Das PR-Interview PR-Interview Nr. 115 mit Heiko Kretschmer, Johannsen + Kretschmer Agentur für strategische Kommunikation

Beziehungskapital besser nutzen
Kretschmer-Heiko JuKHeiko Kretschmer, Gründer und Geschäftsführer von Johannsen + Kretschmer Agentur für strategische Kommunikation, hat am 12. Juni gemeinsam mit Peter Szyszka, Professor an der Hochschule Hannover, einen nach eigenen Angaben neuen Ansatz zur Analyse und Bewertung des Wertebeitrags von Stakeholder Management vorgestellt, er nennt es die Methode „Beziehungskapital“ (wir berichten im Ressort Agenturen darüber). Korrespondentin Birgit Grigoriou hat nachgefragt und sich die Methode erläutern lassen.
PR-Journal: Zahlreiche Kommunikationsverantwortliche, ob für große Konzerne oder Mittelständler tätig, tun sich schon mit der integrierten Betrachtung der von den Leitern anderer Bereiche fokussierten Ziele schwer, viele auch schon mit der Evaluation der Kommunikation auf Output-Ebene. Warum ist das so?
Heiko Kretschmer: Das liegt meines Erachtens an Rollendefinition und Selbstverständnis der Unternehmenskommunikation. Beides ist vielfach von zwei Funktionen bestimmt: Erstens die Unternehmenskommunikation ist lediglich ein Service-Center für andere Bereiche und den Vorstand und zweitens hat der Kommunikationschef ein enges Vertrauensverhältnis zu seinem CEO, ist mitunter sein wichtigster Vertrauter. Im Kompetenzgerangel mit anderen Abteilungsleitern wie Human Resources, Investor Relations oder Political Affairs bleiben Kommunikationsverantwortliche aber schnell mal auf der Strecke. Sie werden viel zu spät in Vorhaben des Unternehmens einbezogen und müssen dann die Kommunikation direkt aus der Defensive heraus starten.

PR-Journal: Was raten Sie den Kolleginnen und Kollegen in solch einer Situation?
Kretschmer: Gewinnt das Ownership über Prozesse zurück und plant Eure Budgets nicht allein projektbezogen, sondern habt eigene Globalbudgets. Damit gewinnt Ihr Entscheidungshoheit und Flexibilität.

PR-Journal: Stichwort Prozesse: Sie sind zu einem ersten Gespräch geladen. Schnell stellt sich heraus, dass die oder der Kommunikationsverantwortliche keine Hoheit über ebendiese Prozesse hat. Sind Sie da nicht häufig in der Mediatorenrolle?
Kretschmer: Nein, wir sind hier eher als Coaches für alle Beteiligten gefragt. Wir wollen schließlich die Kollegen in die Lage versetzen, die Steuerung über die Prozesse zurück zu erlangen, und sie darin bestärken, selbst die Führung im unternehmensinternen Zusammenspiel zu beanspruchen. Es geht uns dabei um Stringenz in der Prozesssteuerung. Mediation zielt auf einen Konsens ab, Unternehmenskommunikation muss aber viel mehr auf die richtigen Prozesse und Instrumente aufbauen und diese steuern, um Verständigung auch jenseits von Konsens zu ermöglichen. Kommunikation erfolgt ja nicht in einem interessenfreien Kontext, sondern am Ende entscheidet die Frage, ob ein Unternehmen seine Ziele durch Kommunikation erreichen und die wichtigsten seiner Interessen durchsetzen kann.

PR-Journal: Bei Ihrer Methode Beziehungskapital sprechen Sie davon, dass eine Draufsicht-Analyse nicht reicht, wenn es um Stakeholder Management geht. Es geht um Perspektivwechsel. Wie sieht das genau aus?
Kretschmer: Man muss sich unbedingt aus der eigenen Betriebsblindheit befreien. Jeder von uns ist Gefangener in seiner eigenen Organisation und nicht in der Lage, die Dinge aus der Vogelperspektive und aus Sicht der Stakeholder zu betrachten. Das ist ja das wesentliche Moment unserer Methode, dass wir einen konsequenten Perspektivwechsel vornehmen und erst auf diese Weise eine Bewertung der Potenziale des Beziehungskapitals möglich ist. Denn Beziehungskapital wird einzig und allein vom Stakeholder definiert und gewährt. Die Stakeholder Wahrnehmung vergangener Erfahrungen mit einem Unternehmen prägt das Beziehungskapital und die als authentisch erlebte Kontinuitätserwartung.

PR-Journal: Können Sie bereits von ersten Reaktionen auf Ihren Ansatz berichten?
Kretschmer: Ja. Gefallen findet die Anschlussfähigkeit der Methode an ganz unterschiedliche Fragestellungen, die die Unternehmenskommunikation jeweils aktuell bewegen. Es ist eine Form der Reintegration unterschiedlicher Aufgabenstellungen der Unternehmenskommunikation. Die Betrachtung erlaubt eine ganzheitliche Steuerung der Unternehmenskommunikation, ihre Darstellung in einer Scorecard ähnlichen J+K Map, den Aufbau von Evaluierungen der Wirkung von Stakeholder-Management, aber auch ihre Bewertungs- und Vergleichsanalysen des Beziehungskapitals. Wichtig ist oft auch die strikte Orientierung auf vorstandsfähige Berichtsformate. Es ist für jeden ein Ansatzpunkt entlang aktueller Aufgabenstellungen vorhanden.

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