Medien Interview mit Claudia Tödtmann: Von schlechter PR und Storys, die nicht ins Blatt passen
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Sie ist Redakteurin bei der „WirtschaftsWoche“ und führt seit 2007 den Management- Blog. Sie pflegt das Ranking der besten Kanzleien, verbreitet in ihren Socials die Liebe zum Print-Journalismus und berichtet Jahr für Jahr über das „PR-JOURNAL“-Agenturranking – alles mit Unterstützung durch „George“. Die Rede ist von Claudia Tödtmann. Jörg Müller-Dünow von markenzeichen sprach mit ihr über die Stories hinter ihren Stories.

Von Jörg Müller-Dünow, Düsseldorf
Frage: Claudia Tödtmann, wer ist eigentlich dieser George und warum liebt er Print?
Claudia Tödtmann: George ist mein Welsh Corgi, der es liebt, auf Zeitungen für Fotos zu posieren. Seine Fans wie der inzwischen verstorbene Maler Christophe-Emmanuel Bouchet sorgen für immer neue Titel, die sie etwa aus dem Urlaub mitbringen. Der Treueste: Jürgen Loschelder, Chef des Global Travel Managements von Thyssenkrupp, der unermüdlich auf Flughäfen rund um den Globus Zeitungen einsammelt.
„Der Blog wurde Hobby“
Frage: Was würde wohl der printliebende George dazu sagen, dass sein Frauchen seit Jahren ein Abo auf die Top-10 der relevantesten Blogs Deutschlands hat?
Tödtmann: Dass er sich freut, immer beim Bürohundetag im Juni mit vielen anderen Doggies und ihren Büromenschen dort aufzutreten.
Frage: Woher kam der Impuls, als Redakteurin beim führenden Wirtschaftsmedien-Verlag in die Welt der Blogs einzusteigen?
Tödtmann: Als ich dem Online-Chef vom Handelsblatt 2007 meine Idee vorschlug, gab es kaum Blogs. Ich sehe und höre viel, was nicht oder nicht „so“ ins Blatt passt oder nicht eindeutig in eins der Ressorts oder Blattformate gehört, und deshalb durchs Raster fallen würde. Mich treiben noch immer Passion, Freiraum, Neugier, und Austesten-wollen. Der Blog wurde Hobby. Die Formate wie „Nahaufnahme“ oder „Ein Teller mit…“, „Fünf Fragen an…“ oder der „Buchauszug“ entwickelten sich immer weiter.
„Podcasts sind leider flüchtig“
Frage: Von Print zum Blog – und als nächstes vom Blog zum Podcast? Schon mal drüber nachgedacht?
Tödtmann: Podcasts kann man nicht querlesen. Und Zuhörer müssen ganz schön viel Zeit haben. Podcasts sind leider flüchtig, das Gesagte ist später nicht mehr so auffindbar wie Geschriebenes. Ich bin sicher, dass da viel Relevantes verloren geht.
Frage: Berühmt-berüchtigt unter den Juristen ist auch ihre Bestenliste. Was müssen Kanzleien tun, um den Sprung in Ihre WiWo Topkanzlei-Rankings zu schaffen?
Tödtmann: Visibel sein für ihre eigene Peer Group, die wählt nämlich ihre renommiertesten Kollegen auf die Long List. Und für mögliche Klienten, wie diejenigen in den Jurys. Wie? Entweder durch Pressearbeit oder auf den Social-Media-Kanälen LinkedIn, Insta, X oder Bluesky. Das kann jeder selbst bewerkstelligen und kostet nicht mal Geld. Eigentlich Anwalts Liebling. 😉
Fünf No-Gos für PR-Leute
Frage: Ranking mal umgekehrt: Was sind Ihre Top Five der typischen Stolperfallen von PR-Leuten im Dialog mit Journalisten?
Tödtmann: Da fällt mir folgendes ein:
- Die zehnte Auflage vom Thema Homeoffice-Beliebtheit als Novum verkaufen zu wollen.
- Eine tatsächlich interessante News zum falschen Zeitpunkt mitzuteilen – die genau deshalb versandet. Die Mitteilung vom Freitagnachmittag ist Montagfrüh für die Tagespresse drei Tage alt.
- Das kontaktierte Medium und dessen Rubriken nicht zu kennen. Und dann auch noch Artikel vorzuschlagen, die da schon längst erschienen sind.
- Dasselbe Thema gleich zwei Kollegen eines Mediums anzubieten, ohne das offenzulegen. Oder ein Thema mit verdecktem Adressfeld an zehn Redaktionen und -zig Journalisten gleichzeitig zu mailen und dann höhnisch zu parieren: wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
- Die Antworten von Kunden so zu zensieren, dass nur langweilige Plattitüden übrigbleiben.
Frage: Zurück zu George: vor einiger Zeit war er mit einer Ausgabe der Tageszeitung „Var Matin“ zu sehen. Welche Liebesgeschichte verbindet Sie mit Südfrankreich?
Tödtmann: Savaoir vivre?! Abends den Sonnenuntergang am Meer bei einem durchgekühlten Rosé anzuschauen, ist unvergleichlich.
Erfolgreiche PR? Ablenkung in der Krise
Frage: Und jetzt mal zu ein paar anderen Stories: Was ist aus Ihrer Sicht der erfolgreichste PR-Case?
Tödtmann: Der es schafft, in einer Krise Beobachter abzulenken mit einem völlig anderen, natürlich positiven Thema oder einer rasch ersonnenen Kampagne, die so überzeugt, dass sie die Leser die Krise vergessen lässt. Vielleicht stimmt die Ablenkungs-Kampagne am Ende nicht mal oder vollmundig Angekündigtes wird nicht eingelöst – das bemerkt hinterher fast keiner mehr.
Frage: Welches Buch sollte jeder gelesen haben?
Tödtmann: Adolph Freiherr von Knigges „Über den Umgang mit Menschen“, das Original. Aber dann kommt auch gleich „Paris in meiner Küche“ von Rahel Khoo und „Wiener Küche“ von Ewald Plachutta. Und wenn Sie etwas für den Job haben wollen: Wolf Schneiders Bücher wie „Deutsch für Profis“.
Kein Pardon mit unprofessioneller PR
Frage: Welcher Künstler ist Ihr liebster Storyteller?
Tödtmann: Da gibt‘s zwei: Der Papst-Berichterstatter Andreas Englisch mit seinem Temperament und seinen vielen Geschichten. Dem hör ich gerne zu, selbst wenn ich weder katholisch bin noch besonders interessiert am Vatikan. Und Paul Sahner, der Promis für die „Bunte“ zu Lebzeiten die unglaublichsten Dinge entlockte – und es offenbar schaffte, dass die sie bei der späteren Interview-Abstimmung nicht wieder raus strichen.
Frage: Welchen Anruf eines PR-Menschen möchten oder wollen Sie nie wieder annehmen müssen?
Tödtmann: Der unangekündigt anruft, nicht zuallererst fragt, ob er stört. Fragt, ob man seine Mail vor zwei Wochen gesehen hat. Der den Chef eines unbekannten Unternehmens aus dem Ausland als Gesprächspartner in München mir mit Redaktionssitz Düsseldorf anbietet, weil der grade mal in Deutschland weilt – aber sowieso nichts Neues zu sagen hat. Das ist nur noch hiervor zu toppen: Wenn ein PR-Mensch einen bedrängt, mit seinem Kunden mal zu reden, dem Kunden aber umgekehrt weis macht, der Journalist sei ganz jeck auf ihn und dann am Vorabend einen Fragenkatalog vom Journalisten haben will. Dem PR-Mensch scheint nicht aufgefallen zu sein, dass Redaktionen eng besetzt sind und für Termine mit völlig ungewissem Ausgang weder Zeit noch Reisekosten da sind.
„Die Zeit“ als Beispiel für guten Journalismus
Frage: Und noch einmal zu George: Wie lange wird er sich noch an Qualitätsjournalismus in Print erfreuen können? Was braucht Print- beziehungsweise der Journalismus, um langfristig zu bestehen?
Tödtmann: Er sollte sich ein Beispiel an der „Zeit“ nehmen, die gerade schon wieder einen Auflagenrekord meldet. Nicht nur dem Tagesgeschehen mit allen anderen um die Wette hinterherhecheln und vermeintliche Aktualität als Welle reiten, sondern ausgeschlafene Geschichten erdenken. Wo sonst liest man beeindruckende Geschichten wie kürzlich die über die Entführung der Block-Kinder, den Artikel über den Göttinger Prügel-Professor oder das Stück über den Selbstmord des Ex-Siemens-Vorstands Heinz-Joachim Neubürger.
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