rolke-klIn diesen Tagen haben Lothar Rolke und Andrea Beyer – beide Professoren von der FH Mainz – ihre aktuellen Recherchen zur deutschsprachigen Blogger-Szene unter dem Titel „Deutschland Deine Blogger. Ein persönlicher Report aus der Blogosphäre“ veröffentlicht. Ihre Studenten haben außerdem 35 deutsche Blogger portraitiert. Das "PR-Journal" sprach mit Lothar Rolke (Foto) über ihre Bedeutung, Geldverdienen mit Blogs und künftige Entwicklungen.
PR-Journal: Sie haben sich die deutsche Blogosphäre mit ihrer Kollegin und Studierenden genauer angeschaut – was haben Sie entdeckt? Eine neue publizistische Macht oder doch nur eine Ansammlung aus Idealisten und Möchtegern-Publizisten?
Lothar Rolke: Zunächst, weltweit wächst die Blogosphäre rasant. In nur drei Jahren – von 2008 bis 2011 – stieg ihre Anzahl laut Nielsen von knapp 79 auf 173 Millionen. Das ist mehr als eine Verdopplung. In Deutschland hingegen ist eher Stagnation zu  beobachten. Auch die Zahl der gelegentlichen Blogleser dümpelt seit einigen Jahren bei einer knappen Million. Doch die deutschen Blogger haben sichtbar an Substanz gewonnen und sind professioneller geworden. Das hat uns überrascht.

PRJ: Woran machen Sie das fest?

Rolke: Ob Kunst-, Experten- oder Fashionblogs, Corporate Blogs oder Funblogs, Reise-, Wissenschafts- oder Watchblogs – viele haben ein erkennbares Konzept, die führenden Blogs organisieren zudem über adnation ihre Vermarktung und die Userzahlen erreichen bei den erfolgreichen Blogs inzwischen beachtliche Zahlen.

PRJ: Zum Beispiel?

Rolke: Nehmen Sie die  Mode-Bloggerin Jessica Weiß mit ihrem „Journelles“, die auf stolze 700.000 Abrufe pro Monat verweist. Das ist nicht so viel wie der „Bildblog“, der es auf 1,3 Millionen  Seitenaufrufen bringt. Aber verglichen mit einem Fachmagazin, das ein- bis zweimal im Monat erscheint, kann sich diese Zahl durchaus sehen lassen.

PRJ: Kann man mit Blogs Geld verdienen oder regiert hier der blanke Idealismus?

Rolke: Nennen wir es Eigenwilligkeit. Ohne die geht es nicht. Denn Blogs stehen nun mal dafür, dass das übersehene Wissen der Wenigen oder die Vorliebe von Einzelnen, der unbekannte Nutzwert oder das verborgene Komische, das zugedeckte Skandalöse und der übersehene Fehler den Weg in die Öffentlichkeit finden. Oder einfach nur der ganz persönliche Report. Manche wie die bereits genannte Jessica Weiß oder der Lifestyle-Blogger Mathias Winks schaffen beachtenswerte Umsätze, von denen sich gut leben lässt. Für andere ist es ein Zubrot.

PRJ: Und wie sieht das im Vergleich dazu international aus?

Rolke: Laut der jüngsten Technorati-Studie verdienen in der englischsprachigen Blogosphäre 14 Prozent (einschließlich der Corporate  Blogger) Geld mit ihren Web-Tagebüchern – über die Hälfte mehr als 50 TSD US-Dollar. Das zeigt das Potenzial.

PRJ: Warum ist dann die Blogosphäre in Deutschland im internationalen Vergleich unterentwickelt?

Rolke: Weil sie viel stärker eingeklemmt ist zwischen den klassischen Medien, die in Deutschland vergleichsweise ausdifferenziert sind, und Social Media – allen voran Facebook, die für Freundeskreis-Publizisten zur attraktiveren Plattform geworden sind. Aber zugleich wird die Blogosphäre von beiden Seiten stimuliert. Die klassischen Massenmedien betreiben selber Blogs – die F.A.Z. allein 26 – und greifen interessante Geschichten auf, wodurch Aufmerksamkeit und Traffic entsteht. Facebook und Twitter sind für Blogger hervorragende Plattformen zur Vermarktung ihres eigenen Blogs. Sascha Lobo folgen mittlerweile 127 000 User auf seinen Twitter-Acount.

PRJ: Was bedeutet das für die Unternehmen? Müssen sie sich stärker um Blogger kümmern? Machen Sie Journalisten Konkurrenz?

Rolke: Definitiv ja, aber sie sind eben anders. Sie folgen weder einem journalistischen Ethos noch irgendwelchen Redaktionsstatuten. Sie folgen ihrem eigenen Interesse. Insofern sind Unternehmen gut beraten, die Blogosphäre und ihre besonderen Regeln der authentischen Kommunikation erst einmal besser kennen zu lernen, bevor sie mit Bloggern in Kontakt treten. Wir vermuten, dass es in jeder Branche 5 bis 15 Blogs gibt, die das Potenzial zur Meinungsmitgestaltung haben. Die lohnt es zu erkunden.

Prof. Dr. Lothar Rolke lehrt BWL und Unternehmenskommunikation an der FH Mainz – University of Applied Sciences. Er ist ein gefragter Referent und Autor  zahlreicher Aufsätze und Bücher zur Medien- und Unternehmenskommunikation. Seit über 25 Jahren berät er namhafte Unternehmen und Verbände in Fragen PR, Social Media und Kommunikations-Controlling.


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