Autoren-Beiträge Science Investments in den USA: Risikokapital kehrt zurück

Lemmens-Markus USA-KorrespondentSpät – aber nicht zu spät trommelt die deutsche Innovations-PR massiv. Das schallt auch über den Atlantik. Hinter dem Stichwort Industrie 4.0 verbergen sich aus Sicht der deutschen Wirtschaft Chancen und Schrecken zugleich: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert eine massive Unterstützung, die digitale Vernetzung der Produktionsprozesse voranzutreiben, um Anschluss an die Vereinigten Staaten zu bekommen. Denn die Sorge ist groß, dass die technisch exzellenten deutschen Produkte ihre Hoheit über die eigenen Daten verlieren.

US-Unternehmen – allen voran Apple und Google – machen es vor und steigen mit ihrer IT-Überlegenheit immer häufiger in bisher fremde Branchen ein. Mit dem selbstfahrenden Auto ist Google in diesem Sommer in den USA mehr als ein bloßer Achtungserfolg gelungen. Cadillac, ein richtiger Autobauer, kündigte kürzlich an, 2016 ein Produkt zum „autonomen Fahren“ einzuführen. Dieser Plan ist ohne IT undenkbar. Die wiedererstarkte Automarke stößt damit in das Premiumsegment von Mercedes, Audi und BMW vor. Und Tesla, die zu einhundert Prozent elektrisch betriebene US-Sportlimousine bekommt mit einem Familien-Van Nachwuchs. Beide Fahrzeugtypen werden mit Batterien ausgestattet, die immer weitere Reichweiten erzielen. Und im Aufladungsvorgang der intelligenten Energienetze steckt auch wieder IT made in the USA.

Bundesregierung will Innovationslücke schließen
Die Bundesregierung ist deshalb mit ihrer Digitalen Agenda entschlossen, die Innovationslücke zur IT-Macht USA zu schließen. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine sowie die Kommunikation zwischen Maschinen stellen das Hertzstück der Industrie 4.0-Bestrebungen dar. Der deutsche Mittelstand und die Großindustrie wollen dadurch auch langfristig ihren innovativen Wettbewerbsvorteil halten. Die Europäische Union versteht das und geht in die gleiche Richtung. Ein Plan für Digital Europe wird derzeit auf EU-Ratsebene ausgearbeitet. Für den Hauptgeschäftsführer des BDI, Markus Kerber, sind das richtige Weichenstellungen. Er fordert aber konkret: „Erstens muss es mehr Tempo im Ausbau von schnellen Internetverbindungen geben. Sie sind die Lebensadern der digitalen Gesellschaft. Zweitens brauchen wir ein hohes Maß an Datenschutz und Datensicherheit, um Vertrauen und Akzeptanz bei den Nutzern zu schaffen." Und dann müsse drittens die Politik einen europäischen digitalen Binnenmarkt kreieren, um einheitliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten.

Druck auf deutsche Hochtechnologie steigt
In den USA zeigen, zeitgleich zu den deutschen und europäischen Diskussionen, zwei Statistiken, dass vor allem die IT Vertrauen genießt. Damit steigt der Druck auf die deutsche Hochtechnologie, die – zum Beispiel im Maschinenbau – hier eine offene Flanke bietet, weil sie noch nicht ausreichend mit digitalen Komponenten ausgestattet ist. Die „Interbrand Best Global Brands“ 2014 führt allein vier US-Technologiefirmen in der Top Ten-Gruppe der wertvollsten Marken der Welt: Apple, Google, IBM und Microsoft. Mercedes hat es nach 2013 (Platz 11) in diesen Kreis geschafft und ist die zehntwertvollste Marke der Welt. Die „New York Times“ sieht nun auch die Venture Capitalists zurück, „start ups aus der Forschung“ zu finanzieren (13.10.2014). Nach einem dramatischen Rückgang der Investitionen in forschungsintensive Gründungen wie Ingenieurentwicklungen und Clean Technologies sei das Vertrauen zurückgekehrt, schreibt die Zeitung. Und der MoneyTree Report des zweiten Quartals 2014 bestätigt dies und zeigt auf Basis der Daten von Thomson Reuters und Analysen von PricewaterhouseCoopers sowie der National Venture Capital Association (NVCA) einen Anstieg der VC-Investitionen in den USA. Um 34 Prozent (13 Milliarden US-Dollar) ging es gegenüber dem ersten Quartal 2014 nach oben. Erstmals seit dem ersten Quartal 2001 (13,1 Milliarden US-Dollar) wurde wieder ein solcher Wert erreicht. Aber die Achterbahnfahrt folgt auf dem Fuß: Die jüngsten Zahlen zum dritten Quartal 2014 belegen wieder einen Rückgang um 26 Prozent; zwischen Juli und September flossen „nur“ 6, 1 Milliarden Risikokapital in US-Firmen. Dennoch sind mit rund 23 Milliarden Dollar in 2014 bisher schon mehr investiert worden als im gesamten Jahr 2013 mit 17,7 Milliarden Dollar.

Investitionschancen
Die Signale nach Deutschland bleiben trotz der Quartals-Schwankungen eindeutig. Die NVCA weist in ihrer Analyse darauf hin, dass vor allem die Investitionen in sogenannte „disruptive“ Technologien zulegten. Damit sind IT-Entwicklungen gemeint, die in der Lage sind, etablierte Geschäftsmodelle radikal zu verändern. Der private Fahrtenvermittler Uber – ein Renner in den USA – bietet ein solches Beispiel; in Deutschland angekommen, ist diese Marke eine Quelle des Zorns der professionellen Taxiunternehmen. Warum die deutsche Wirtschaft mit dem USA-Trend, verstärkt in IT-gestützte Modelle zu investieren, Schrecken verbindet, ist klar. Die NVCA sieht große Investitionschancen genau dort, wo Prozesse und Märke der Wettbewerber zerstört und neue etabliert werden könnten.

Über den Autor: Dr. Markus Lemmens gründete 1996 in Bonn den Verlag Lemmens Medien, der sich als Fachverlag für Wissenschafts- und Forschungskommunikation sowie Wissenschafts- und Forschungsmanagement etabliert hat. Heute arbeitet das Verlagsteam auch mit einem Berliner Büro erfolgreich für nationale und internationale Kunden aus Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie hat einen besonderen Stellenwert. Seit Januar 2014 lebt Lemmens in New York, um von dort aus das internationale Geschäft in Kooperation mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen auszubauen.

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