Das PR-Interview PR-Interview Nr. 106. Andreas Abold: Bei einem Thema dieser Bedeutung liegt der Schlüssel in der Meinungsführerschaft und Glaubwürdigkeit

„Das PR-Interview im PRJ“ wird realisiert von k1 gesellschaft für kommunikation, Köln

abold andreasInterview mit Andreas Abold (Foto), Geschäftsführer der Agentur abold GmbH, Büro für Marketing Communication, München. Im Vorfeld des Bürgerentscheids zur Münchener Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 organisierte er die Kampagne „O Ja! München`22“. Sie scheiterte mit dem Ziel, ein Votum für die Veranstaltung zu erreichen.

PR-Journal: Herr Abold, Ihre Agentur hat bereits Großveranstaltungen wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland betreut. Mit „O Ja! München `22“ haben Sie nun die Kampagne für den Bürgerentscheid zur Münchener Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 umgesetzt. Wo lag der Kommunikationsschwerpunkt im aktuellen Fall?

Andreas Abold: Ein wesentlicher Vorbehalt der Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele ist laut DOSB Bestimmungen die Zustimmung der Bevölkerung. Der Kommunikationsauftrag bestand also darin, innerhalb von wenigen Wochen ein positives Klima für eine mögliche Bewerbung zu schaffen.

PR-Journal: Am Ende haben sich die Bürger trotz zahlreicher Aktionen und der Unterstützung namhafter Partner gegen eine Bewerbung ausgesprochen, die Wahlbeteiligung war mit unter 30 Prozent sehr gering. Warum konnten die unentschlossenen Bürger nicht überzeugt werden?

Andreas Abold: Die unentschlossenen Bürger brauchten gar nicht überzeugt werden, denn rund 25 Prozent der Bevölkerung sind Olympische Spiele schlicht egal. Aus unseren Untersuchungen wussten wir, dass unsere größte Problematik darin lag, die im Grunde zustimmende Mehrheit in der Bevölkerung zu aktivieren. Dass die Kritiker es leichter haben durch plakative Angstszenarien Aufmerksamkeit zu generieren, war uns auch klar.

PR-Journal: Lag es an der Kommunikation?

Andreas Abold: Am Ende liegt es immer an der Kommunikation, wenn gestellte Aufgaben nicht erfolgreich erfüllt werden. Man muss nur die Komplexität der Kommunikation innerhalb eines aktiven Wahlkampfzeitraums von ca. vier Wochen sehen. Bei einem Thema dieser Bedeutung liegt der Schlüssel in der Meinungsführerschaft und Glaubwürdigkeit. Es ist nicht verwunderlich, dass in diesem Fall innerhalb der Bevölkerung die Frage unbeantwortet blieb, wer will das eigentlich? In München wurde ein politischer Beschluss getroffen und in der Folge – bedingt durch ein sogenanntes Sachlichkeitsgebot – die Kommunikation seitens der Stadt „neutral“ gestaltet. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich Protagonisten mit griffigen Parolen gegen bunte Plakate durchsetzen.

PR-Journal: Bürgerentscheide sind generell ein beliebtes Mittel geworden, um über Sein und Nichtsein von Großprojekten zu entscheiden. Welche Herausforderungen bringt dieser Trend für die Kommunikationsbranche mit sich?

Andreas Abold: Bei der Komplexität von Großprojekten wie Messeverlagerungen, Flughafenerweiterungen, Großveranstaltungen etc. spielen in der Beurteilung von Machbarkeit und Sinnhaftigkeit unzählige Faktoren eine Rolle, die volkswirtschaftlich, gesellschaftspolitisch, international in der Wettbewerbsfähigkeit eine enorme Bandbreite an Kriterien erfüllen müssen.

PR-Journal: Glauben Sie denn, das lässt sich auf kommunaler Ebene immer schlüssig und verständlich kommunizieren?

Andreas Abold: Im Extremfall können drei Sportvereine, deren Trainingshallen während der Olympischen Spiele für deren Betrieb gesperrt wären, darüber entscheiden, ob die Spiele veranstaltet werden oder nicht. Hier müssen wir den politisch Verantwortlichen zur Seite stehen und dabei helfen, strategisch zu entscheiden, welche Themen eine tatsächlich kommunale Relevanz haben und somit auch eine sinnvolle Partizipation erfordern. Ich persönlich bin ein großer Fan von kommunaler Einbeziehung und Mitgestaltung, aber warne vor Volksentscheiden und überregionaler Beteiligung, da durch kleine Gruppen und geringe Wahlbeteiligung die ursprüngliche Idee der Basisdemokratie ausgehebelt wird. Wenn, wie in München geschehen, rund 15 Prozent der Bevölkerung eine Chance für ganz Deutschland stoppen können, stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht mehr.  

PR-Journal: Welche Schlussfolgerungen für die Kommunikation nehmen Sie aus „O Ja! München 22“ mit?

Andreas Abold: Die Festlegung auf einen Bürgerentscheid und die Terminwahl für den letztmöglichen Zeitpunkt, vier Tage vor der Abgabe der Bewerbung, boten Rahmenbedingungen, die mit hohen Risiken behaftet waren und keine Korrekturen mehr erlaubten. Für die Kommunikation bedeutet dies, dass in Zukunft darauf zu achten ist, dass politische Bekenntnisse auch entsprechend kommunikativ umgesetzt werden und bei der Festlegung der Termine sorgfältig geprüft werden muss, ob es Überlagerungen oder auch Schnittmengen gibt, zum Beispiel einen Termin, der einen Bürgerentscheid mit einer politischen Wahl verbindet – dies sichert eine höhere Wahlbeteiligung.

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