Studien European Communication Monitor 2015: Österreich hinkt beim „Zuhören“ hinterher

Zerfass Ansgar UniLeipzig 2014Im Juni wurden die Ergebnisse des European Communication Monitor in Brüssel vorgestellt. Auf Basis der Befragung von rund 2.200 Kommunikationsprofis aus 41 Ländern wurde die europäische Kommunikationslandschaft vermessen (wir berichteten). Jetzt präsentierte Ansgar Zerfaß (Foto), Leiter des internationalen Forscherteams, in Wien auf Einladung des Public Relations Verbands Austria (PRVA) die spezifischen Ergebnisse für Österreich. Aus dem Nachbarland hatten rund 90 PR-Schaffende an der Untersuchung teilgenommen. Ein auffälliges Ergebnis: Österreich hinkt beim „Zuhören“ anderen europäischen Ländern deutlich hinterher. Nur 38,9 Prozent der Befragten bekennen sich dort zu einer „Strategie des Zuhörens“, die Netzwerke und Instrumente umfasst, um Feedback einzuholen, Diskussionen zu beobachten, Dialoge zu initiieren und so gewonnenes Wissen in eigene Entscheidungen einzuspeisen.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bewerten österreichische PR-Experten die Massenmedien skeptischer, eigene Medien dagegen positiver. Hohe Bedeutung wird strategischen Partnerschaften mit Medienproduzenten und Konzepten wie Content Strategy, Content Marketing und Brand Journalism zugesprochen. 72,6 Prozent der Umfrageteilnehmer erwarten Steigerungen bei gemeinsam produzierten Inhalten für Publikationen und Services. Nach Beurteilung der Befragten lässt die Umsetzung allerdings zu wünschen übrig.

Klassische, traditionelle Medienarbeit
Zwei von drei Befragten gehen davon aus, dass die klassische Pressearbeit an Bedeutung gewinnt. Jeder Dritte prognostiziert, dass Tauschgeschäfte „Geld gegen Aufmerksamkeit“ zunehmen werden – hier gibt es allerdings ebenso viele ablehnende Stimmen. Eine Hauptursache für diese gegenläufige Entwicklung dürfte der Bedeutungsverlust von Anzeigen und Fernsehspots sein und die verstärkte Nutzung von zielgruppenspezifischen Onlineangeboten der Medienhäuser.

Drei von vier Organisationen wollen bei der Zusammenarbeit mit Medien ganz klassisch Informationen verbreiten. Nur 33,7 Prozent aller Organisationen produzieren bereits gemeinsam mit Medienhäusern qualitativ hochwertige Inhalte oder Themenplattformen. Hier ist in Zukunft mehr zu erwarten: Content Marketing im Sinne der Verbreitung von kundenrelevanten Inhalten und Brand Journalism als Produktion von Nachrichtenwerten für bestimmte Marken werden von 80,2 bzw. 67,5 Prozent der Befragten als wichtig für die nächsten drei Jahre eingestuft. Umgesetzt werden diese Konzepte, die derzeit in der Branche stark propagiert werden, jedoch bislang nur von 49,4 bzw. 34,1 Prozent der Organisationen.

„Strategische Medienkommunikation ist heute und in Zukunft etwas ganz anderes als klassische Pressearbeit“, kommentiert Professor Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig, der das internationale Forscherteam der Studie leitet. „Über attraktive Inhalte hinaus spielen gemeinsame Vermarktungsinteressen von Kommunikationsabteilungen und Medienhäusern eine wichtige Rolle. Immer mehr Unternehmen produzieren sogar so gute und viele Inhalte, dass sie eigene Medienwelten aufbauen können und Journalisten kein Nadelöhr mehr sind. Red Bull gilt dabei weltweit als Vorreiter.“

Strategien zur Kommunikation und zum Zuhören
Neun von zehn Befragten (89,3 %) in Österreich geben an, dass ihre Organisation eine Kommunikationsstrategie implementiert hat. Damit liegt Österreich in punkto Strategie im Spitzenfeld. Gleichzeitig aber bekennen sich nur 38,9 Prozent zu einer Zuhörstrategie, die Netzwerke und Instrumente umfasst, um Feedback einzuholen, Diskussionen zu beobachten, Dialoge zu initiieren und so gewonnenes Wissen in eigene Entscheidungen einzuspeisen. Beim Zuhören hinkt Österreich anderen europäischen Ländern also deutlich hinterher.

Die hohe Bedeutung der Vermittlung von Botschaften bei gleichzeitig geringer Beachtung des Zuhörens ist problematisch. Paradox ist, dass in Österreich sogar mehr PR-Profis die Wichtigkeit des Zuhörens für Legitimation und Zielerreichung von Organisationen erkennen (85,7 %), aber mit Ausnahme der Medienbeobachtung die einschlägigen Instrumente des systematischen Zuhörens weniger häufig genutzt werden als im europäischen Durchschnitt. Das gilt für das Social Media-Monitoring (in Österreich von 53,7 % implementiert) ebenso wie für Stakeholder-Kommunikation (43,1 %) und regelmäßige Stakeholder-Analysen (31,9 %).

Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
Die Kommunikationsabteilungen der befragten Organisationen arbeiten sehr häufig mit mehreren PR-Agenturen gleichzeitig (33,9 %). 23,2 Prozent der Auftraggeber beauftragen nur eine einzige Agentur. Im europäischen Durchschnitt liegt dieser Wert bei 13,9 Prozent. Alle anderen erteilen Aufträge auf Projektbasis oder wickeln sämtliche Kommunikationsaktivitäten inhouse ab.

Deutlich häufiger als im europäischen Durchschnitt (25,8 Prozent) werden Externe in Österreich eingesetzt, um der Geschäftsleitung Kommunikationsstrategien näher zu bringen (35,4 %). Dagegen arbeiten nur 29,2 Prozent mit Agenturen zusammen, um strategische Einsichten zu erhalten – im Gegensatz zu 47,5 Prozent im europäischen Vergleich. Hier zeigt sich ein spezifisches Beziehungsgeflecht, dass näher analysiert werden sollte.

Herausforderungen in der Zukunft
„Der Aufbau und der Erhalt von Vertrauen ist weiterhin die größte Herausforderung für Kommunikationsmanagement und PR in Österreich“, betont PRVA-Präsidentin Susanne Senft, „Als zweitgrößte Herausforderung wird der Umgang mit begrenzten Mitteln bei gestiegenen Kommunikationsbedürfnissen durch immer mehr Zielgruppen und Kanäle genannt. Und das ist ein klarer Hinweis, dass Strategie und Professionalität mit jedem Tag wichtiger werden.“

Den Österreich-Bericht zum European Communication Monitor 2015 gibt es auf Website des PRVA. Die europaweiten Ergebnisse finden sich auf der Website des European Communication Monitor inklusive aller Ergebnisse aus den vergangenen Jahren.

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