Autoren-Beiträge Schubladendenken: Schluss damit!

sulzmann dennisLiebe Pressestellen, in welcher Welt lebt Ihr eigentlich? Ihr sollt kommunizieren, nichts anderes. Das ist Eure Aufgabe, dafür werdet Ihr in aller Regel gut bezahlt. Ihr sollt für Euer Unternehmen, Euren Verband, Eure Behörde das Beste rausholen, heißt: Eure Informationen, Botschaften und Ziele in die Öffentlichkeit vermitteln. Je breiter und tiefer, desto besser. Trotzdem habt Ihr diese Schranke im Kopf: Journalist ok, Blogger nein danke. Was ist los mit Euch?

Ihr sperrt Euch in unschöner Regelmäßigkeit gegen Anfragen von Bloggern, also Menschen, die nicht für die etablierten Medien schreiben beziehungsweise zwar für die etablierten Medien schreiben, aber daneben noch selbst Dinge ins Netz setzen. Ihr gebt nicht immer bereitwillig, aber doch in aller Regel Auskunft, wenn die klassischen Medien anklopfen. Dabei ist es noch nicht mal entscheidend, ob es der „Spiegel“ ist oder eine Lokalzeitung mit magerer Reichweite. Wo bleibt Eure professionelle Routine, die Euch sagt: Ich werde gefragt, danke dafür! Ich antworte, egal, wer fragt!

Zielgruppen lokalisieren und ansprechen
Mir scheint, Ihr seid völlig unbedarft, was diese neue Form von Journalismus und Öffentlichkeit namens Blogs betrifft. Ihr solltet Euch freuen, dass sich immer mehr Blogs immer mehr Bereiche erobern, die bisher den etablierten Medien vorenthalten waren, auch wenn es mehr Arbeit macht. Es mag Euch stark verwundern, aber: Viele Blogs haben durchaus eine Zahl von Lesern, eine treue Zielgruppe, Stammleser, aktive Nutzer - also das, worum viele etablierte Medien immer verzweifelter kämpfen. Geht es in Eurem Job nicht darum, Eure Zielgruppen zu lokalisieren und dort anzusprechen, wo sie sich bewegen?

Blogger gleichbehandeln
Warum unterscheidet Ihr noch so zwischen Bloggern und Journalisten? Warum ist es Euch so wichtig, das irgendwie abzugrenzen? Welche sagenhafte Strategie steckt dahinter? Es ist ja nicht so, als könntet Ihr nicht dazulernen. Ihr habt erkannt, dass dieses Internet zwar nervig sein kann oder doof (bei Shitstorms), Ihr aber durchaus ganz gut dabei wegkommt, wenn Ihr Euch nicht verschließt, sondern die Sache ernst nehmt. Und einige große Unternehmen behandeln Blogger mittlerweile sogar schon fast so wie die Leute, die im Auftrag von Verlagen und Sendern anrufen.
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Aber es reicht nicht. Noch lange nicht. Die Berichterstattung, die Debatten in der Blog-Landschaft finden weitgehend ohne Euch statt, weil Ihr Euch ziert. Ihr könntet proaktiv kommunizieren, wie gesagt: Dafür bekommt Ihr Eure Kohle. Und irgendwie geht es ja auch um Eure Ehre, nicht? Ihr präsentiert Euch aber noch als verschlossene Auster – wir hier drin, das Netz da draußen. Pah! Wir reden nur mit Leuten mit Redaktionsbescheinigung, Redaktions-E-Mail-Adresse oder Presseausweis. Blogger? Kein Bock! Oder nur, wen wir gerade Zeit und Lust haben. Was ist das für eine Einstellung, bitte?

Blogs als neue Form des Journalismus
In Deutschland schießen immer mehr Blogs aus dem Boden, das Problem (aus Eurer Sicht ist es ein Problem, wenn Ihr nicht langsam in die Puschen kommt) wird größer. Viele Verlage und Sender gehen immer stärker dazu über, nur noch Agenturmeldungen umzuschreiben, die eigene Rechercheleistung ist mager. Es fehlt an Geld und damit an Redakteuren. Gleichzeitig überraschen immer mehr Blogs mit exklusiven, spannenden, kritischen Storys. Gewöhnt Euch dran, Blogs sind der neue, offene Journalismus. Mit Euch oder ohne Euch.

Keine Modeerscheinung
Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet diese Entwicklung aussitzen? Glaubt Ihr, das geht schon wieder vorbei? Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten um festzustellen, dass dieses Social Web-Dingens keine Modeerscheinung ist. Nicht alle der unzähligen Blogger in Deutschland, die wirklich die gesamte qualitative Bandbreite abdecken, bloggen mit journalistischem Anspruch. Aber es gibt nicht wenige Autoren im Netz, die es tun – und die bekannter sind als viele klassische Medien. Reichweite und so. Und: Sie schreiben mitunter sogar authentischer. Das kann Euch im Prinzip doch eigentlich nur recht sein, oder?

Hört auf zu grübeln
Ihr müsst Blogger nicht mögen. Sie können nervig, schwierig, kauzig, eigensinnig, anstrengend sein. Und auf die schlussendliche Story, die Ihr dann pixelgenau über Euch lesen könnt, habt Ihr auch keinen endgültigen Einfluss. Aber das ist im klassischen Journalismus doch genauso. Ihr scheint wirklich zu denken, dass journalistische Ausbildung, Anstellung in den Medien oder publizistische Plattform darüber entscheiden, wie seriös ein Journalist ist – und wie gut Ihr darauf einwirken könnt. Das ist Unsinn. Hört auf zu grübeln. Kommuniziert einfach.

Am Ende ist Journalist, wer journalistisch korrekt arbeitet (siehe dazu auch den Beitrag von Dennis Sulzmann mit dem Titel „Die Waffen nieder“, veröffentlicht auf seinem Blog „heutigentags.de“.)  Schließt Euren Frieden damit.

Über den Autor: Dennis Sulzmann ist in Hamburg als freier Journalist und Berater tätig. Als Gastautor schreibt er für den NDR und weitere Auftraggeber. Seine Schwerpunkte als Berater liegen in den Bereichen Media Relations, Issue Management und Fundraising.

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