Das PR-Interview PR-Interview Nr. 133: Thomas Schulz über Kommunikation in Insolvenzverfahren

Das "PR-Interview" wird realisiert von K1 Gesellschaft für Kommunikation.

Schulz Thomas Gf tsckomIm Fall einer Insolvenz ist im Umgang mit den vielen Anspruchsgruppen – von Mitarbeitern, Gesellschaftern und Aktionären über die Medien bis hin zu Lieferanten, Banken und Kunden – besondere Sensibilität gefragt, insbesondere in der Kommunikation als zentralem Führungsmittel. Wir sprachen mit Thomas Schulz (Foto), dem Inhaber der Kölner Agentur tsc.komm I kommunikation meistern. Er war unter anderem Sprecher der Insolvenzverwaltung bei den Verfahren um Karstadt und die Babcock Borsig AG und Ende der 1990er-Jahre beteiligt am Mediationsverfahren beim Ausbau des Frankfurter Flughafens.
PR-Journal: Wie startet die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die von der Insolvenz betroffen sind?
Thomas Schulz: Das ist immer wieder ein Sprung ins kalte Wasser, denn der Insolvenzverwalter und sein Team kennen aus rechtlichen Gründen vor dem Beginn der Zusammenarbeit keine Details. Dann heißt es erstmal: Zuhören! Eine Faustregel für den Beginn der Kommunikationsmaßnahmen lautet: Immer von innen nach außen kommunizieren! Sprich: Als erstes müssen die Mitarbeiter informiert werden.

PR-Journal: Was ist bei der Kommunikation mit den Mitarbeitern zu beachten?
Schulz: Sachlich und glaubwürdig kommunizieren, kein Marketing- oder Beratersprech, keine falschen Versprechungen. Man muss der Belegschaft eine Idee davon vermitteln, wie es für sie weitergehen kann, und dafür sorgen, dass die Leistungsträger an Bord bleiben. Bei meinem ersten großen Verfahren um die Babcock Borsig AG stand ganz schnell die Konkurrenz vor der Tür und hat versucht, die Fachkräfte und Leistungsträger abzuwerben. Außerdem muss die Kommunikation der Unternehmenshierarchie entsprechend klar strukturiert werden: Bereichsleiter sollten sich einerseits untereinander austauschen, brauchen anderseits regelmäßig Informationen darüber, was sie ihren Abteilungen kommunizieren sollen. Der Vertrieb, das Call Center oder der Außendienst benötigen zum Beispiel einen Kommunikationsleitfaden für den Umgang mit den Kunden.

PR-Journal: Wie transparent kann die interne Kommunikation in so einer Situation sein?
Schulz: Transparenz im Sinne von „gläsern, durchsichtig“ ist in laufenden Verhandlungen nicht nur bei einem Insolvenzverfahren nur sehr bedingt möglich. Zum einen aus strategischen Gründen: Wenn zum Beispiel die Namen von möglichen Investoren durchsickern, kann das die Verhandlungen gefährden. Oder manche Ideen oder Pläne können nach einigen Wochen Erkenntnisgewinn nicht weiterverfolgt werden.
Transparent im Sinne von „nachvollziehbar“ muss man die Mitarbeiter aber über den gesamten Verlauf des Verfahrens hinweg regelmäßig über getroffene Entscheidungen informieren und nächste Schritte erläutern. So schafft man Vertrauen und die Mitarbeiter sind dem „Radio Korridor“ oder auch „Flurfunk“ nicht völlig hilf- und schutzlos ausgeliefert.

PR-Journal: Was ist im Umgang mit den Medien zu berücksichtigen?
Schulz: Ich habe beobachtet, dass sich die externe Kommunikation in solchen Fällen häufig auf die großen überregionalen Medien konzentriert, die lokalen Medien werden vernachlässigt. Dabei ist die Kommunikation mit den lokalen Medien die „halbe Miete“. Auch Fachmedien sind in bestimmten Fällen eine wichtige Zielgruppe, zum Beispiel bei der Suche nach einem Investor aus der Branche. Ich habe schon erlebt, dass sich auf einen Artikel in einem Fachmedium fast ein Dutzend interessierte Investoren gemeldet haben.

PR-Journal: Braucht es für die Kommunikation in Insolvenzfällen Spezialisten von extern oder können die Kommunikationsabteilungen der Unternehmen das selbst übernehmen?
Schulz:Nicht in jedem Unternehmen ist eine Kommunikationsabteilung überhaupt vorhanden. Und selbst, wenn: Die Verantwortlichen haben meist kaum Erfahrung mit Krisensituationen und profitieren davon, wenn ihnen ein Profi zur Seite steht. Es gab schon Fälle, in denen geplante Kommunikationsmaßnahmen sogar haftungsrechtlich relevant geworden wären. Außerdem sind die Angestellten der Abteilung ja auch selbst betroffen. Insofern kann es nur nützen, wenn jemand mit einem neutralen Blick und einem möglichst kühlen Kopf auf die Dinge blicken kann.

PR-Journal: Welche Aufgaben übernehmen Sie?
Schulz: Neben der Kommunikation mit den Mitarbeitern und den Medien müssen auch Kunden, Lieferanten, Banken und gegebenenfalls Behörden oder Politiker informiert werden. Ich halte der Geschäftsführung oder der vorläufigen Insolvenzverwaltung den Rücken frei und manage die vielen Anfragen. In der Regel gibt es jede Woche mindestens eine Sitzung mit Entscheidern, an der auch die Kommunikationsverantwortlichen teilnehmen. Dabei achte ich darauf, dass die Kommunikationsstrategie konsistent bleibt, weise aber auch auf kommende Themen und mögliche Aktionsfelder hin und hinterfrage auch Entscheidungen. Dieses Selbstverständnis hat viel mit der Funktion des klassischen Hofnarren im besten Sinne gemein.

PR-Journal: Was meinen Sie damit?
Schulz: Die Unternehmenskommunikation hat das Potenzial, Triebfeder und Korrektiv der strategischen Ausrichtung und Führungskultur zu sein. Vorstände sollten das für sich nutzen und den Kommunikationsverantwortlichen die Freiheit einräumen, klare Begriffe, nachhaltige Botschaften, eindeutige Strukturen und eine tatsächlich integrierte Kommunikation anzumahnen. Wir sollten den Spiegel vorhalten, unternehmerische Entscheidungen kritisch hinterfragen und Widersprüche aufdecken dürfen. Kurzum: den Hofnarren geben.

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