Unternehmen Meetic Europe-Marketerin Anna Robbert "Wir sprechen über die Menopause. Wir feiern Scheidungspartys"
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- von Annett Bergk, Hamburg
Dating ist Privatsache. Und zugleich ein Milliardenmarkt. Wer hier kommuniziert, bewegt sich auf sensiblem Terrain zwischen Intimität und Öffentlichkeit, zwischen Leichtigkeit und Verantwortung. Anna Robbert ist als Global Marketing Director bei Meetic, einem Teil der Match Group, unter anderem für die deutschen Dating-Apps Even (entwickelt für Singles mit Kind) und Zweisam (Dating 50+) tätig. Für sie bedeutet das vor allem eines: zuhören. Im Gespräch mit dem PR-Journal erklärt sie, warum Nähe zur Zielgruppe unverzichtbar ist, weshalb Erfolgsgeschichten genauso wichtig sind wie belastbare Daten und wie sich Kommunikation in einem internationalen, kulturell sehr unterschiedlichen Umfeld glaubwürdig gestalten lässt.
PR-Journal: Frau Robbert, viele Unternehmen bewegen sich in sehr funktionalen Märkten. Bei Meetic geht es um ein hoch persönliches Thema: Liebe, Partnerschaft, Nähe. Wie prägt das Ihre Arbeit?
Anna Robbert: Der Austausch mit den Menschen, für die wir da sind, ist entscheidend. Dating ist emotional, es ist Teil der Lebensrealität. Deshalb ist es für mich wichtig, auch mit Menschen zu sprechen, die diese Realität wirklich leben: Alleinerziehende, Singles über 50, ganz unterschiedliche Gruppen. Man muss sich hier auch seiner eigenen Biases bewusst sein. Meist bin ich selbst nicht die Zielgruppe – dann suche ich bewusst den Kontakt zu denen, die mir ihre Perspektive schildern können. Ohne diesen Dialog kann man nicht authentisch kommunizieren.
PR-Journal: Das heißt, persönliche Kommunikation hängt nicht nur an den Inhalten, sondern auch daran, wie nah Sie selbst an der Zielgruppe dranbleiben?
Robbert: Absolut. Wenn im Team irgendwann niemand mehr Single ist, dann brauchen wir trotzdem den Kontakt zu Singles, um die Realität zu verstehen. Nur so lässt sich Nähe herstellen, ohne dass es künstlich wirkt.
PR-Journal: Wie übersetzen Sie dieses Verständnis in die konkrete Kommunikation? Schließlich geht es nicht nur um Nähe, sondern auch um Grenzen.
Robbert: Für mich ist es ein Dreiklang: Erstens verstehen wir die Motivationen unserer Nutzer:innen, also warum sie bei uns sind und was sie suchen. Zweitens zeigen wir echte Geschichten von Paaren, die sich über Meetic gefunden haben. Das ist inspirierend, für uns und für andere Singles. Und drittens liefern wir Fakten. Nur weil es um Liebe geht, heißt das nicht, dass wir keine Daten und Proofpoints brauchen. Wir erklären, wie man ein gutes Profil anlegt, wir befragen unterschiedliche Zielgruppen, wir stellen Journalist:innen Zahlen bereit. Emotion allein reicht nicht; das „Warum“ ist genauso wichtig.
PR-Journal: Sie haben gerade die Erfolgsgeschichten erwähnt. Gibt es Themen, die Sie bewusst ausklammern, weil sie zu heikel wären?
Robbert: Eigentlich nicht. Dating hat viele Facetten – von gesellschaftlichen Phänomenen wie Dating-Fatigue bis hin zu wirtschaftlichen Entwicklungen wie neuen App-Konzepten und Businessmodellen. Aber wir achten darauf, dass wir nicht zu viel Negativität transportieren. Liebe soll auch Leichtigkeit haben. Das heißt nicht, dass wir Probleme kleinreden, aber wir betonen die positiven Aspekte.
PR-Journal: Nun verantworten Sie Kommunikation in verschiedenen Ländern. Da wird positiv in Land A nicht positiv in Land B sein, richtig?
Robbert: Die kulturelle Unterschiede sind natürlich enorm. In Frankreich etwa ist das Leben als Single-Elternteil ganz anders akzeptiert als in Deutschland. Dort gibt es zum Beispiel keine „Rabenmutter“-Debatte. In UK wiederum liebt die Presse Headlines – gern bold, gern datengetrieben. „Jede zweite Single-Mutter …“ – das funktioniert. In Deutschland erreichen wir die Menschen eher über Community und Meinungsträger:innen.
PR-Journal: Das klingt nach sehr unterschiedlichen Spielregeln. Bedeutet das, dass Sie international vor allem lokal arbeiten?
Robbert: Ja, weil es am Ende immer um Glaubwürdigkeit geht. In Deutschland etwa setzen wir stark auf Kollaborationen – auch weil die großen Media-Budgets hier kaum gegenfinanzierbar sind. Massensendungen mit Pressemitteilungen bringen da wenig. Communitys und gezielte Netzwerke funktionieren auf diesem Markt wie gesagt besser.
PR-Journal: Wenn wir auf gesellschaftliche Themen schauen: Dating-Plattformen stehen immer auch in Debatten um Diversität, Inklusion und Sicherheit. Wie geht Meetic damit um?
Robbert: Wir greifen Themen auf, die unsere Nutzer:innen wirklich betreffen. Wir sprechen über Menopause und deren Auswirkungen aufs Liebesleben. Wir feiern Scheidungspartys. Wir kooperieren mit der Polizei gegen Romance Scams oder mit dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit über sexuell übertragbare Krankheiten bei Ü50. Es geht darum, einen Mehrwert zu schaffen, nicht um schnelle PR-Effekte.
PR-Journal: Damit berühren Sie auch Fragen von Verantwortung. Wo ziehen Sie die Linie, was Meetic leisten sollte und was nicht?
Robbert: Wichtig ist wie gesagt die Authentizität. Wir kommunizieren nur dort, wo wir eine Berechtigung haben. Wir springen nicht auf jedes gesellschaftliche Thema auf. Sonst wird es unglaubwürdig.
PR-Journal: Was können Sie anderen Branchen mitgeben? Was kann man von „persönlicher Kommunikation“ lernen?
Robbert: Vielleicht drei Dinge: Erstens: Wirklich verstehen, wer die Kund:innen sind – und ob sie sich in der Kommunikation wiederfinden. Wenn die Zielgruppe 50+ ist, hilft es nicht, ausschließlich 20-Jährige zu zeigen. Zweitens: Auch angrenzende Themen der Zielgruppe aufgreifen, aber ehrlich bleiben. Und drittens: „Don’t bullshit your consumers.“ Wenn wir spenden oder Awareness-Kampagnen machen, dann steckt etwas Echtes dahinter. Nur so baut man Vertrauen auf.
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