Social Media Interview mit Jan Westerbarkey: Lohnt sich Social Media für ein B2B-Unternehmen?

Jan Westerbarkey Diese ketzerische Frage haben wir Jan Westerbarkey gestellt. Er ist bei Westaflex geschäftsführender Gesellschafter und betreut auch die Social Media Aktivitäten des Familienunternehmens aus Gütersloh. Westaflex ist spezialisiert auf Luft- und Klimatechnik, Akustik, Wohnungslüftung und Abgastechnik. Nicht unbedingt Produkte und Themen, die auf den ersten Blick besonders für Social Media geeignet scheinen. Doch der Westaflex Fan Club hat bei Facebook knapp 40.000 Fans und auch Blog und Twitter sind für das Unternehmen wichtige Kanäle, um mit Kunden ins Gespräch zu kommen, neue Mitarbeiter zu finden oder Mitarbeiter als Markenbotschafter zu stärken. PRJ-Redaktionsmitglied Anja Beckmann, Köln von get noticed! communications hat Jan Westerbarkey interviewt.

1. Social Media für ein B2B-Unternehmen. Bringt das überhaupt etwas, ist das nicht nur etwas für den B2C-Bereich?

Interessanterweise haben wir selbst uns nie diese Frage gestellt, da wir ja ohnehin Produkte von Menschen für Menschen herstellen, also H2H betreiben. Ebenso ist eine Amortisation nicht einfach zu berechnen, sofern mal nicht pauschal von einer Erwartungshaltung der Generation Y Fachkräfte ausgegangen wird. Es ist, glaube ich, ein Trugschluss, als Familien-Unternehmen westfälisch verschwiegen aufzutreten, zumindest in Gütersloh mit seinen internationalen Hausgeräte-, Küchen- und Medien-Konzernen, welche andernfalls die besten Jahrgänge vom Markennamen her aufsaugen. Wir haben so aus einem Nachteil einen Vorteil gemacht, da sich die größeren Mittelständler im Social Web noch sehr zurückhalten. So kann man bei einem Bielefelder Nahrungsmittelkonzern bislang nur Fan einer Pizza oder Backmischung werden, eine generelle Firmen-Facebook-Präsenz gibt es nicht.
Auf der anderen Seite kamen seit diesem Jahr sämtliche Praktikanten nicht mehr über unsere Hochglanz-Webseite zu uns, sondern ausschließlich über unseren Facebook Fan Club. Unser Bestreben setzt darauf, BYOD und Mitarbeiter als Markenbotschafter zu stärken; unser Firmengelände hat daher auch einen flächendeckenden WLAN-Zugang für alle Mitarbeiter.

2. Welche Menschen wollt ihr erreichen und mit welchem Ziel? Welche Themen besetzt ihr?

Wir haben über die Jahre festgestellt, dass es nicht ausreicht innovative Produkte, wie Wasserfilter zu bauen, sondern begonnen diese über multimediale Kanäle bspw. etwa über QVC mit Unternehmer-Gesicht anzubieten.
Diese Art Testimonial, wie man sie sonst nur von Kaffee- oder Babynahrungs-Herstellern kennt, ist es, die als Gallionsfigur unsere ersten Schritte im Web 2.0 prägte. Übrigens zieht sich diese Personifizierung auch in der Verbands- und Lobbyarbeit durch. Daher war es für mein Sonderthema EDIFACT ganz klar, nur durch bloggen einen UN-Welt-Tag zu bekommen. Welttage müssen nämlich Regierungen bei der UN-Vollversammlung einreichen und EDIFACT wurde 1982 durch die Welthandels-Organisation in Genf etabliert - allerdings bislang ohne Welt-Tagesstatus.
Inzwischen ist fast jeder Mensch durch das Web dermaßen aufgeschlaut, dass wir nur durch Offenheit und Angebot zum Dialog glauben, zukunftsfähig zu sein. Wir unterstützen deshalb zahlreiche Open Source und Barcamp Projekte unser Branche, um der offenen Gemeinschaft auch etwas zurückgeben zu können. Für uns waren Web 2.0 Technologien der Einstieg in E 2.0 Plattformen innerhalb unser Unternehmensgruppe.

3. Ihr nutzt Facebook, Google+, Twitter, LinkedIn, YouTube und Pinterest. Welchen Kanal für welchen Zweck?

Leider ist es ja noch immer so, dass die einzelnen Plattformen zueinander wenig kompatibel sind und unsere Mitarbeiter nicht über single sign-on und einheitlicher Oberfläche kommunizieren können. So haben wir anfänglich sämtliche Video-Kanäle markenrechtlich belegt, obwohl letztlich nur YouTube das Rennen gemacht hat. Mit der Apple-Entscheidung zugunsten von Vimeo könnte ein zweites Standbein dazu kommen.
Wir gehen dort auf Ideenfang, wo sich die Fische tummeln. Und da Dialog zunächst nur eine Aufforderung darstellt, entsteht in jedem einzelnen Kanal seine ihm eigene Kommunikation.
Vor einigen Jahren noch, konnte man Bedeutung und SEO-Ranking kaufen, heute muss man sich diese erarbeiten. Was genauso bedeutet, den Fachleuten unter unseren Mitarbeitern den Rücken zu stärken, Social Media Interaktion als Teil ihrer Tagesarbeit anzusehen. Deshalb gibt es immer noch die klassische PR-Agentur an unserer Seite, sie wäre jedoch in ihrer Antwortzeit viel zu verhalten. Überzeugende, glaubhafte Multimedia-Arbeit kann nur aus dem jeweiligen Unternehmen selbst stammen. Und Glaubwürdigkeit und Transparenz wird immer wichtiger - in der Familie und im Familienunternehmen.

4. Als B2B-Unternehmen habt ihr jeweils über 38.000 Follower bei Twitter unter @westaflex und auf Facebook beim Westaflex Fan Club. Wie schafft ihr das?

Verbraucher haben heute die (Aus)wahl, es gibt mindestens ein vergleichbares Warenangebot auf der Welt, so dass Reputation, Local Content und der berühmte Nasenfaktor die Entscheidung trifft. Speziell Bauherrn möchten sich gleichwertig zum Planer und Handwerker informieren, um die beste Technologie unabhängig zur Ausschreibung zu bekommen. Und genau hier liegt unsere Kernkompetenz, den die Kontaktzahlen ausdrücken. Unsere Fan-Anzahl ist in den Jahren immer dann gewachsen, wenn wir neue Transparenz-Information bereitgestellt haben. Interesssanterweise sind die Neuen Medien zusätzlich gekommen, neben dem traditionellen Katalog und Newsletter, die es parallel dazu gibt. Wir geben in die unterschiedlichen Kanäle übrigens unterschiedliche Informationen, anstatt gleiches überall zu überschwemmen. Sicherlich gibt es noch weiteres Follower-Wachstum würden wir die Veröffentlichungs-Zeiten weltweit optimieren. Derzeit wird eine Information plaziert, wenn sie passiert.
Niemand sollte, neben der reinen Betrachtung an Zahlenwerten, die Reichweite sozialer Medien unterschätzen. Es gilt das Wikipedia-Prinzip: mehrheitlich Voyeure, wenig Redakteure und Kommentatoren. Eine Vielzahl an Zugriffen ist anonym, also nur vage auszuwerten und zu optimieren.

5. Du bist im Social Web sehr präsent. Wie hast du es erreicht, zum "Gesicht" des Unternehmens zu werden?

Mir war es eben nicht egal, was mein Nachwuchs an Schüler-VZ und später Facebook so faszinierte und ich bin darüber auf unendliche Welten gestoßen. Mittlerweile darf ich Sparring-Partner sein, wenn es um Profil-Einstellungen geht. Hätte es zu Zeiten unseres Abi-Streiches Google schon gegeben, hätte ich mich sicherlich nirgends mehr blicken lassen können. Diese Medien-Kompetenz konnte ich recht bald an unsere Führungskräfte weitergeben, so dass Web 2.0 heute bei Westaflex zu einem Selbstläufer geworden ist.
Es wundert mich allerdings selbst, wieviel Vorbehalte gegen den Wandel zum kolloborativen Unternehmen im Mittelstand noch existieren. Vielleicht ist das der Grund, warum ich namentlich in diesem Zusammenhang zu Suchtreffern führe. Westaflex hat sich lediglich zu einem frühen Zeitpunkt auf den Weg gemacht mit allen Irrungen und Wirrungen. Es geht uns um das Geschichten erzählen und um den Wunsch eines ehrlichen Dialogs mit unseren Interessensgruppen. Deshalb ist Social Media, neben ISO9000 auch ein Punkt im Lehrplan unser Azubis und offen eingefordert bei Firmenfesten und anderen Meilenstein-Ereignissen.

6. Haben die Social Media Aktivitäten messbare Erfolge für das Geschäft gebracht, also z. B. eine höhere Bekanntheit, neue Kunden und damit mehr Umsatz?

Genaue Bewertung setzt detaillierte Erfolgsmessung voraus, welche wir nach Anfangs-Interesse nicht weiter analysieren. Das mag falsch sein, ist aber so. Wir sind neugierig, probieren gern aus und experimentieren mit neuen Formaten. So gesehen hat jeder Geschäftsbereich sein eigenes Budget für seine Aktivitäten und auch die Verantwortung für die Erfolge daraus.
Ganz anders im Innenverhältnis: hier haben wir eine Vielzahl an Web 2.0 Werkzeugen für unsere E 2.0 Oberfläche nachgebaut. Im Wissens- und Innovations-Management, sowie im Projektgeschäft mit seinen mitgeltenden Dokumenten sind handfeste Zeit- und Effizienz-Effekte nachweisbar. Ähnlich einem Browser-Lesezeichen haben wir begonnen Lernpfade anzulegen und nutzen die zahlreichen Klicki-Bunti-Angebote der Fortbildung und Video-Konferenzen.
Mit unser Web 2.0 Nutzung kamen die Cloud-Anwendungen, die uns intern viel Komplexität genommen haben bei gleichzeitiger Flexibilität von Arbeitsplatz und -zeit. Sofern man diesen Aspekt zu den finanziell messbaren Erfolgen zählen mag, liegt hier ein Hauptaspekt.
Während ich diese Zeilen schreibe, besuche ich die Gamescom Messe. Die Zukunft scheint mir Chat und Augmented Reality, sowie Browser-gesteuerte Anwendungen zu sein.

7. Wie wollt ihr Social Media auch in Zukunft nutzen?

Für uns liegen wesentliche Vorteile in der Kombination mit mobilen Glasscheiben, als Smartphone- oder Tablet App in der Fertigung. Das schnelle Mikro-Blogging wird zunehmen, genauso wie das ortsungebundene Arbeiten im Team. Facebook wollen wir zur Familie + Freunde Plattform und damit indirekt zur Mitarbeiterbindung ausbauen und potenziellen Bewerbern Einblicke in unsere Firmengruppe gewähren.
Es ist die Frage zu welchem Zeitpunkt Ideen entstehen. Falls dies beim Duschen oder nach dem Mittagsschlaf der Fall ist, geht es sicherlich in Richtung Denk-Ruhezonen und Projekte mit interdisziplinären Team-Mitgliedern. Schnell mal auf Unternehmens-Datenbanken zugreifen, Gedanken skizzieren und Visionen in Video und Audio festzuhalten. Dialog und Diskussion also besonders nach innen gerichtet und im Diskurs mit Kunden- und Lieferanten-Partizipation. Open Innovation statt Patentkriege zum Wohle der Gemeinschaft. Social Media ist Kommunikationsform des globalen Dorfes; wer ernsthaft an seinen Kunden und deren Feedback interessiert ist, ist selbstverständlich dabei. Es ist keine Zeitverschwendung, sondern die Möglichkeit des 1:1-Meinungsaustausches.
Nach Erlernen der Medien-Kompetenz ist die Information-Kompetenz das nächste Lernfach für unsere Mitarbeiter und Führungskräfte. Wir haben uns gerade auf den Weg gemacht....

 

 

Seitennavigation