Unternehmen DAX Reporting 2023 Piwinger nimmt Geschäftsberichte unter die Lupe
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- von Thomas Dillmann, Bad Honnef
Der Publizist und Reporting-Experte Manfred Piwinger nimmt Jahr für Jahr die Unternehmensberichterstattung der DAX-Konzerne unter seine ganz persönliche Lupe. So auch aktuell die Reportings aus dem Geschäftsjahr 2023. Dabei ist ihm einiges aufgefallen: Während die Umfänge zugenommen haben, scheint der Aufwand für eine attraktive Gestaltung eher abgenommen zu haben. Dominant sind hingegen die Aussagen zu Klima und Nachhaltigkeit.

Von Manfred Piwinger, Wuppertal
Als Erstes fällt auf, wie sehr die Umfänge zugenommen haben. Als eine Art Standard haben sich 300 Seiten herausgebildet. Nur wenige der berichtenden Unternehmen bleiben darunter; die meisten teilweise beträchtlich darüber. Zumal dann, wenn sie ergänzend einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. In einem Fall sind es gar 538 Seiten. Vom früheren Berichtsstandard mit einem Umfang von zirka 150 bis 180 Seiten ist das alles weit entfernt.
Die Digitalisierung hat sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt. Allerdings handelt es sich meist nur um schlichte PDFs; nur in wenigen Fällen wird tatsächlich Interaktivität angeboten. Lediglich ein Unternehmen aus dem DAX veröffentlicht noch einen gedruckten Geschäftsbericht.
Die formale Seite im Blick
Zur formalen Seite gehört ebenso ein Blick auf die Gestaltung. Früher zeichneten sich die Berichte häufig durch eine anspruchsvolle Gestaltung, die neben den Zahlenwerten eine gewisse Freude brachte, wenn wir uns die Berichte ansahen. Wir hielten sie auch länger in der Hand und machten uns so ein (Ab-)Bild des jeweiligen Unternehmens über das Zahlenwerk hinaus. Tempi passati.
Heute, wir sprechen über die Berichte, die das Geschäftsjahr 2023 behandeln, ist davon nichts mehr übriggeblieben. Wir sehen uns einer unübersehbaren Anzahl von Statistiken, Grafiken, tabellarischen Aufzählungen gegenüber, deren wirkliche Bedeutung sich uns im Einzelnen oft nicht so schnell erschließt. Die Texte sind ernüchternd und stehen dicht gedrängt aneinander in Blöcken geordnet. Häufig sind sie aufgrund der Spaltenbreite schlecht lesbar.
Kaum Bindungswirkung
Ein externes Lektorat nutzen nach eigenen Angaben lediglich zwei Unternehmen. Berichte richten sich zunehmend an den Verstand, sie erzielen keinerlei emotionale Bindungswirkung. Bei der Fülle an Zahlen und Informationen verlieren wir leicht den Überblick. Zudem sind die Qualität und Verfügbarkeit von ESG-Daten zum Teil noch unzureichend. Oft benötigt es verschiedene Zugangswege, um an die gewünschten Informationen zu
Geringer Fokus auf die Kapitalmärkte
Innerhalb der Berichte beanspruchen Berichtsteile wie Taxonomie, Materialitätsanalyse und Vergütungsbericht viel Platz. Allein die Vergütungsberichte umfassen bei der Mehrzahl der Unternehmen zirka 30 Seiten. Bei Banken und Versicherungen ist der Risikobericht ausgedehnt.
Einen eigenen Abschnitt zum Reputationsrisiko veröffentlichten bestenfalls ein Drittel aller Unternehmen. Es herrscht ein hohes Maß an Formalismus. Inhaltlich vermissten wir einen durchgängigen Bezug zur Kapitalmarktorientierung, das heißt die Hinwendung und Ausrichtung der Ansprache an Anleger und Investoren als wichtigste Adressaten.
Selten wurden Argumente herausgestellt, weshalb es sich lohnt, in das jeweilige Unternehmen zu investieren oder investiert zu bleiben. Bestenfalls zwei Drittel der untersuchen Unternehmen berichteten in einem separaten Kapitel über die Kapitalmarktsituation, die Entwicklung, die Aktie, Analystenbewertungen und dergleichen. Gelegentlich folgen Hinweise auf weitere Angaben auf der Website. Insgesamt vermissen wir eine klare Adressierung der Berichte. Es lässt sich bei der heutigen Form der Berichterstattung kaum eindeutig feststellen, für wen die Berichte gedacht sind. Dem gegenüber steht der enorme Aufwand, der notwendig ist, um die Berichte herzustellen.
Gemessen an dem Aufwand, die Berichte herzustellen, bleibt es beachtlich, dass eine Reihe von Unternehmen Ihren Jahresbericht schon im Februar veröffentlichten, also nur knapp zwei Monate nach dem Jahresultimo.
Zwischen Rechtfertigung und Rechenschaft
Dominant geworden sind Aussagen zu Klima und Nachhaltigkeit weit über das gesetzlich oder regulatorisch vorgeschriebene Maß hinaus. Rechtfertigung und Rechenschaft liegen hier eng beieinander. Sprachlich fand ein Großteil der Unternehmen zurück zu genderfreiem Deutsch. Geschäftsberichte sind ja neben ihrer fachlichen Funktion zugegebenermaßen auch Mittel der Selbstdarstellung nicht nur gegenüber Anlegern, Investoren, Analysten, sondern auch gegenüber einer sie kritisch beäugenden Öffentlichkeit. In diesen Punkten zeigt es sich, wie Unternehmen von außen gesehen werden und welches Ansehen sie genießen. Hierin liegen die Kunst und die eigentliche Aufgabe des Auftritts.
Zur Darstellung des Auftritts nach außen zählt daneben die bildliche Präsentation der Vorstandsmitglieder (und-gremien). Ein nicht zu unterschätzender Aufmerksamkeitswert! Der „Beauty Contest“ fiel recht unterschiedlich aus und reicht von „unbeholfen“ bis „gewollt forsch“. Eine Minderheit verzichtet gänzlich hierauf.
Betriebswirtschaftlich geprüft
In unserer Auswertung wurden zusätzlich die Honorare der Wirtschaftsprüfer erfasst. Hier zeigt sich bei insgesamt gegenüber dem Vorjahr gestiegenen Honoraren eine große Spannbreite. Die Zahlungen reichen von 1,4 Millionen Euro bis zu 93,0 Millionen Euro. Analog zu den erweiterten Berichtspflichten ist der Prüfungsaufwand gestiegen. Alle 40 Unternehmen haben die nichtfinanzielle Erklärung einer betriebswirtschaftlichen Prüfung zur Erlangung einer begrenzten Sicherheit (Limited Assurance) unterzogen. In keinem Fall ist das Prüfungsurteil negativ ausgefallen. Inwieweit die Unternehmen externe Dienstleister bei der Erstellung ihrer Geschäftsberichte beansprucht haben, geht aus den Impressen hervor. Eine österreichische Agentur sticht hier deutliche heraus. Am häufigsten werden „Konzept, Design und Umsetzung“ sowie „Text und Redaktion“ als externe Dienstleistung in Anspruch genommen.
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