weinberghelgeMehr Sichtbarkeit auf Twitter würde deutschen Agenturen gut tun. Dies meint Brandwatch in einem zur dmexco 2014 veröffentlichten Vergleich der Social Media-Aktivitäten deutscher und englischer Agenturen. Für 90 Prozent der untersuchten deutschen Agenturen ist Facebook der Kanal der Wahl, nur knapp zwei Drittel engagieren sich auf Twitter. Hingegen besitzen alle untersuchten englischen Agenturen einen Twitter-Kanal. Dort findet mit Abstand der meiste Social Buzz statt, so ein Ergebnis des Vergleichs. Zwölf Prozent der Social Media-Kanäle der deutschen Agenturen zeigen keinerlei Präsenz. Hingegen sind alle englischen Agenturen online aktiv. – Nachfolgend weitere Ergebnisse von Brandwatch und ein Kommentar dazu vom „PR-Journal“-Twitter-Experten Helge Weinberg.

Nur wenige Agenturen kommunizieren erfolgreich
Zehn Beratungen generieren auf Twitter und Facebook mehr als drei Viertel des gesamten online Buzz über deutsche Agenturen. Zu den Top 10 zählen Jung von Matt, Serviceplan, fischerAppelt, Webguerillas, Aperto, Achtung!, Kolle Rebbe, Hirschen Group, Damm & Bierbaum und die wob AG.

Ein Drittel des gesamten Twitter Buzz über deutsche Agenturen kommt von den Agenturen selbst (Owned Media). In England ist es nur knapp ein Zehntel. Rund 90 Prozent der Online-Erwähnungen sind hier Earned Media zu verdanken. Soweit die Kernaussagen der Pressemitteilung von Brandwatch.

Der Kommentar zur Nachricht
Als bekennender Twitter-Fan möchte ich einen Kommentar hinzufügen. Die PR-Agenturen befinden sich in guter Gesellschaft. Viele Twitter-User starten begeistert durch. „Hallo Welt, dies ist mein erster Tweet“, kräht das neugeborene Social Media-Baby begeistert. Um alsbald wieder zu verstummen. Die Resonanz bleibt aus, der Austausch – Fehlanzeige. Woran das liegen mag? Es gibt mehrere Gründe.

Ein hoher Output an Owned Media, der wenig Earned Media generiert, sollte zu denken geben. Brandwatch empfiehlt den Agenturen „eine genauere Betrachtung, ob geteilte Inhalte wirklich auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind.“ Das würde allerdings voraussetzen, dass die Zielgruppen definiert sind. Diesen Eindruck vermitteln die Agenturen nicht immer.

Inhalte und Ziele
Visuell ansprechende Inhalte und Links zu weiterführenden Informationen werden am ehesten von den Communities geteilt, meint Brandwatch. Das stimmt. Dies beantwortet allerdings nicht die Frage, was das in einem spezifischen Fall bringen soll. Längst nicht alle Zielgruppen schätzen bunte Bildchen. Zuerst kommt die Zielsetzung, dann die Definition der Zielgruppen und schließlich die der Inhalte. Bei so manchen Agenturen sieht das anders aus.

Was bringt Twitter? Die schlechten Nachrichten zuerst: Über 70 Prozent aller Tweets gehen unbeachtet unter, 60 Prozent der Accounts sind nicht aktiv. Twitter lohnt sich nur für diejenigen, die in der „real world“ erfolgreich sind, meint ein Kritiker. Daran ist etwas dran. Allerdings sollten sie dort professionell auftreten, sonst ist der Eindruck bei den Zielgruppen eher kontraproduktiv.

Twitter ist unter anderem ein Nachrichtenmedium. Deshalb nutzen es auch viele Medien intensiv. Umso erstaunlicher ist es, dass sich gerade die PR-Experten mit Twitter schwertun. Da wird munter am laufenden Band verkündet, welche herausragenden Erfolge die Agentur gerade wieder eingefahren hat. Zugegeben, die eigenen Kunden, die Mitarbeiter und den Wettbewerb könnte das vielleicht interessieren. Aber sonst keinen.

Für eine gute Interaktion müssen Agenturen wissen, für welche Inhalte sich ihre Zielgruppen begeistern, um noch einmal Brandwatch zu zitieren. Diese Grundregel in der PR empfehlen (hoffentlich) alle Agenturen zwar ihren Kunden. Für sich selbst jedoch setzen sie diese allzu selten konsequent um.

„Ich bin hier, ich bin erfolgreich, kauft mich“ - dies ist Einweg-Kommunikation nach dem alten Modell des Marktschreiers. Twitter ist ein soziales Medium. Auch wenn manche meinen, dass es mehr hyperaktiv als interaktiv sei. Wer den ganzen Tag damit beschäftigt ist, seine eigenen Erfolge zu preisen, verpasst die Chancen, seinen Freundeskreis zu vergrößern.

Wie schaffe ich Interesse?
Hier kommen wir zu der Frage: Was bewegt andere, einen Tweet zu lesen und zu re-tweeten? Antwort: Wenn es einen Nutzen bringt. Dieser kann ein Erkenntnisgewinn sein, eine Bestätigung eigener Anschauungen oder auch die Freude am -wenn auch flüchtigen- Austausch, am Teilhaben.

Wir sind PR-Experten, die ein ganz erhebliches Know-how in bestimmten Bereichen haben. Allerdings sind wir sehr zurückhaltend, dieses Know-how zu zeigen oder gar zu teilen. Wir könnten uns mit anderen Experten vernetzen, auch in den Unternehmen, wir könnten mit Journalisten in Kontakt treten und uns austauschen, unsere Kompetenz zeigen, wir könnten unsere Agentur als attraktiven Arbeitgeber darstellen. Leider tun wir dies selten geplant und meist wenig systematisch. Auf Twitter ist noch Luft nach oben, meint Brandwatch zu Recht.

Der Report „Wie sichtbar sind deutsche Agenturen im Social Web?“ steht auf der Brandwatch-Website zum Download zur Verfügung.

Über den Autor: Helge Weinberg ist Inhaber des Beratungsunternehmens Strategie & Kommunikation in Hamburg und spezialisiert auf Arbeitgeberkommunikation / Personalkommunikation. Zu diesem Thema schreibt er in seinem Blog und als Fachjournalist. Er ist Korrespondent Hamburg / Norddeutschland für das „PR-Journal“.


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