Pörksen: Skandal. Die Macht öffentlicher Empörung

"Skandal. Die Macht öffentlicher Empörung" von Jens/Bernhard Pörksen, Herbert von Halem Verlag, Köln.
Broschiert, 1. Auflage Februar 2009, 352 Seiten, Preis: 18,00 Euro, ISBN-13: 978-3938258477

Rezension von Manfred Piwinger, Piwinger Unternehmens- und Kommunikationsberatung, Wuppertal

Das Werk resultiert aus einem Lehrforschungsprojekt und enthält 29 Texte von Studierenden der Universität Hamburg auf dem Weg in den Journalismus. Einleitend geben die beiden Herausgeber Jens Bergmann, geschäftsführender Redakteur des Wirtschaftsmagazin brand eins, und Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft, eine zwar kurze, aber sehr genauen Beschreibung über die Inszenierung öffentlicher Empörung. Der Skandal wird von ihnen als „journalistischer Ernstfall“ angesehen, die Medien werden als Befeuerer kollektiver Erregung geoutet. Die Texte der jungen Studierenden des Lehrforschungsprojekts sind im eigentlichen Sinne keine Texte, sondern allesamt Interviews mit Beteiligten und Betroffenen.

In zwei Fällen kommen Sachkundige zu Wort: der Soziologe Ulrich Beck und der Medienanwalt Matthias Prinz. Die Mehrzahl der Interviewten sind der Medien- und PR-Szene zuzuordnen. Namen wie die von Günter Wallraff, Hans Leyendecker und Volker Lilienthal, der den größten Schleichwerbe-Skandal der ARD aufdeckte, sind den meisten ebenso geläufig wie die von Moritz Hunzinger und Fritz Goergen, ehemals politischer Berater von Jürgen Möllemann. In weiteren Interviews äußern sich Wolfgang Kubicki über seine Rolle im Prozess um Schmiergelder und Lustreisen bei der Volkswagen AG und Thilo Bode zum „Nerv treffen“ über die Arbeit von Greenpeace.

Eine Reihe engagierter Förderer haben das Lehrforschungsprojekt an der Universität Hamburg unterstützt. Somit waren für die Studierenden auch Reisen ins Ausland möglich. Herausgekommen ist dabei u.a. ein äußerst lesenswertes Interview mit Darryn Lyons, dem Inhaber einer der größten Paparazzi-Agenturen der Welt, über sein Geschäft, die Ruhmsucht der Stars und ihren „faustischen Pakt mit der Presse“. In die gleiche Kategorie gehören Gespräche mit Clarence Mitchell (Er ermöglichte die beispiellose Medienkampagne auf der Suche nach der verschwundenen „Maddie“.) sowie mit Dietmar Ecker, der dem Entführungsopfer Natascha Kampusch zur Seite stand.

Was dieses äußerst anregende und sorgfältig recherchiertes Buch zu etwas Besonderem innerhalb der Skandalliteratur macht, ist der Umstand, dass die aufgegriffenen Fälle – zwar allesamt noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit vorhanden - a posteriori untersucht werden: Wie waren seinerzeit die Umstände? Welche Handlungsoptionen gab es? Was ist davon geblieben? Was ist aus den Betroffenen geworden? Jeder Fall für sich ist ein Lehrstück und gewährt uns Einblick in den komplexen Prozess von Skandalverläufen.

Seitennavigation