Unternehmen Universität Hohenheim analysiert CEO-Reden der DAX-30-Unternehmen

Frank Brettschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, und sein Team fahnden nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern. Anhand dieser Merkmale (und einiger mehr) bilden sie den "Hohenheimer Verständlichkeits-Index". Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). Nach diesem hielt Nikolai Setzer, CEO Continental, bei seiner Premiere mit 20,0 Punkten die formal verständlichste Rede. Damit löst er den Vorstandsvorsitzenden der Telekom ab: Timotheus Höttges lag in den letzten sechs Jahren immer auf Platz 1. In diesem Jahr erreicht er mit 19,7 Platz 2. Auf dem dritten Platz folgt Stephan Sturm, CEO von Fresenius SE.

Kein DAX-CEO redet so verständlich wie Continental-Chef Nikolai Setzer.

Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeits-Wert von 14,9 Punkten. Das sind 0,6 Punkte weniger als in den beiden letzten Jahren (15,5), aber 5,1 Punkte mehr als im Jahr 2012 (9,8). Acht Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Nur zwei Reden liegen unter 10 Punkten. Mit Ausnahme von Setzer landen die "Neulinge" in der unteren Hälfte der Verständlichkeits-Rangfolge; Christian Bruch, CEO von Siemens Energy, belegt mit 9,0 sogar den letzten Platz.

Automobil-Branche mit deutlichem Verständlichkeits-Plus

"Insbesondere bei den drei Automobil-Herstellern VW, Daimler und BMW haben wir wesentlich verständlichere Reden als in den Jahren zuvor", sagt Brettschneider. "Damals wurden ungünstige Botschaften – etwa rund um den Diesel-Skandal – in unverständliche Schachtelsätze gepackt. Jetzt versuchen die CEOs, mit positiven Botschaften rund um die Elektromobilität wieder in die Offensive zu kommen. Und diese Botschaften formulieren sie deutlich verständlicher." Den größten Anstieg bei allen Rednern gibt es bei Herbert Diess, CEO bei VW. Die Verständlichkeit seiner Rede stieg um 5,5 Punkte auf 13,1 Punkte. Auch Ola Källenius, CEO bei Daimler, hat zugelegt: +3,1 auf 17,0.

"Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit einiger Reden", erklärt Claudia Thoms, Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft. Aber: Überlange Sätze werden seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme. Die Vorstandsvorsitzenden greifen immer seltener auf komplizierte Fachausdrücke zurück, die höchstens die Experten im Publikum verstehen. 

Klartext überzeugt

Die formale Verständlichkeit sei zwar nicht das einzige Kriterium für eine gelungene Rede, betont Prof. Brettschneider. Wichtiger noch sei der Inhalt. Und hinzu kämen Kriterien wie der Aufbau der Rede oder der Vortragsstil. Dennoch sollte ein Redner nicht vergessen: "Formal verständliche Botschaften werden von den Zuhörern besser verstanden und erinnert. Und verständliche Botschaften genießen mehr Vertrauen als unverständliche". Daher sollte man laut Experten einige Grundregeln für verständliche Reden einhalten:

  • kurze Sätze,
  • gebräuchliche Begriffe,
  • Fachbegriffe übersetzen und
  • zusammengesetzte Wörter möglichst vermeiden. 

Hintergrund: Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex

Prof. Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe der Verständlichkeits-Software "TextLab". Die Software wurde von der Ulmer Agentur H&H CommunicationLab und von der Universität Hohenheim entwickelt. Sie berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter). Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen. Er bildet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) ab. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Hörfunk-Nachrichten kommen im Schnitt auf 16,4 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.

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