Autoren-Beiträge In der Schule und vor Gericht

Konrad-Daniel FleishmanHillard FotoEine Replik auf Klaus Kocks

Die Szene ist beinahe so wie damals in der Schule. Aber nicht der Lehrer tritt vor die Klasse, die in Erwartungshaltung vor ihm steht. Stattdessen betritt eine Richterin den Gerichtssaal, in dem der Prozess zweier Banken verhandelt wird. Anwälte, Zuschauer und Journalisten haben sich erhoben. Stehend liest die Richterin den Beschluss des Gerichts vor. Sie tut dies ohne vom Blatt aufzuschauen, beachtet weder Punkt noch Komma. Nach zehn Minuten Lesung voller Aktenzeichen und Präzedenzfälle scheint die Richterin ohne einen Atemzug ausgekommen zu sein. Sie hebt ihre Augen auf und blickt in die verdutzten Augenpaare von zwei Dutzend Pressevertretern im Saal. Für die anwesenden Journalisten lagen weder eine Presseerklärung noch andere offizielle Dokumente aus, die den Sachverhalt näher erklären würden. Auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten keine aufbereiteten Unterlagen für die Journalisten im Gepäck. Am nächsten Tag zeigte sich in den Medien, wie „gut“ die Ausführungen der Richterin waren und welcher Pressevertreter wie viele Infos von dem komplexen Banken-Thema verstanden hatte. Diese real erlebte Geschichte zeigt, wie nötig heute Litigation-PR, also prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit, ist. 

Situationen wie diese sind kein Einzelfall. Vor Gericht lassen Unternehmenskommunikatoren Szenen zu, die in anderen Kommunikationsdiziplinen undenkbar sind. So werden beispielsweise Jahreshauptversammlungen minutiös vorbereitet. Video-Statements des Vorstands, animierte Infografiken oder Pressekonferenzen – im Bereich Investor Relations wird nichts dem Zufall überlassen. Alle Finanzkennzahlen werden bei Bedarf erläutert. Anders geschieht es oftmals vor Gericht. Journalisten werden mit komplexesten Themen alleine gelassen. Die Folge sind falsche und tendenziöse Artikel, die die Reputation eines vor Gericht stehenden Unternehmens massiv schädigen können.

Hintergrundgespräche statt Pressekonferenzen und Flüstertüte statt Megaphon
Somit droht Unternehmen – neben dem Risiko, den Prozess zu verlieren – auch der Verlust des guten Rufs. Allerdings nicht erst bei Prozessbeginn, sondern bereits ab der ersten Hausdurchsuchung. Die Strategien im Bereich Litigation-PR sind verschieden: Man hält Kontakt zu den Medien, manchmal auch zur Politik. Hintergrundgespräche statt Pressekonferenzen. Flüstertüte statt Megaphon. Litigation-PR erklärt das Verfahren, bereitet Fallchroniken auf und bindet auch Anwälte in die Medienarbeit ein. Und Litigation-PR versteht sich auch darauf, für den Klienten in die Offensive zu gehen – wenn es darauf ankommt. Letztlich gilt aber immer: Klienten im Bereich Litigation-PR stehen vor Gericht oder sind mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren konfrontiert. Sie haben zudem verstanden, dass sie nicht nur vor dem Gericht stehen, wo die Unschuldsvermutung gilt. Die Klienten stehen immer auch im Gerichtssaal der Öffentlichkeit - und da bedeutet niemals genannt zu werden unschuldig. Das Urteil der Medien hält sich nicht an Recht und Gesetz - und es wird zeitnah vollstreckt. Es braucht kein Jahrzehnt wie bis zum Richterspruch im Prozess Deutsche Bank gegen Leo Kirch.

Litigation-PR ist eine junge, jedoch nicht komplett neue Disziplin und hat ihren Ursprung in den USA. Dies sollte auch für Prof. Kocks nichts Neues sein – sieht er sich doch selbst seit 20 Jahren als “Nestor der Litigation-PR” in Deutschland. Unternehmen brauchen Litigation-PR, um Einfluss auf das Urteil im Gerichtssaal der Öffentlichkeit zu nehmen und die Reputation zu schützen. Damit sich im Gerichtssaal nicht länger Szenen wie in der Schule abspielen.

Über den Autor: Daniel Konrad ist Berater bei FleishmanHillard. Zu seinen Schwerpunkten zählt Litigation-PR sowie Fragen rund um das Thema Compliance. Er twittert unter @dan_konrad  schreibt auch für den True-Affairs-Blog.

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