Unternehmen Wie Aktionäre angeredet werden

Piwinger Manfred querObwohl sie prägend für das Angesehenwerden sind, geraten Stil- und Formfragen häufig in den Bereich der Beliebigkeit. Unternehmen gehen unachtsam damit um und verschenken auf diese Weise unnötigerweise Reputationsgewinne. Beispielhaft hierfür steht der jährliche Aktionärsbrief, in dem sich in der Regel der Vorstandsvorsitzende (CEO) an die Eigentümer des von ihm geführten Unternehmens wendet. Bereits in der jeweiligen Anredeweise finden wir ein Indiz für die in einem Unternehmen herrschende Sprachkultur. Wir haben uns aus diesem Grund die Anredeformen in den Aktionärsbriefen der DAX30-Firmen des Berichtsjahres 2014 angesehen und uns dabei jeweils gefragt, ob die gewählte Anrede adäquat ist zu dem Erscheinungsbild des betreffenden Unternehmens.

Hier die Ergebnisse:

Überhaupt nur noch fünf Unternehmen (Lanxess, Linde, MunichRe, Fresenius, Lufthansa und Allianz) halten sich formell an die Regeln und sprechen ihre Eigentümer, die Investoren, mit

„Sehr geehrte Damen und Herren“

an.

Andere Unternehmen, bei denen wir im Vorhinein eher einen gewählten Ausdruck erwartet hatten (z.B. Siemens, BASF und Daimler), enttäuschten hingegen mit:

„Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre“ (Siemens, Daimler; ebenso e.on, K+S, BMW, Commerzbank, adidas)

oder mit der Variante:

„Sehr geehrte Aktionärinnen, sehr geehrte Aktionäre“ (BASF).

Andere Unternehmen werden in der Anrede persönlicher oder versuchen den Anschein einer gewissen Vertrautheit zu bewirken, was in solchen Fällen aber nicht angebracht ist. Zwar sind Unternehmen in der Regel Großinvestoren bekannt und – soweit Namensaktion ausgegeben werden – auch die Namen ihrer Aktionäre. Dennoch wirkt der Versuch, über die Anrede „liebe“ eine gewisse Nähe zu den Adressaten herzustellen, oft eher peinlich.

Das Wort „liebe“ in der Anrede benutzen:

„Liebe Aktionärinnen und Aktionäre“ (Deutsche Telekom, Continental)

und in einer Erweiterung:

„Liebe Aktionäre, liebe Kunden und Freunde des Unternehmens“ (RWE)

„Liebe Aktionärinnen und Aktionäre, liebe Freunde des Unternehmens“ (Bayer)

„Liebe Aktionäre und Freunde des Unternehmens“ (Merck)

Glaubwürdiger wirkt eine solche Anrede eher bei familienbestimmten Unternehmen, wie Henkel, wo es im Aktionärsbrief schlicht heißt:

„Liebe Freunde des Unternehmens“

Hier scheint das Wort „liebe“ in der Anrede durchaus einen gewissen Wert zu symbolisieren, denn schließlich werden überwiegend Familienmitglieder angesprochen.

Die ausführlichste Anrede leisten sich HeidelbergCement und Infineon, was dann so klingt, als wollten die Unternehmen das ganze Erdenrund umschlingen:

„Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Freunde des Unternehmens“.

Und Infineon:

„Sehr geehrte Aktionäre und Geschäftspartner, liebe Mitarbeiter von Infineon.“

Eine ähnliche Variante ist bei ThyssenKrupp zu finden. Dort heißt es:

„Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, meine Damen und Herren“.

Das birgt Widersprüche in sich!

Ganz in der angelsächsischen Tradition („Dear Investors“) verhält sich Allianz in der Anrede an seine Eigentümer:

„Sehr geehrte Investoren“.

Punkt. Komma. So stimmt es.

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