Social Media Virtual Reality rückt näher: Moral und Emotionen in einer digitalen Welt

Trotz der breiten Spannweite an Themen, zog sich in diesem Jahr auf der re:publica eines durch die verschiedensten Vorträge: Virtual Reality. Den Beginn machte James Pallot, Mitgründer und Produzent bei Immersive Journalism, mit seinem Vortrag über die Nachrichtenübermittlung via Virtual Reality. Hierbei werden Themen mit News-Wert durch alle zur Verfügung stehenden Bilder und Videoaufnahmen dreidimensional Virtual Reality Firma Hive republica Fotograf Tapio Lillerdigital nachgebaut. Pallot stellt ein Szenario vor, das den Effekt der Virtual Reality verdeutlichen soll. Nichtsahnende Nutzer werden mit digitalen Brillen in eine Situation gebracht, in der wütende Polizeibeamte einen am Boden liegenden Menschen weiter schlagen und treten. Die folgenden Reaktionen waren Verwirrung, Schock, Wut und ein starkes Mitgefühl für das Opfer. Genau das soll die Technik bewirken: Anstatt sich emotionslos von Nachrichten berieseln zu lassen, wo Bürgerkriege, Gewalttaten und Ungerechtigkeit den Zuschauer nur peripher berühren, wird der Nutzer Teil der Situation und damit dem Geschehen wesentlich intensiver ausgesetzt. Damit sollen die Menschen zum Nachdenken animiert werden und sich ihr Verhalten ändern.
Das Foto von Oseon-Chef Tapio Liller zeigt, wie am Stand von Aussteller Hyve einer Frau mit Hilfe eines Gerätes vorgegaukelt wird, sie fliege wie ein Flughörnchen durch die Gegend.

Der Vortrag wirft die Fragen auf: Ist diese Art von Berichterstattung moralisch vertretbar? Ist es das neue Format, mit dem Medientreibende sich auseinander setzen müssen, nach Foto und Video? Welche Vorteile und auch Nachteile ergeben sich hieraus?

Virtual Reality zu manipulativ?
Eine Kritik wirft Berichten in der Virtual Reality vor, sie sei zu manipulativ, Situationen würden subjektiv verzerrt und wer einmal eine eskalierende Demonstration in der Virtual Reality erlebt hätte, gehe vielleicht nie wieder zu einer echten. Die Kritik kommt von Mareike Foecking, Professorin für Fotografie an der PBSA University of Applied Sciences. Ihrer Ansicht nach, reicht ein Bild vollkommen aus, um genügend Empathie zu entwickeln. Gleichzeitig sagt sie jedoch auch, dass Bilder immer stereotypischer würden. Hauptsache es würde auf den sozialen Netzwerken ausreichend geliked und geklickt. Nur noch Ideen von Menschen würden vermittelt und keine wahrhaften Personen mehr. Wenn also die Fotografie langsam zum Einheitsbrei verschwimmt, welchen tatsächlichen Einfluss hat die Betrachtung eines Fotos überhaupt noch auf uns?

Ausschnitte bleiben Ausschnitte
Virtual Reality ist da anders. Noch neu, kaum jemand hat sie bisher selbst ausprobiert. Der Effekt ist aufgrund der ungewohnten Situation schlichtweg prägnanter und emotionaler als beim Schauen eines Videos oder dem Betrachten eines Bildes. Zudem können Bilder und Videos auch manipuliert werden. Die Kamera filmt aus einer Perspektive, was würde die andere zeigen? Erhalte ich ein vollkommen anderes Bild, wenn das Video noch 15 Sekunden weiter gelaufen wäre? Ausschnitte bleiben Ausschnitte, sie sind nicht dafür gedacht ein vollkommenes Bild der Gesamtsituation zu zeigen. Sie stehen exemplarisch für eine Sache, ein Thema, eine Neuigkeit. Wir können nur hoffen, dass sich der Aufnehmende über seine Verantwortung klar ist und diese nicht mutwillig missbraucht, um eine Situation zu verfälschen.

Journalisten müssen zu ihrer Subjektivität stehen
Was die Subjektivität angeht hat auch Juliane Leopold, Gründungsredakteurin bei Buzzfeed, eine Meinung: Journalisten müssen subjektiv sein und auch zu ihrer Subjektivität stehen. Das sieht auch Pallot so. Selbst Texte seien beeinflusst durch die subjektive Einschätzung des Autors. Eine Einordnung, eine Richtung vorzugeben, dies sei Aufgabe von Contentproduzenten jeder Art.

Wofür braucht man Journalisten? Wofür PR-Berater?
Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Uni Tübingen, brachte ein weiteres Argument vor. Die Gesellschaft hat sich hin zu einer fünften Gewalt entwickelt. Alle sind Sender, jeder ein Multiplikator. „Hyperintermediation“ nennt er das, das Erstarken der neuen Vermittler. Wenn dem so ist, stellt sich eine neue Frage: Wofür braucht man Journalisten? Wofür PR-Berater? Wenn jeder Nachrichten und Themen verbreiten kann, ist dann nicht so langsam ein neues Alleinstellungsmerkmal für die medialen Profis notwendig? Die Herstellung virtueller Welten und Situationen ist derzeit noch ein hochspezialisiertes Gebiet. Lange nicht jeder kann dies auf technischer Ebene umsetzen. Müssen sich nun Medienfachkräfte diese Kenntnisse aneignen?

Aktiv in Videos eingreifen
Noch scheint es nicht ganz so weit zu sein. Facebook hat Mitte letzten Jahres das Virtual Reality Startup Oculus Rift gekauft. Martin Ott, Managing Director bei Facebook, präsentiert die Entwicklung Facebooks über verschiedene Formate wie Text über Bild bis hin zu Videoformaten. Er schließt mit dem Ausblick: „In fünf Jahren“, sagt er, „werden Videos Standard sein, in denen der User aktiv eingreifen kann.“ Er präsentiert ein Beispiel: Die Kamera fliegt über eine idyllische Hafenstadt im Mittelmeer, so scheint es. Eigentlich waren zwölf Kameras notwendig, um die Szene einzufangen und der User kann jeder Zeit den Blickwinkel um 360 Grad ändern, wieder umdrehen und sich quasi in den Aufnahmen bewegen. Auch dies ist Virtual Reality, eine neue Form des Videos, die Weiterentwicklung von 3D.

Technischer Fortschritt ist zu lukrativ als dass er sich aufhalten ließe
Selbst virtuelle Therapien gibt es inzwischen, wie das „Angst-Filmprojekt“ von n-24 und „Die Welt“ aufzeigt. Hyve, The Innovation Company, einer der Aussteller auf der re:publica, präsentiert ein Gerät, mit dem Nutzer vorgegaukelt wird, als eine Art Flughörnchen zu fliegen – der Kick ohne Gefahr. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Gleichwohl sind sowohl die Pro- als auch die Contra-Argumente berechtigt. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass sich von allen Entwicklungen nur eine nicht mehr rückgängig machen last: die technische. Technischer Fortschritt ist nicht zuletzt ein lukratives Unterfangen für alle Beteiligten. Somit wird auch die Virtual Reality in Zukunft stärker präsent sein, sobald sich das Internet of Things weiter ausdehnt und jeder wie selbstverständlich mit interaktiven Brillengläsern durch die Gegend läuft. Wie weit ist es dann noch zu einer parallelen Welt, die nicht mehr nur auf unseren Bildschirmen, sondern um uns herum digitalisiert wird? Die nächste re:publica kommt bestimmt und hat dann vielleicht schon einige Antworten auf diese Frage parat.

Beachten Sie den Veranstaltungsbericht über die re:publica, den wir an anderer Stelle im "PR-Journal" veröffentlicht haben.

Über die Autorin: Nicole Mertz ist als Campaign Executive bei der Agentur Oseon bestens vertraut mit Innovationsthemen. Neues aus der digitalen Sphäre ist ihr tägliches Brot. Mertz beschäftigt sich insbesondere mit e-Commerce, CRM und Mobility. Mehr zur Autorin auch auf der Agenturwebsite von Oseon.

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