gesellschaft sogar noch gewonnen. Aber die Medienlandschaft, und damit die vierte Gewalt selbst, hat sich radikal verändert. Sie ist vor allem durch Social-Media oder YouTube fragmentierter, individualisierter und interessengesteuerter geworden. Die Verlage haben im Verlauf dieser Entwicklung ihre „Gatekeeper“-Position als neutrale, meinungsbildende Instanz für die Gewichtung von Nachrichten und Content weitgehend verloren. Damit ist aber auch die Funktion und Reichweite journalistischer Werte stark zurückgegangen. Fake News sind das Symptom dieser Entwicklung, der Bedeutungsverlust von profunder Recherche, inhaltlicher Neutralität oder der Trennung von Fakten und Meinung die logische Folge. Anders ausgedrückt: Earned Media wird zunehmend durch Owned Media ersetzt – mit entsprechenden Qualitäts- und Glaubwürdigkeitsverlusten.

Wirtschaftliche Probleme

Für die Verlage bedeutet das massive wirtschaftliche Probleme, die zu strukturellen Schwierigkeiten bei der Refinanzierung ihrer Infrastruktur führen: Sie stecken fest in einem Teufelskreis aus wachsender Konkurrenz durch andere Medienformate, Umsatz- und Gewinnrückgängen und sinkender Qualität durch die dadurch notwendigen Sparmaßnahmen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht in Sicht, wie sowohl die Cision- und die Bredow-Studien als auch die PR-COM-Untersuchung zeigen.

Newsletter und multimediale Formate (Video, Podcasts, etc.) bieten kaum mehr Platz für expansive Angebote. Viele davon wurden in der Vergangenheit bereits implementiert, ohne nennenswerte Verbesserung der Erlöslage. Dementsprechend planen laut Cision-Studie nur rund 20 Prozent der Verlage entsprechende neue, respektive erweiterte Angebote. Noch düsterer sieht es bei Abo- und Bezahlformaten oder marketinggetrieben Aktivitäten, wie beispielsweise Events aus. Die PR-COM-Untersuchung zeigt zudem merkwürdige Widersprüche zwischen der großen Hoffnung auf neue Formate einerseits, und gleichzeitig niedriger Erwartungshaltung bezüglich der damit verbundenen Umsatzpotenziale andererseits. Die Suche nach Wegen aus der Erlöskrise durch neue Formate und Einnahmequellen hat also bislang kaum brauchbare Resultate gezeigt. Weitere Sparmaßnahmen sind in dieser Abwärtsspirale die unausweichliche Folge. Besonders betroffen: die Redaktionen.

Das kleine Bild: Die prekäre Lage von Journalisten

Für Journalisten hat diese Entwicklung höchst unerfreuliche Folgen: Die Redaktionen dünnen personell aus, die Arbeitsbelastung steigt, die zur Verfügung stehende Zeit für solide journalistische Arbeit wird immer knapper. In der Cision-Studie beklagen fast 60 Prozent der Journalisten den Personalabbau bei den Medien als größtes Problem. Zeitdruck (58 %) und die Verfügbarkeit von Ressourcen für die Berichterstattung (51 %) werden als wichtigste negative Einflüsse auf die eigene journalistische Arbeit genannt. Fast 50 Prozent haben laut Bredow-Studie deshalb in jüngster Zeit unter (zu) hoher Stressbelastung gelitten. Damit bleiben fatalerweise aber auch immer weniger Ressourcen für genau das, was unabhängige Medien von Influencern unterscheidet: journalistische Qualität in all ihren Facetten.

Diese Situation kollidiert zudem mit der eigenen Einstellung vieler Journalisten zu ihrem Beruf, den Ansprüchen an sich selbst und dem Kern ihres Rollenverständnisses. Journalisten arbeiten im Schnitt knapp 20 Jahre in ihrem Beruf, 57 Prozent davon in einem Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag. Ihr größter Anspruch ist die Informationsvermittlung (87 %), Desinformation entgegenzuwirken (86 %), aktuelles Geschehen einzuordnen und zu analysieren (84 %) und unparteiisch zu beobachten (81 %).

KI spielt noch keine große Rolle

Der Einsatz von KI ist dabei (noch) kein großes Thema. Nur acht Prozent nutzen generative KI-Tools wie ChatGPT häufig, 23 Prozent teilweise, 33 Prozent punktuell und immerhin 35 Prozent überhaupt nicht. Der Anspruch an sich selbst ist also nach wie vor hoch. Umso mehr belasten die sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen, ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Die Auswirkungen generativer KI auf Verlage und Publikationen sind dabei in diesen Untersuchungen noch gar nicht berücksichtigt. Sie werden massiv sein und im Gefolge das Berufsbild und die Situation von Journalisten noch einmal drastisch verändern. In welche Richtung sich das entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Über den Autor: Alain Blaes  arbeitete nach seinem Physikstudium zunächst als Redakteur und freiberuflicher Journalist für deutsche, französische und US-amerikanische IT- und Wirtschaftsmedien. Später war er Chefredakteur diverser IT-Titel des Verlags Moderne Industrie. 1990 gründete Blaes die Beratungsgesellschaft für strategische Kommunikation PR-COM in München. Das Unternehmen zählt heute zu den führenden, auf High-Tech-Märkte fokussierende PR-Agenturen in Deutschland.
Die Studie „Medienfinanzierung der Zukunft“ steht hier auf der PR-COM-Website zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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