Lockere Stimmung und interessante Gespräche. V.l.n.r.: Die Studentinnen Hanna Frank und Katharina Küpper mit Andreas Severin und Magdalena Trox.

Was zieht einen Chemiker in den Journalismus? Und was in die Unternehmenskommunikation? Wieso zieht eine PR-Agentur nach 16 Jahren ausgerechnet von Düsseldorf nach Duisburg auf einen Technologiecampus? Andreas Severin ist geschäftsführender Partner der crossrelations brandworks GmbH. Der Kommunikationsexperte hat vor der Agenturgründung als Fachjournalist und Umweltberater gearbeitet. So vielfältig wie der Mensch, so vielfältig ist auch seine Agentur. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Magdalena Trox traf er die beiden Studentinnen der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Hanna Frank und Katharina Küpper zum Interview.

Die große Glasfront des vom Architekten Norman Foster geschaffenen „Tec Centers“ im Universitätsviertel der Stadt Duisburg ist von innen fast noch beeindruckender als von außen. Tageslicht erhellt das Foyer. Vor den Scheiben erheben sich Bäume. Im gläsernen Aufzug verändert sich die Perspektive. Erster Stock. Weitblick. Der hat auch crossrelations hierher gelockt.

Katharina Küpper: Von der Chemie in die Kommunikation – zuerst Journalismus, dann PR. Wieso wollten Sie nicht in der Chemiebranche bleiben?
Andreas Severin: Es war eigentlich der kleine, neugierige Junge, der in die Chemie strebte. Es ging mir damals eher um Erkenntnis, als um einen Beruf. Ich wollte verstehen, warum der Himmel blau ist und warum bestimmte Dinge zwischen Stoffen und der Natur passieren. Aber ich wusste schon bald, dass ich eigentlich nicht im Labor arbeiten, sondern lieber über Wissenschaft und Umweltthemen schreiben möchte. Dem Chemiestudium folgte eine Weiterbildung im Umweltbereich. In dieser Weiterbildung gab es einen Aushang: Eine PR-Agentur suchte jemanden mit einem naturwissenschaftlichen Background für ein Praktikum. Dann kam eins zum anderen.

Hanna Frank: Sie haben Erfahrung in Journalismus und PR. Auch unser Studiengang verbindet beide Disziplinen. Wie schätzen Sie deren Verbindung aus der Praxis ein?
Magdalena Trox: Das geht Hand in Hand, da sie eng zusammenarbeiten. Es hilft zu wissen, wie der Andere tickt. Marketinggelaber hilft den Medien nun mal nicht weiter, wenn man Zielgruppen inhaltlich erreichen möchte.
Severin: Die PRler als Manipulatoren der Journalisten, die die hohe Wahrheit verteidigen, das hat noch nie gestimmt. Die Digitalisierung rockt gerade das Mediensystem. Die Ironie: Die PR-Beratung und die Journalisten bilden eine Schicksalsgemeinschaft zur Erhaltung der Qualitätsmedien.

Küpper: Wie kamen Sie auf die Idee, crossrelations zu gründen?
Severin: Ich war damals bei der Großagentur ABC, die Teil eines internationalen Networks geworden war. Viele waren mit der Entwicklung der Agentur unzufrieden. Zusammen mit einem Kollegen beschloss ich zu gehen und eine eigene Agentur zu gründen. Wichtige Kunden sind uns in die Gründung gefolgt. Wir wollten raus aus dem Kommunikationssilo und disziplinübergreifend arbeiten. Ich lernte damals den schönen Satz: ‚Wer nur etwas von PR versteht, versteht auch davon nichts.‘ Das sollte die Richtlinie für crossrelations werden. Dieses Leitmotiv ist bis heute wichtig und hat uns vor einem Jahr hier ins ‚Tec Center‘ geführt. Wir wollten uns in einem Umfeld von Unternehmen bewegen, die innovativ arbeiten. Diese sind vor allem in der Technologiebranche und in der Gründerszene zu finden. Design Thinking, Agilität und Vernetzung sind Ansätze die wir hier sehr unmittelbar auf die Kommunikationsplanung übertragen.

Küpper: Was hat der Standortwechsel in der Agentur ausgelöst?
Severin: Wir haben die Fenster in den Köpfen aufgerissen und neue Kontexte und Wahrnehmungen ermöglicht. Dieser Spirit aus unserer Gründungsphase ist wieder da. Das ist eine spannende neue Etappe für crossrelations.

Frank: Wie sieht ein typischer Tag in der Agentur hier im ‚Tec Center‘ für Sie aus?
Trox: Einen typischen Tag gibt es eigentlich nicht. Wenn ich gefragt werde, was ich eigentlich mache - ja, was mache ich eigentlich? Es gibt immer etwas Neues. Wir müssen in der Lage sein, uns schnell in neue Themen einzuarbeiten. Multitasking und Agilität sind zwei große Themen. Wer glaubt, alles richtet sich an einer fest geplanten To-Do Liste aus, der irrt. Es kommen fast immer unerwartete Aufgaben dazu. Auf der anderen Seite kann es passieren, dass sich eine Agenda mal eben in Luft auflöst.
Severin: …oder potenzielle Kunden. Unlängst hatten wir ein paar unglückliche Pitches und waren sehr knapp mehrfach Zweiter geworden. Wenn man dann signalisiert bekommt, dass es nicht der Lösungsvorschlag, sondern die politischen Rahmenbedingungen waren, ist das sehr frustrierend. Seitdem hängt vor meinem Büro ein Bild aus der Leverkusener BayArena: ‚Nichts ist scheißer als Platz Zwei‘. Das trifft es ziemlich gut.
Aber zurück zum Alltag: morgens ist zwar noch Zeit für einen Kaffee, aber dann beginnt die hektische Phase, die im Wesentlichen durch Deadlines strukturiert ist. Was uns antreibt, ist das Ziel, Qualität abzuliefern. Termine sind für uns etwas Heiliges. Das ist das Grundgesetz. Nur der Kunde hat die Souveränität, Termine zu verschieben oder Anforderungen zu reduzieren. Dabei muss er sich auf uns ohne Wenn und Aber verlassen können.

Frank: Was muss ein Mitarbeiter mitbringen, um diesem Alltag Stand zu halten?
Severin: Mentale Stärke! Burn Out ist in der Branche ein hohes Risiko: Es ist natürlich Typ-Sache, aber wenn du ein hohes Commitment hast, nach Hause gehst und denkst, du bist wieder nicht fertig geworden oder hättest deine Aufgabe besser machen können, ist die Gefahr zum Burn Out sehr hoch. So etwas muss frühzeitig erkannt und adressiert werden. Ich darf nicht zulassen, dass einer meiner Mitarbeiter überlastet wird. Ich könnte Ihnen Agenturen zeigen, die physische und mentale Ausbeutung zum Geschäftsmodell gemacht haben. Aber ich bin der Meinung, dass die Newcomer, so wie Sie, auch mental stark gemacht werden müssen.
Wenn wir nicht bis spät abends arbeiten wollen, müssen wir gut organisiert sein. Ich will Einsatz und Kampfwillen, aber auch Teamgeist bei Leuten sehen. Ohne, dass sie ständig in die Leistungsspitzen gehen. Diese Bereitschaft ist leider rar geworden.

Frank: Woher kommt der mangelnde Kampfgeist?
Severin: Gute Frage. Ich denke es liegt an gesellschaftlichen Verschiebungen. Die soziale Sicherheit, die namenhafte Unternehmen früher gegeben haben, ist heute nicht mehr da. Also ist die Frage: Warum soll ich mir für ein Unternehmen den Hintern aufreißen, wenn ich ohnehin nicht für immer hier arbeite? Auch beziehen Bewerber häufig schon in den ersten Gesprächen die klare Position, dass es noch andere Interessen im Leben gibt. Als Arbeitgeber ist das natürlich frustrierend, aber auch eine Herausforderung. Der New Deal lautet: Als Arbeitgeber sinnstiftende Aufgaben geben, als Bewerber zeigen was man bereit ist zu geben.

Küpper: Von guten Mitarbeitern zu guten Beratern: Was macht einen guten Berater für Sie aus?
Severin: Wir sind keine guten Berater, wenn wir uns zu sehr an Themen und Rollen klammern. Wir sind gute Berater, wenn wir einerseits inhaltlich tief eintauchen, gleichzeitig aber eine gesunde Distanz zum Kunden und zum Thema haben. Wir identifizieren uns nicht mit einer Sache. PR ist keine Glaubensschule, sondern Auftragskommunikation im Rahmen eines wirtschaftlichen Modells. Und wenn wir für eine Sache arbeiten, sorgen wir dafür, dass Argumente eine ausreichende öffentliche Sichtbarkeit für den Diskurs bekommen.

Küpper: Zu guter Letzt: Ihre Agentur beschäftigt sich mit vielen Themengebieten, aber was ist denn Ihr Steckenpferd?
Severin: Ethische Themen: Umwelt – Nachhaltigkeit – gesellschaftliche Verantwortung zieht sich wie ein roter Faden durch die Agentur. Da haben wir wirklich einen guten Ruf. Kunden erkennen, dass wir für schwierige Themen neue Zugänge schaffen können und über das nötige Fingerspitzengefühl verfügen. So kam es, dass wir zunehmend beim Issues Management und in der Krisenkommunikation, vor allem im Lebensmittelbereich, weiterempfohlen wurden. Ich würde es zwar nicht als Steckenpferd bezeichnen, aber Krisenkommunikation ist schon ein unheimlich verantwortungsvolles aber auch befriedigendes Arbeitsfeld. Es ist einfach ein tolles Gefühl, Menschen und ganzen Unternehmen bei der Existenzsicherung zu helfen und zu sehen, dass man mit Kommunikation etwas Gutes bewirkt.
Trox: Dem stimme ich zu. Vor Kurzem habe ich eine Kampagne zum Thema Arbeitsschutz im Bergbau begleitet. Sie ist inzwischen für den PR-Preis nominiert. Schon nach einem Jahr der Kampagne hat sich die Rate der Unfälle deutlich gesenkt. Das ist ein unglaublich motivierendes Feedback, das nicht mit Geld aufgewertet werden kann. Ich bekomme bei dem Gedanken immer noch Gänsehaut. Das ist schon ein geiles Gefühl.

Sponsored Content: Für die Arbeit der Gesellschaft PR-Agenturen (GPRA) sind Nachwuchsförderung und die gezielte Verbesserung des Images von Kommunikationsagenturen gegenüber Studierenden wichtige Ziele. Daher stellt sich in Kooperation mit dem „PR-Journal“ auch im Jahr 2018 jeden Monat ein Agenturchef der GPRA den Fragen von Studierenden. Die Interviews werden von Studentinnen und Studenten aus dem Fachbereich der Kommunikation und Public Relations geführt. Die Redaktion stellt die Plattform für den Austausch der PR-Nachwuchsinitiativen Public Relations Studierende Hannover e.V. (PRSH), Leipziger Public Relations Studenten e.V. (LPRS), kommoguntia e.V. in Mainz, campus relations e.V. in Münster, Public Relations Initiative Hohenheim e.V. (PRIHO), KommunikOS in Lingen und weiteren Studierenden mit der GPRA. Die genannten PR-Initiativen werden vom „PR-Journal“ gefördert.
In der 29. Folge führten Hanna Frank und Katharina Küpper, beide Kommunikationsstudentinnen an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen das Interview.


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