Das PR-Interview Diversität? PR- und Kommunikationsbranche hinkt hinterher

Der neue Duden-Band mit dem Titel „Vielfalt“ ist am 12. Dezember 2023 erschienen. 100 namhafte Expertinnen und Experten haben je einen Beitrag zu einem der 100 Begriffe mit Bezug zu den sieben Dimensionen der Vielfalt geschrieben. Unter ihnen war auch Murtaza Akbar, Geschäftsführer der Agentur Wortwahl in Neu-Isenburg und im PR-JOURNAL-Umfeld gut bekannt als der „Sprach-Optimist“. Im nachfolgenden Interview schildert er, warum es für ihn etwas Besonderes ist, nun Duden-Autor zu sein. Die PR- und Kommunikationsbranche kritisiert er, weil sie in Diversitätsfragen nicht weiter sei als andere Branchen, man hinke eher deutlich hinterher.

Murtaza Akbar hat über den Begriff ‚Ausländer:in‘ geschrieben. (Foto: Akbar / Duden)

PR-JOURNAL: Duden-Autor! Respekt! Wie geht es Ihnen damit, zu den 100 namhaften Expertinnen und Experten zu gehören, die die Beiträge für den neuen Duden mit dem Titel „Vielfalt“ verfasst haben?
Murtaza Akbar: „Danke für die Blumen. Und es ist wirklich etwas Besonderes für mich, Duden-Autor zu sein. (denkt nach) Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine Eltern und vor allem mein Vater zu mir gesagt haben, als ich in der Grundschule war ‚Mein Sohn, Language ist so wichtig!‘. Das habe ich mir sehr früh zu Herzen genommen und schon als Schüler die Wirkung der Worte in der Politik und Fernsehmoderatorinnen und -moderatoren genauer studiert. Jetzt mit vielen namhaften Expertinnen und Experten in einem neuen Duden zu einem gesellschaftlich sehr relevanten und Herzensthema von mir dabei zu sein, ist wirklich schön. Wir geben dem Thema dank dem Engagement aller Autorinnen und Autoren sowie dem Herausgeber Sebastian Pertsch und der Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum einen neuen Maßstab bezüglich Sprache.“

PR-JOURNAL: Sie befinden sich ja in bester Gesellschaft: Der Journalist Imre Grimm schreibt über „Multikulti“, der Aktivist Raúl Krauthausen über „Befriedigungsverbrechen“, die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman über „Diskriminierung“, die Politikerin Marina Weisband über „Chronisch krank“ – viele weitere Autorinnen und Autoren kommen noch hinzu. Worum geht es in Ihrem Beitrag? Als Sprach-Optimist, gebürtiger Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln und Diversity-Botschafter des Landes Hessen könnten Sie gleich mehrere Themen abdecken…
Akbar: „Ja, das stimmt. Es gibt nach der Charta der Vielfalt sieben Dimension der Vielfalt, von denen ich vier Dimensionen selbst darstelle, wenn man es so sagen will. Ich habe über den Begriff ‚Ausländer:in‘ geschrieben und warum dieser Begriff eher ausgrenzend ist, denn es sagt ja auch niemand ‚Inländer:innen‘. Und auch ich werde heute nicht selten als Ausländer bezeichnet, obwohl ich, wie Sie sagen, in Frankfurt geboren wurde und mein Leben hier verbracht habe. Und als Sprach-Optimist auch ganz gut Deutsch kann.“ (lacht)

PR-JOURNAL: Über Diversity sprechen wir in der PR- und Kommunikationsbranche schon recht lange. Sind das aus Ihrer Sicht alles nur Sonntagsreden oder ist unsere Branche tatsächlich offener und weiter als andere Branchen in der deutschen Wirtschaft in Bezug auf gelebte Vielfalt?
Akbar: „Da gilt es zu unterscheiden. Die PR- und Kommunikationsbranche muss sich ja immer mehr öffnen, auch der Vielfalt gegenüber, sonst wird’s schwierig, genügend guten Nachwuchs zu finden. Ich bin seit vielen Jahren Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation und die Quote etwa der Studierenden mit Migrationshintergrund, nur um ein Beispiel zu nennen, liegt inzwischen locker bei 30 bis 40 Prozent. Das ist gut so. Auf der anderen Seite frage ich zurück: ‚Wie viele Spitzenpositionen in der PR- und Kommunikationsbranche haben Menschen aus dem Diversitätsspektrum inne?‘ Diversität ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, aber der Anteil ist dennoch sehr überschaubar. Sonntagsreden kommt der Sache schon recht nah. Wir sind definitiv nicht weiter als andere Branchen, hinken eher deutlich hinterher. Leider.“

PR-JOURNAL: Im Duden „Vielfalt“ geht es unter anderem um „Diskriminierung“, „Faschismus“, „Inklusion“, die Begriffe „Woke“ und „Chronisch krank“. Könnten Sie aktuell eine Priorisierung vornehmen und sagen, welches Thema gesamtgesellschaftlich aktuell am drängendsten ist?
Akbar: „Der neue Duden ist wirklich so vielfältig wie sein Titel. 100 sehr unterschiedliche Menschen schreiben über 100 sehr unterschiedliche Begriffe, von denen Sie ja einige genannt haben. Es sind auch viele Begriffe enthalten, die im Alltag verwendet werden, aber negativ behaftet sind. Auch darauf wollen wir aufmerksam machen. Es steht mir bei weitem nicht zu, eine Priorisierung vorzunehmen, und genau das ist der springende Punkt. Alle Wörter und Sichtweisen sind wichtig, um alle Menschen einzubeziehen. Das ist natürlich der große Wunsch. In erster Linie sollten wir generell darauf aufmerksam machen, dass Diversität und Vielfalt was Wunderbares sind, weil jeder Mensch einzigartig ist.“

PR-JOURNAL: Für welche Personengruppen ist der neue Duden „Vielfalt“ besonders gut geeignet?
Akbar: „Wenn ich auf LinkedIn oder andere soziale Netzwerke gehe oder bei Veranstaltungen, Seminaren und in Unternehmen bin, sehe und treffe ich viele Menschen, die sich beruflich mit dem Thema Vielfalt befassen. Für sie und alle, die sich für das Thema Vielfalt und Diversität interessieren, ist der neue Duden ganz sicher ein gutes Nachschlagewerk. Und wer bekommt schon so viele tolle Autorinnen und Autoren in einem Buch zusammen? (lacht) Wer Lust auf Sprache hat, ist hier natürlich ebenfalls richtig. Ich kann Ihnen sagen, wie viel Herzblut und Aufwand in diesen Duden geflossen ist, das ist wirklich enorm.“

PR-JOURNAL: Herr Akbar, vielen Dank für Ihre Antworten.

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