Woelke, Maurer, Jandura (Hrsg.): Forschungsmethoden für die Markt- und Organisationskommunikation

Jens Woelke, Marcus Maurer, Olaf Jandura (Hrsg.): "Forschungsmethoden für die Markt- und Organisationskommunikation. Methoden und Forschungslogik der Kommunikationswissenschaft". Halem Verlag, Köln. Feb. 2010, 295 Seiten. Preis: 28,00 Euro. ISBN: 978-3-938258-58-3.
Rezension von Dr. Susanne Hartmann, Selbstständige PR-Beraterin www.hartmann-pr.de und Absolventin von PR Plus (www.prplus.de)

Die Vermessung des Marktes. Im Herbst 2007 traf sich in Salzburg die Fachgruppe Methoden in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), um die Bedeutung des Wandels der Mediennutzung für die Anwendung kommunikations- und sozialwissenschaftlicher Methoden in der Markt- und Organisationskommunikation auf den Prüfstein zu stellen. Der Sammelband von Jens Woelke und anderen Herausgebern vereint die Beiträge dieses Fachkongresses und stellt damit einen hoch spannenden Überblick über verschiedene Methodenreflexionen, Lösungen und Messinstrumente dar.

Der Publikationsanlass gibt gleichzeitig einen Hinweis zum Nutzen des Buches: Die vorgestellten Lösungen sollen vor allem der Forschung neue Impulse verleihen – und das Datum des Kongresses, 2007, bedeutet, dass einige der Beobachtungen mittlerweile schlicht und einfach nicht mehr aktuell sind. Trotz dieser Einschränkungen ist der Sammelband auch für eine breitere Zielgruppe eine interessante und lohnenswerte Lektüre: Weil sich interessante und im Ansatz durchaus praktikable neue Evaluationsmethoden abzeichnen.

Über die Relevanz des Themas gibt es keinen Zweifel: Werbung, Mediaplanung, Zielgruppenanalyse und die Evaluation von PR-Maßnahmen haben eine große Bedeutung für unternehmerische Entscheidungen und eine hohe gesellschaftliche Relevanz: „ihre Befunde sollten folglich reliabel und valide sein“, fordern die Herausgeber in der Einführung.

Personen rücken in den methodischen Mittelpunkt
Dem methodischen Anspruch des Buches verpflichtet, startet der Münchner Kommunikationswissenschaftler Hans-Bernd Brosius mit einer Untersuchung zu den theoretischen Herausforderungen in der Werbeforschung. Interessant ist die Gegenüberstellung von kommerzieller Forschung, die mit Stichproben arbeitet, und der akademischen Wirkungsforschung, die in der Regel Prozessmodelle anwendet – oder die Evaluation in der PR, die sich häufig auf Resonanzerhebungen beschränkt. Die Evolution der Werbebotschaften macht die Erforschung der Wirkung naturgemäß komplizierter als in den bequemen Anfangsjahren der massenmedialen Werbung, wo wenige Kanäle existierten. So konstatiert Brosius: „In einem solchen Umfeld eine Kaufentscheidung, eine Markenbekanntheit oder einen Imagegewinn auf einzelne Werbebotschaften zurückzuführen, ist nahezu unmöglich, jedenfalls mit den bisherigen Methoden der Werbewirkungsforschung.“

Lösungsansätze könnte eine stärkere Personenorientierung in der Wirkungsforschung bieten – und eine Konzentration auf die Theoriebildung. Bei der Beschreibung der möglichen Zukunftsvisionen der personenbezogenen Werbebotschaften verdeutlicht sich die rasante Entwicklung in diesem Bereich: Die Beispiele der damals – 2007 – relativ erstaunlichen personalisierten Werbebotschaften aufgrund von Suchbegriffen bei Google wirken angesichts aktueller Diskussionen um soziale Netzwerke, Google-Streetview, Personensuche nach Fotos etc. schon veraltet.

Einen Perspektivwechsel auf Methoden, die der Marktforschung entstammen, bietet der Aufsatz von Flavia Beuel, Michael Scharkow, Monika Suckfüll und Gerold Marks. Der Entwurf einer Online-Sortierstudie scheint interessant – wie bei anderen methodischen Beispielen im Buch erscheint das Ergebnis der aufwändigen Untersuchung jedoch vorhersehbar. Trotzdem ist es sehr lobenswert, diese Methodenvielfalt in den Fokus der Kommunikationspraktiker zu rücken: Für Rezipienten außerhalb der aktuellen Forschungsszene wäre es hilfreich, die Herkunft und „Schulen“ dieser Methoden kurz auf ihre Fächer und Urheber zurückzuführen. Im Zweifelsfall wird es so einfacher zu entscheiden, an welche Fachrichtung man sich für eine bestimmte Studie wenden soll: Psychologie? Soziologie? Kommunikationswissenschaft? Betriebswirtschaft?

Keine Patentlösung
Im zweiten Teil, der sich mit Ansätzen zur Werbe- und Kommunikationsplanung befasst, beschreibt Birgit Stark am Ende ihres Aufsatzes „Qualitative Mediaplanung im europäischen Vergleich – eine empirische Analyse praxisrelevanter Konzepte“ das Dilemma, das einerseits die Praxis betrifft, andererseits aber auch den Perspektivenwechsel im Buch erklärt: „Für die Markt- und Meinungsforschung wird neben dieser ‚Zulieferfunktion‘ für qualitative Forschung bereits von einer Entwicklung in Richtung ‚Multi-Methoden- bzw. Multi-Modell-Ansatz‘ ausgegangen, sodass die Triangulation als Prinzip für die Methodenauswahl schon in die Planungsphase von Forschungskonzepten mit einbezogen wird. Von diesen Gedanken ist die Mediaplanung allerdings noch weit entfernt.“

Hoffnung für Kommunikationspraktiker gibt es jedoch auch: Andreas Baetzgen führt unter dem sperrigen Titel „Das Konzept der Kontextbasierten Marktkommunikation“ selbstbewusst eine „Lösung“ ins Feld, mit der es möglich sein soll, „geeignete Medien und Kontaktpunkte für die Zielgruppenansprache zu identifizieren und die jeweilige Passung zwischen werblicher Botschaft und Rezeptionskontext zu bemessen.“ Ist das nicht genau das, worauf eine ganze Branche seit Jahren wartet? Baetzgen kritisiert die heilige Kuh der Kommunikationspraxis, die „integrierte Kommunikation“, nach der eine Marke so einheitlich wie möglich und so unterschiedlich wie nötig sein soll – nach seiner Ansicht muss jede Maßnahme systematisch am Kontext der Situation, Lebenswelt und Marke ausgerichtet werden. Im Kontext der Situation sind daher vor allem neuartige Maßnahmen gefragt, im Kontext der Marke sollten diese dem Rezipienten vertraut erscheinen. Diese Argumentation wird trefflich anhand eines schwedischen Möbelhändlers verdeutlicht und jeder, der schon einmal versucht hat, Marketingverantwortliche größerer Unternehmen davon zu überzeugen, situations- oder kontextbezogene Maßnahmen gegen die alles gleichmachende Marketing-Frage „Und wo bringen wir dabei unsere Botschaft unter, die der Vorstand sehen will?“ durchzusetzen, wird Baetzgen sofort zustimmen. Viel zu tun bleibt auch bei diesem interessanten Ansatz – für Forschung und Praxis.

Ähnlich praktikabel erscheint die Untersuchung von Torsten Maurer und Joachim Trebbe, die sich Input-Output-Analysen zur Medienresonanzmessung an einem Praxisbeispiel gewidmet haben, mit einem interessanten Ergebnis: Mit einer thematischen Codierung der Beiträge – in diesem Fall zur Berichterstattung über bestimmte Hochschulen -, die nicht nur archiviert, welche Pressemeldungen Resonanz gefunden haben, sondern auch die selbst initiierte Berichterstattung und die folgenlosen PR-Aktivitäten verzeichnet, ergeben sich sehr schnell konkrete Handlungsanweisungen für die Öffentlichkeitsarbeiter. Methodisch wird die Medienresonanzanalyse in weiteren, sehr kenntnisreichen Beiträgen aufgearbeitet.

Andere Themen wie Webscreen, die Wirkung von Business TV und Reputationsmessung bieten ebenfalls einen umfassenden und halbwegs verständlichen Einstieg in Forschungsgebiete, deren Komplexität den meisten Praktikern wohl nicht unmittelbar einsichtig ist. Deshalb die Empfehlung: Kaufen, durchblättern, und zwingend reinschauen, bevor man das nächste Mal die Worte „Medienresonanzanalyse“ oder „integrierte Kommunikation“ in den Mund nimmt.
Ausführliche Literaturlisten am Ende jedes Beitrags ergänzen das Buch und machen es zu einem komfortablen Startplatz in die Welt der Forschung: Für Studierende der Kommunikationswissenschaft unentbehrlich, für Praktiker eine überschaubare Investition mit Aha-Effekt statt AIDA-Langeweile.

Die Rezensentin
Die Kölner PR-Beraterin und Wirtschaftsjournalistin Dr. Susanne Hartmann hat sich auf integrierte Kommunikation für mittelständische Unternehmen spezialisiert. Sie betreut die externe Kommunikation der Soennecken eG und anderer Unternehmen und Wirtschaftsinstitutionen. Die zertifizierte PR-Spezialistin legt bei ihrer Arbeit besonderen Wert auf die praxisnahe Verbindung von PR-, Marketing und publizistischen Themen. Ihre langjährige Erfahrung als Texterin, Autorin und Journalistin sowie als Hochschuldozentin setzt sie bei mittelständischen Unternehmen im Sinne von kreativen und praxistauglichen Kommunikationsstrategien um. (
www.hartmann-pr.de)

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