Unternehmen Swiss Life Deutschland Ist der Newsroom überholt, Frau Gardeweg?
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- von Annett Bergk, Hamburg
Der Newsroom gilt als Königsweg integrierter Kommunikation. Zumindest in der Theorie. In der Praxis stößt das Modell an Grenzen: zu starr, zu aufwändig, zu erklärungsbedürftig. Nikola Gardeweg kennt beide Seiten. Als Chefin vom Dienst im Newsroom von Swiss Life Deutschland denkt sie Kommunikation von der Strategie her und von den Menschen, die sie umsetzen. Ein Gespräch über bewegliche Rollen, interne Eigen-PR und die Frage, ob wir das alles in Zeiten von KI überhaupt noch brauchen.
PR-Journal: Frau Gardeweg, was antworten Sie Menschen, die beim Wort „Newsroom“ noch an Whiteboards und Hektik denken?
Nikola Gardeweg: Ich sage dann: Ein Newsroom ist mehr als ein Raum – er ist ein Arbeitsmodell. Es geht darum, Menschen zusammenzubringen, Silos aufzubrechen und gemeinsam wirksam zu kommunizieren. In unserem Fall bedeutet das: Marketing und Kommunikation und weitere Bereiche arbeiten interdisziplinär. Wir denken vom Thema her, nicht vom Kanal. Und wir betrachten das Unternehmen als Ganzes.
PR-Journal: Was unterscheidet das konkret von einer klassischen Kommunikationsabteilung?
Gardeweg: Für mich liegt der Unterschied in der Haltung: Ein Newsroom zwingt dazu, näher an der Unternehmensstrategie zu bleiben. Man muss lernen, Wirkungsorientierung vorzuleben. Der oder die CvD sorgt dafür, dass Wissen geteilt wird, Rollen klar bleiben und die Lust an dieser Form der Zusammenarbeit nicht verloren geht.
PR-Journal: Was braucht es, damit dieses Modell funktioniert – gerade in einem großen Unternehmen mit mehreren Marken?
Gardeweg: Strukturen, die Orientierung geben, ohne zu blockieren. Bei Swiss Life haben wir 2015 begonnen, das Newsroom-Modell aufzubauen – damals mit dem Ziel, Silos aufzubrechen. Heute koordinieren wir Kommunikation und Marketing über zwei Geschäftsmodelle und sechs Marken hinweg. Wir haben zwei Chefinnen vom Dienst: eine Kollegin mit Social Media und Marketingfokus, ich selbst mit Schwerpunkt Unternehmenskommunikation. Dazu kommt ein Steuerungskreis mit Führungskräften aus Social Media und Design, Digital Experience, Marketing, Brand, und Kommunikation.
PR-Journal: Wie organisieren Sie die Zusammenarbeit konkret?
Gardeweg: Wir arbeiten mit fünf zentralen Formaten:
- Morgenlage: ein kurzes Status-Update mit 40 bis 50 Teilnehmenden ohne Diskussion, nur Information.
- Deep Dives: drei Mal pro Woche besprechen wir dort aktuelle Aufhänger und treffen Entscheidungen.
- Redaktionsrunden: der Blick nach vorn, strukturiert nach Marke, moderiert von einem CvD.
- Review: der Blick zurück, also was lief gut, was lernen wir daraus?
- Kampagnenplanung: von Anfang an crossfunktional, gemeinsam mit Fachbereichen wie HR oder Vertrieb.
Wichtig dabei: Der Newsroom soll Mehrwert bringen, keine Mehrarbeit. Deshalb sind Rollen wie Themenmanager:in oder Kanalverantwortliche bei uns fluide, d.h. Zuständigkeiten wechseln, je nach Projekt. Auch neue Tools oder auch die gute alte Excel-Datei und KI helfen. Aber man muss ständig erklären, motivieren, einordnen. Und Feedback aus dem Team ist Pflicht.
PR-Journal: Rollen und Prozesse dürfen also nie statisch sein. Wie sieht das im Alltag aus?
Gardeweg: Wir hinterfragen unsere Prozesse und Rollen regelmäßig und fangen dann auch mal von vorn an. Gerade wenn neue Tools kommen oder Strukturen sich ändern. Die Idee des Newsrooms muss man intern immer wieder neu denken und bewerben.
PR-Journal: Es braucht also Eigen-PR für den Newsroom?
Gardeweg: Ja, immer wieder. Wenn neue Kolleginnen und Kollegen dazustoßen, bekommen sie eine Einführung in unser Konzept. Das lebt zum Beispiel auch von einer klaren Sprache. Es geht um Orientierung, weniger um Hierarchie. Das hilft.
PR-Journal: Brauchen wir im Zeitalter von KI überhaupt noch Newsrooms?
Gardeweg: Man könnte genauso gut fragen: Brauchen wir dann überhaupt noch eine Kommunikationsabteilung? Oder Menschen? (lacht) Natürlich stellt KI einiges infrage. Aber gerade deshalb müssen wir strategischer denken, weniger operativ, weniger Werkbank. Die KI kann viel, aber sie spürt nichts. Sie erkennt keine Zwischentöne, keine Stimmungen. Dafür braucht es Menschen. Und Strukturen, in denen diese Menschen das einbringen können. Wir nehmen Dinge anders auf, verknüpfen sie mit persönlichem Wissen. Wenn sich KI nur noch auf KI bezieht, wird es eng. Dann fehlt der gesellschaftliche Kompass. Oder die Frage: Wohin wollten wir eigentlich?
PR-Journal: Und ganz ehrlich: Wann lohnt sich ein Newsroom nicht?
Gardeweg: Wenn die Führung das Konzept nicht verstanden hat. Wenn sie Hierarchieabbau nicht mitträgt oder kein Vertrauen in die Teams hat. Ein Newsroom braucht nicht nur Tools und Meetings, er braucht Überzeugung.
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