Autoren-Beiträge Auf dem visuellen Auge blind: Wieso PRler und Journalisten den Facebook-Instagram-Deal unterschätzen

eichstaedt bjoernEin Autorenbeitrag von Björn Eichstädt, Geschäftsführer und Mitgesellschafter der PR-Agentur Storymaker in Tübingen.

Ende 2011 habe ich einen Ausblick auf das Jahr 2012 geschrieben. Die Headline: “Das Bild vom großen Ganzen”.  Meine wichtigste Voraussage für dieses Jahr darin war: der Siegeszug des Bildes im Social Web – und damit immanent auch die Herabwürdigung des Textes als globales Austauschmittel in einer auf Emotion (“like”) und Empathie (“share”) ausgerichteten Netzwerkwelt. Im Zentrum der Überlegungen: Instagram. Interessanterweise waren die Reaktionen eher verhalten. “Interessant” fand das der ein oder andere. Aber: “Das ist doch “nur” ein Fotosharing-Service”. Google+ sei doch viel wichtiger. Und so gingen viele zur Tagesordnung über. Spannend, dass kurz darauf von den selben Protagonisten (in meiner Community und meinen Timelines sind naturgegeben viele PRler und Journalisten) ein großer Hype um Pinterest inszeniert wurde. Den ich zwar kurz mitmachte, mir aber dann doch recht sicher war, dass Instagram auf Dauer die Bedeutungsnase vorn haben würde.

Gestern nun die (scheinbar) große Überraschung: Facebook kauft Instagram. Für EINE Milliarde! Und die Reaktionen in der text-basierten Kommunikationsbranche sind wieder gleich: “NUR ein Photosharing-Service.” “Eine Bubble.” “Total überbewertet.” Dabei hatte Instagram mit dem lange erwarteten Launch seiner Android-App vor wenigen Tagen gerade erst gezeigt, dass es zu so ziemlich allem in der Lage ist. Sowohl im mobilen Bereich als auch im Fotoumfeld. Vor allem aber: als Social Network; eine Tatsache, die an vielen vorbeigegangen ist, die bislang Instagram nur von außen kennen: als Fotozuspieler ihrer Freunde auf Facebook und der Menschen, denen sie folgen, auf Twitter. Aber eben nicht die große Macht der globalen Community innerhalb Instagrams. Auch diese hatte schnell eine Meinung zum Facebook-Deal – beziehungsweise viele Meinungen, wie man auf den kreativen Bildern mit dem Hashtag #Facebook schnell erkennen konnte.

Und gerade diese Reaktion zeigt vor allem eines: Instagram IST ein Social Network. Ein mächtiges Social Network. Eines, das – im Gegensatz zur derzeit übertrieben hochgejazzten Pinterest-Community – ausschließlich aus Produzenten besteht. Und damit aus “Machern” des Netzes. Während Pinterest als Kuratoren-Netzwerk vor allem auf der Konsumentenseite des Netzes angesiedelt ist. Eine Tatsache, die PRlern und Journalisten eigentlich nicht hat verborgen bleiben dürfen. Außer….

Texter sind oft visuell wenig ausgebildet: Ein Faktum, das die bisherige Ignoranz von Journalisten und PRlern gegenüber Instagram erklären könnte. Die Tatsache, dass eine neue Form der globalen, mobilen Kommunikation das Thema Text in weiten Teilen umgeht (oder extrem reduziert – siehe die Text/Bild-Kompositionen im oben stehenden Instagram-Foto), damit Sprachgrenzen aufbricht und sich somit auch jenseits der Eigenerfahrung (und Priorität) des textorientierten Menschen bewegt, scheint vor allem zur Negierung zu führen: “Ist alles nicht so wichtig.”

Nur wenige Unternehmen haben sich bislang auf Instagram als Plattform eingelassen. Diejenigen, die es getan haben – etwa Burberry als weiterhin schillerndstes Corporate-Account-Beispiel – waren auch in der Vergangenheit visuell orientiert und wurden von den Usern der lebendigen Plattform reicht mit Likes und Followings belohnt. Andere halten sich erstaunlich zurück. Und wenn, dann gehen sie auf Pinterest – ein Ansatz der zeigt, dass nicht die Produktion eigenen Bild-Contents im Erfahrungsschatz der handelnden liegt, sondern das Nutzen von Bildern, die Unternehmensfremde (also Fotografen) der Unternehmenskommunikation beisteuern. Auch auf dieser Ebene blieb das Potenzial von Instagram bislang eine Black Box.

Facebook hat die Vitalität der Instagram-Community erkannt. Hat gesehen, dass die Hinzunahme einer weiteren Plattform wie Android einen erneut großen Push in Richtung Instagram gebracht hat (und wohl nicht umsonst bis kurz nach Launch der Android App mit der Kaufankündigung gewartet). Facebook weiß, dass Fotos auch schon bisher die größten Interaktionspotenziale auf der eigenen Plattform gebracht haben. Und Facebook plant die Expansion in Märkte, die sich der lateinischen Schrift entziehen; nicht aber der Kraft des Bildes.

Das Web wird visueller. Das sollten sich auch bislang textorientiert arbeitende Medienschaffende eingestehen und das Bild in den eigenen Schaffenskanon integrieren – schnell. Sonst geht die nächste Stufe des Social Webs an PR und klassischem Textjournalismus vorbei. Und das wäre wirklich schade.

PS: Den Kommentar, dass es sich hierbei auch um einen Text handelt, werde ich nicht überraschend finden. :-) Es wäre ein typischer Texterkommentar.

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