Agile Denkpause Keine bitteren Pillen, wir brauchen mehr Thought Leadership
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- von Kathrin Behrens, Potsdam
„Deutschland ist der kranke Mann Europas“, erklärte jüngst unser Wirtschaftsminister. Schon wieder, es ist nicht das erste Mal. Wir Frauen wissen, Männer sind gerne mal sehr krank. Sie gesunden aber wieder. Dennoch ist das Narrativ unglücklich, es zementiert unsere ökonomische Flaute brutaler als jede Kennziffer. Und das aus volkseigenem Politiker-Mund. Zum Teil ist das auch ein PR-Problem.
Manchmal scheint es, als hätten wir uns in der Geschichte des ewigen Scheiterns verfangen und die Fähigkeit verloren, unsere Expertise „Made in Germany“ ins Licht zu rücken.
Erst heute bin ich im Netz über ein deutsches Technologieunternehmen gestolpert: 430 Mitarbeitende, in einer Zukunftsbranche aktiv, international aufgestellt, kontinuierliches Wachstum – ein „hidden Champion“ mit Potenzial aber wenig Sinn für die nötigen kommunikativen Moves, um seine Reputation sichtbar zu machen. Das gibt es oft. Vor allem im Mittelstand hinken die Unternehmen ihren kommunikativen Möglichkeiten dramatisch hinterher.
Meist verraten der Webauftritt, News- und Social-Media-Kanäle sehr solide, was das Unternehmen macht, auf welcher Messe es zu sein plant und was es sonst vermeintlich Neues gibt (das Bienenhotel oder der E-Roller fürs Nachhaltigkeitsimage). So einfallslos, dass man sich fragt, ob es hinter den Kulissen ebenso staubt. Der allerletzte Hauch von Expertentum versickert dann in dilettantisch formulierten Pressemitteilungen. Als wäre das nun auch egal.
Wir sollten uns nicht kränker machen, als wir ohnehin schon sind. Wir leben im großen Change-Zeitalter. Alles changed sich gerade zukunftsfähig. Das darf auch an PR-Abteilungen kleinerer Unternehmen nicht vorbeigehen. Es reicht bei weitem nicht, beim Thema KI munter mitzumischen. Niemand sollte glauben, die Kommunikation auf die nächste Ebene zu heben, indem er ChatGPT für seine Textarbeit nutzt. Es gibt neben Künstlicher Intelligenz noch weitere Straßen in Richtung Zukunft.
Wenn Deutschland hustet, helfen keine bitteren Pillen. Was wir jetzt brauchen, sind Public Relations, die Zukunfts-Esprit verbreiten und Wachstumsperspektiven aufzeigen. Nicht mit leeren Floskeln, sondern mit handfesten Lösungen für bestehende Probleme, weitreichendes Fachwissen und Visionen, die begeistern.
„Thought Leadership“ lautet das Fachwort, das Expertentum ins Zentrum erfolgreicher Stakeholder-Beziehungen stellt. Keine Angelegenheit, die sich nebenbei erledigen lässt, da es viele hochkarätige Fragen zu beantworten gilt: Welche angestrebte Reputation ist mit den Unternehmenszielen vereinbar? Welche Aspekte unseres Fachwissens sind für meine Stakeholder relevant und überhaupt „bühnenreif“? Welche aktuellen Themen können wir ökonomisch, politisch und medial für uns nutzen? Welche Personen stellen wir als Experten an vorderste Front?
Die Vorarbeit ist höchst strategisch, aber der Mühe wert. Wer sich selbst als Vordenker positioniert, kann Diskussionen in Branchenforen, Medien und Öffentlichkeit anstoßen und günstigenfalls langfristig im Gespräch bleiben. Das ist bei weitem effektiver als eine Pressemitteilung, deren News schon Morgen von gestern ist. Wer sich mit einer fundierten Meinungsführerschaft zu Wort meldet, zeigt zudem, was er wirklich draufhat und ist auch für Journalisten ein spannender Gesprächspartner.
Stellt euch nur mal vor: Alle „hidden Champions“ kämen aus ihren Löchern und ließen ihre Expertise strahlen. Das wäre die Art von PR, die uns allen zugutekäme. Ich bin sicher, da geht was - damit Deutschlands Potenziale sichtbarer werden. Ein wichtiger Schritt auf dem Genesungsweg.
Gute Besserung, Deutschland!
Über die Autorin: Kathrin Behrens ist Partnerin bei elfvorzwölf, einer Boutique-Beratung für Transformation und Kommunikation für den Mittelstand. Sie unterstützt Unternehmen im Wandel dabei, eine wirkungsvolle Change-Strategie und -Story zu entwickeln. Als Trainerin vermittelt sie Kernkompetenzen der Kommunikation und Strategien für Profis.
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