Autoren-Beiträge PR und das Social Web (2): PR-Manager versus Social Media-Öffentlichkeitsarbeiter: Stratege oder Streetworker?

weinberghelgeEin Autorenbeitrag von Helge Weinberg, Strategie & Kommunikation, Hamburg.
Haben die PR-Manager ihren Job verlernt? Im Dezember diskutierte der Blog Karrierebibel den Unterschied zwischen „PR-Managern“ und „Öffentlichkeitsarbeitern“. Letztere würden Social Media professionell nutzen und mit den Kunden in Dialog treten. PR-Manager hingegen nicht.
PR ist rückwärtsgewandt, borniert an veralteten Instrumenten festhaltend? Das meinen die doch nicht wirklich, dachte ich. Und schrieb dazu eine Entgegnung. Falsch gedacht. Die meinen das so. Und zwar eine ganze Menge Leute. Denn diese These stammte keineswegs von der Karrierebibel, sondern kursiert schon seit einiger Zeit im Web. Die Zustimmung der Karrierebibel-Leser gab mir zu denken.

Ich halte den Begriff des PR-Managers für ausreichend, um die anstehenden Aufgaben in der PR zu beschreiben. Ich glaube, dass wir alle dasselbe von der PR einfordern. Es geht darum, dass die PR-Fachleute den veränderten Ansprüchen an ihre Rolle gerecht werden müssen. Dagegen scheinen Funktionen und Begrifflichkeiten nicht klar zu sein.

Was ist der Job von PR-Menschen in Zeiten des Social Web? Eine Beschreibung liefert das Konzept des Öffentlichkeitsarbeiters. Dies sind Kommunikations-Professionals, die im Dienste und mit der Öffentlichkeit arbeiten und zu ihr echte und ehrliche Beziehungen aufbauen. „Streetworker“ auf der Straße des Social Web, so Mirko Lange, der für die Definition verantwortlich zeichnet.

Während die PR-Manager als Old-School-Gegenmodell die Sektflöte in der Hand halten, auf Empfängen Small-talk machen und ab und zu mal eine Pressemitteilung raushauen? Und den Anschluss an Web 2.0 verloren haben? Nein, ganz so einfach ist es nicht. Aber es ist was Wahres dran.

Echte und ehrliche Beziehungen zu Kunden oder Spendern, das ist etwas, was selbst Nonprofits nicht immer hinbekommen. Das soll also die Unternehmens-PR schaffen? Ja, es kann funktionieren. Aber dazu bedarf es eines anderen PR-Menschen als den Öffentlichkeitsarbeiter. Wir brauchen den PR-Manager, der den Rahmen für die Arbeit des Öffentlichkeitsarbeiters setzt.

In Public Relations, der Name sagt es, geht es um das Management von Beziehungen, „das Management von Kommunikation von Organisationen mit deren Bezugsgruppen“ (Dieter Herbst 2005). Grundsätzlich ist der Anspruch an die PR-Manager damit recht hoch. Diese Managementfunktion nahmen sie in der Vergangenheit nur begrenzt wahr. Oft wurden die Möglichkeiten nur ansatzweise ausgereizt.

Ich meine „Strategie“ und „Führen“, den Anspruch der PR, eine Führungsfunktion im Unternehmen wahrnehmen zu wollen. Diese Aufgabe der PR-Manager halte ich für wichtiger denn je. Der Öffentlichkeitsarbeiter hat diesen Anspruch nicht. Als Streetworker arbeite ich nicht strategisch, sondern an der Basis.

Nun war PR in den letzten Jahren in vielen Unternehmen weit davon entfernt, zu führen. Jetzt ist Social Media dazu gekommen. Jetzt muss PR führen.

Reden wir über das Verhältnis der PR-Manager zu Social Media, dann sehen wir eine Dreiteilung in der PR-Landschaft.

Gruppe Nummer Eins: Dies sind PR-Manager, die Social Media schlicht negieren. Sie sind oft Mitarbeiter von Unternehmen, die eine bestimmte Unternehmenskultur haben. Eine Kultur, die dem Dialog mit Kunden keinen hohen Stellenwert zuweist. Wir alle kennen diese Unternehmen aus der Vor-Social-Media-Zeit. Sie haben nie viel kommuniziert. Das Geschäft lief auch so, bis es Probleme gab. Dann waren hilfloser Aktionismus, Leugnen, Vertuschen angesagt.

Gruppe Nummer Zwei: Dies sind PR-Manager, für die Social Media ein toller neuer Kommunikationskanal ist, und zwar im Sinne einer Einbahnstraße. Diese PR-Fachleute hatte sich auch die Karrierebibel vorgenommen. Die munter auf Facebook ihre Pressemitteilungen veröffentlichen, nette Bildchen, lustige Sprüche. Und beim ersten kritischen Post in Schockstarre verfallen und bei Krisen völlig abtauchen.

Weil sie nicht entscheiden dürfen oder können, nicht kommunizieren, sprachlos bleiben. Etwa weil hausinterne Kommunikationsstrukturen schnelle Antworten nicht erlauben. Weil man potenziell kritische Situationen nie eingeplant hat. Oder offene Kommunikation doch nicht so gefragt ist im Unternehmen. Oder es einfach ein Schock für sie ist, dass Kunden ANTWORTEN ERWARTEN, und zwar zügig, und ANSPRÜCHE HABEN.

Gruppe Nummer Drei: Das sind die PR-Manager, die das Potenzial von Social Media sehen – und die dadurch geänderten Anforderungen an das Unternehmen. Hier gilt es, (soweit wie möglich) offen zu kommunizieren, (weitgehend) auf Augenhöhe und (möglichst) zur Echtzeit.

Sie stehen vor einer echten Herausforderung. Denn diesen Anforderungen entsprechen sie nur, wenn sie ihr Rollenverständnis grundlegend verändern. In Richtung „Öffentlichkeitsarbeiter / Social Media-Streetworker“ UND in Richtung „PR-Manager als Moderatoren im Unternehmen“. Die Karrierebibel fordert „ein hohes Maß an Vertrauen in die Öffentlichkeitsarbeit“ von Seiten des Unternehmens ein. Allein das mag schon eine Herausforderung für die PR sein. Aber damit ist es nicht getan.

Die PR-Manager müssen im Unternehmen Prozesse vorantreiben, die den geänderten Anforderungen an die Unternehmenskommunikation Rechnung tragen. Führen. PR-Manager also. Und sie müssen so kommunizieren, dass sie von der Öffentlichkeit als authentisch und ehrlich wahrgenommen werden. Beziehungen aufbauen. Streetworker also.

Schnelle Reaktionen auf Anfragen und kompetente Antworten kann ich generieren, indem ich das „Nadelöhr Pressestelle“ entschärfe. Das wäre der erste Schritt. Kompetenzen und Verantwortungen teilen, Vertrauen erweisen. Die PR wird nie wieder als einzige für das Unternehmen sprechen. Im Zeitalter des Social Web ist dieses Modell endgültig Makulatur. Es war auch nie wirklich sinnvoll, finde ich. Im zweiten Schritt sorge ich als PR-Manager dafür, dass alle, die für das Unternehmen sprechen (und das sind viele), dies im Sinne des Unternehmens tun. Das wird spannend. Hier wird meine Rolle als Moderator erst recht gefragt sein.

Das Eine ist die Struktur, das Andere die Kultur. Ich hatte das Glück, einige Jahre eine Position auszufüllen, wo die PR schon die Rolle der Moderation innehatte und nicht das alleinige Sprachrohr war. Es war eine faszinierende Zeit. Faszinierend deshalb, weil die Unternehmenskultur die Struktur unterstützt hatte. Eine solche Kultur muss vom PR-Manager mit entwickelt, gefördert, stets aufs Neue eingefordert, ausgebaut, hausintern und extern „verkauft“ werden.

Die Rolle der PR ist heute eine andere als die des klassischen PR-Managers, des Herrschers über die Informationen, am kommunikativen Tropf der Geschäftsführung hängend. PR im Zeitalter des Social Web erfordert ein Selbstverständnis von PR als Führungsfunktion, als wichtigen und heute oft entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung. Und ein Verständnis, dass PR-Manager zugleich Dienstleister sind. Stratege und Streetworker. Keine einfache Rolle.

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