Autoren-Beiträge Ethische Leitlinie für die PR oder zahnloser Tiger? – der neue deutsche Kommunikationskodex

Ein Autorenbeitrag von Annegret Haffa, München
Die Veranstaltung über den neuen Deutschen Kommunikationskodex, zu der die DPRG und die BAW eingeladen hatten, warf mehr Fragen auf als Antworten gegeben werden konnten.

  • Braucht die PR einen Kommunikationskodex?    
  • Wie wichtig sind moralische und ethische Selbstverpflichtungen für Kommunikationsarbeiter?    
  • Geht es darum, aus den Kodizes verbindliche, unter Umständen auch strafrechtlich relevante Gesetze zu entwickeln?    
  • Sind die Kodizes die Basis für eine notwendige “Verrechtlichung” der PR?    
  • Brauchen wir statt wirkungsloser moralischer Selbstverpflichtungen und einer Ethik der PR nicht schärfere Gesetze und Strafen, um Missbrauch, Korruption, verdecktes Lobbying und Bestechung zu verhindern?    
  • Wie viele PR-Schaffende, Pressesprecher, Kommunikationsverantwortliche, Journalisten, Politiker, Medien und Verbände kennen überhaupt diese Richtlinien?    
  • Gehören PR-Kodizes in die Compliance-Regelungen von Unternehmen integriert?    
  • Sollen PR-Kodizes Bestandteil von Arbeitsverträgen für Kommunikationsschaffende werden?

Vorgestellt wurde der Kodex und die Bedeutung ethisch-moralischer Leitlinien für die PR von Prof. Dr. Günter Bentele von der Uni Leipzig. Dr. Ingrid Vogl vom österreichischen PRVA ergänzte die “Theorie” und die von Bentele genannten Kommunikationsskandale um weitere Beispiele aus unserem Nachbarland.

Bei allen Kontroversen in der Diskussion über den neuen Kodex wurde schnell klar:
PR-Kodizes sind nicht in Stein gemeißelt wie die Zehn Gebote, denn die Kommunikationslandschaft und der Kommunikationsberuf verändern sich. Auch wenn die Regeln ab und an überarbeitet und angepasst werden sollten, gilt es doch, sie einfach, verständlich, klar und knapp zu halten. Mir gefallen nach wie vor die Sieben Selbstverpflichtungen  besonders gut.

Einig waren sich die Teilnehmer in zwei Punkten:

  • Was gute, professionelle PR bzw. PR-Arbeit ist: Transparente Kommunikation.    
  • Dass zum “unmoralischen” Verhalten immer zwei Mitspieler gehören: Einer der zum Beispiel bestechen will und einer, der sich bestechen lässt.

Die PR’ler sind also nicht “die Bösen”, die mit unlauteren Mitteln, undercover Einfluss nehmen, die Medien und Öffentlichkeit manipulieren im Sinne ihrer verdeckten Auftraggeber. Sowohl Verantwortliche in Unternehmen als auch Medien stellen Ansprüche an PR-Schaffende, die nicht unbedingt vereinbar sind mit den Grundsätzen der Moral, Transparenz und Professionalität.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass immer erst die offensichtlichen PR- oder Lobbying-Skandale den Ruf nach Einhaltung moralisch-ethischer Grundsätze oder verschärften Gesetzen lauter werden lassen. Dies würde ich aber auch als Beleg dafür sehen, dass die überwiegende Mehrzahl der Kommunikationsarbeiter kontinuierlich gute Arbeit leistet.

Mir hat die Diskussion viele Anregungen gegeben. Zum einen bin ich gegen eine “Verrechtlichung”, also das Ersetzen der Kodizes durch Gesetze. Es ist mir wichtig, dass es ein bewusstes, klares Empfinden gibt für Moral, für Ethik – gerade im Unterschied zum Gesetz. Denn sonst würde das für mich bedeuten, dass nur das gilt, nur das verbindlich und wertvoll ist, was juristisch festgeklopft ist. Also: Alles was kein Gesetz ist und kein Strafbestand ist, hat für mich keine Verbindlichkeit, ist mir egal. In so einer Welt möchte ich weder leben noch arbeiten. Es geht meiner Meinung nach darum, das Bewusstsein für ethisches und moralisches Denken und Handeln zu schärfen, ein Bewusstsein zu schaffen für Recht und Unrecht, für fair und unfair, für offen und heimlich, für ehrlich und unehrlich. Und dafür leisten die PR-Kodizes einen wichtigen Beitrag.

Das heißt nicht, dass Täuschen, Betrügen, Lügen, Bestechung und Korruption in unserem Beruf nicht bestraft werden sollen, wenn sie als strafbarer Tatbestand identifiziert sind. Es heißt aber, dass es jenseits der Gesetze eine ethisch-moralische Verbindlichkeit geben sollte.

Ansätze, dies auch in die Praxis umzusetzen und den Kodizes in der Praxis eine größere Bedeutung zu geben, gibt es viele:
Zum einen müssen die Kodizes stärker kommuniziert werden. Sie sollten Bestandteil der vielen PR-Ausbildungsgänge an Hochschulen und Fachakademien sein. Zum anderen könnten sie auch in die Compliance-Regeln von Unternehmen oder in Arbeitsverträge von Kommunikationsschaffenden integriert werden. Und: Kommunikationsschaffende sollten sie in ihrer Praxis auch anwenden, sich darauf beziehen: Also zum Beispiel einem Auftraggeber, der mit unlauteren Mitteln Einfluss nehmen will, auf die Kodizes hinweisen und den Auftrag gegebenenfalls ablehnen. Es hängt von jedem einzelnen von uns ab – egal auf welcher Seite und in welcher Position er in der Kommunikationslandschaft steht – ob PR professionell und moralisch vertretbar agiert. Jeder von uns kann dazu beitragen, den Ruf und das Ansehen unserer Profession zu ruinieren, hoch zu halten oder zu verbessern. Klar, letzteres wünsche ich mir.

Dieser Beitrag erscghien am 7. Oktober im Blog "Buchstabensuppe" der Agentur Dr. Haffa & Partner Public Relations in München.

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