Autoren-Beiträge Investor Relations in Deutschland: Investoren sehen Nachholbedarf

Michael DiegelmannEin Autorenbeitrag von Michael Diegelmann, cometis AG - Spezialisten für Finanzkommunikation, Investor Relations, Corporate Communication und Medientraining, Wiesbaden

Deutsche Unternehmen sind stark international ausgerichtet und häufig einer breiten Öffentlichkeit bekannt - vor allem, wenn sie börsennotiert sind. Die Folge: Erfolgreiche Unternehmen rücken in den Fokus von Kapitalgebern, die Interesse an einer Beteiligung haben. Viele börsennotierte Gesellschaften in Deutschland befinden sich dabei unter der Kontrolle eines Mehrheitsaktionärs, seien es die Eigentümerfamilie oder ein institutioneller Investor. Prominentes Beispiel: Die Henkel AG, die zu 53,21 % im Besitz der Familie Henkel ist. Für andere Investoren, insbesondere diejenigen, die zum Freefloat zählen, kann das zum Problem werden.

»Häufig herrscht in Unternehmen mit Mehrheitsgesellschaftern die Mentalität, dass man nur diesem verpflichtet ist«, klagt ein niederländischer Fondsmanager über die Kommunikation mit seinen Beteiligungen in Deutschland. »Wenn wir eine Frage haben, dauert es häufig sehr lange, bis wir eine Antwort erhalten – wenn überhaupt.« Dies sei jedoch insbesondere ein Problem kleinerer Unternehmen: »Mit Großkonzernen, die etwa im DAX vertreten sind, haben wir gar keine Probleme. Hier bekommen wir schnell und unbürokratisch die Informationen, die wir benötigen.« Allerdings zeigt er auch Verständnis, denn häufig fehlen kleineren Unternehmen das Know-how und eine geschulte IR-Abteilung, um mit Investoren auf Augenhöhe zu kommunizieren. Als Entschuldigung würde der Finanzprofi das jedoch nicht durchgehen lassen: »Schließlich haben wir Geld in das Unternehmen investiert. Also haben wir auch ein Recht, mit den Verantwortlichen zu reden.«

Es sind demnach insbesondere Mittelständler, die trotz ihres international ausgelegten Geschäfts den Zug am Kapitalmarkt zu verpassen drohen, wie auch eine Asset Managerin aus New York beobachtet. Die Unternehmen sollten verstehen, »dass nicht nur sie selber global aufgestellt sind, sondern auch die Investoren«. Man könne nicht erst an die Börse gehen, um im Anschluss die Interessen der Aktionäre, insbesondere diejenigen der Minderheitsaktionäre, zu vernachlässigen oder nicht ernst zu nehmen. »Manche Informationen bekommen wir nur schleppend. Auch wundern wir uns, warum es so schwierig ist, Telefonate mit dem Management zu bekommen. Das sind die normalsten Dinge in der Investor Relations-Arbeit. Manche deutsche Unternehmen würden gut daran tun, den Draht zu ihren Investoren zu verbessern.« Das sieht ein Fondsmanager-Kollege aus Dänemark ähnlich: »Wenn ich mal ein deutsches Unternehmen dabei habe, ist das Management meistens gut. Aber warum reden sie so wenig mit uns?«

Laut Deutschem Aktieninstitut (DAI) liegt die Aktienbesitzquote (direkter/indirekter Besitz) in Deutschland bei etwa 13,4 %; im Vergleich hierzu liege der Wert in den USA bei 25 %, in Großbritannien bei 23 %. Die im internationalen Vergleich augenscheinliche »Börsenfaulheit« scheint in Form von ungenügender Shareholder Culture auch auf die Unternehmen zurückzufallen. Fehlende Sensibilität für die Bedürfnisse der Aktionäre, fehlendes Know-how über die Gepflogenheiten des Kapitalmarkts und zu guter Letzt die zur Verfügung stehende Manpower – wichtige Punkte, an denen viele börsennotierte Unternehmen arbeiten sollten. Schließlich geht es beim Gang an die Börse und dem Werben um Investoren nicht nur um kurzfristigen Erfolg. Die Gunst der Aktionäre und das eigene Standing am Kapitalmarkt will gehegt und gepflegt werden. Einerseits haben die Investoren unter Umständen hohe Millionenbeträge investiert, andererseits möchte das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht eine Kapitalerhöhung durchführen. Dafür brauchen sie ihre Anteilseigner respektive weitere Investoren: Denn sie ermöglichen mit ihrem Geld neue Wachstumsperspektiven, die dem Unternehmen ansonsten vielleicht versagt bleiben würden.

Um attraktiv für Investoren zu bleiben, reicht es nicht in jedem Fall, sich auf Unternehmensseite nur um das operative Geschäft zu kümmern. Auch die Erfüllung der vom Börsenstandort vorgegebenen Transparenzstandards, etwa das Finanzreporting, sollte nur ein Teil der IR-Arbeit sein. Wichtig sind vor allem gut organisierte und kompetente IR-Ansprechpartner, die gut über alle relevanten Vorgänge im Unternehmen informiert sind und den Investoren als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung stehen. Das können sowohl Mitarbeiter des Unternehmens, aber auch spezialisierte IR-Agenturen wie die seit über zehn Jahren am Markt etablierte cometis AG leisten. Dies dient nicht nur dem Investorenservice, sondern kann auch das Management entlasten. Denn auch die Vorstände sind aktiver Teil der Investor Relations; der daraus entstehende Aufwand wird jedoch gerne unterschätzt. Aus einer cometis-Umfrage im Frühjahr 2012 unter Investmentbankern ging hervor, dass insbesondere der Finanzvorstand gefordert wird: Rund 30 % seiner Arbeitszeit muss er demnach für Investor Relations aufbringen. Beim CEO sind es immerhin noch rund 20 %. Die IR-Abteilung ist hier als Koordinator zwischen operativem Geschäft auf der einen, IR-Arbeit auf der anderen Seite gefordert. Greifen diese Dinge ineinander über, steht einer positiven Nutzung des Kapitalmarkts als Finanzierungsoption nichts entgegen.

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