Autoren-Beiträge LGBTIQ*-Engagement: Wie Unternehmen glaubwürdig kommunizieren

Wer sich der LGBTIQ*-Community antizyklisch im November widmet und die selbstkritische Frage nach Pinkwashing nicht erst am 28. Mai stellt, mit dem Pride Month vor der Tür, hat bereits etwas richtig gemacht. Das Engagement mit und für die queere Community ist ein dauerhafter Prozess. Sofern Unternehmen es ernst meinen, empfiehlt sich zu Beginn die Auseinandersetzung mit vier Punkten, um das eigene Potenzial für authentische LGBTIQ*-Kommunikation zu erschließen.

Peter Sendrowicz ist Director Public Affairs, Corporate Communication & Public Diplomacy bei MSL. Er leitet den DE&I Expert Hub. (Foto: MSL)

1. Aussagekräftigen Taten smarte Worte folgen lassen

Unternehmen, die zu LGBTIQ*-Engagement sprechen wollen, brauchen Fakten, nicht nur Absichtserklärungen. Wichtig ist der Blick in die eigene Organisation: Wie sieht das Engagement konkret aus? Wer nach innen nichts tut, kommt schnell an die Grenzen des Kommunizierbaren. Glaubwürdigkeit beginnt mit einem vom C-Level unterstützten Dialog auf Augenhöhe. Wer zugibt, dass sein LGBTIQ*-Engagement nicht nur aus einem Purpose heraus stattfindet, sondern das eigene Business nachhaltig voranbringt, zeigt Wertschätzung für die Talente aus der Community, möchte sie nicht missen und nimmt ihre Qualifikationen ernst.

Welchen Beitrag leisten Unternehmen über ihren Tellerrand hinaus? Gibt es kein Produkt, das einen direkten Impact auf das Leben von LGBTIQ* hat, sollten Unternehmen den Vereinen und Verbänden Geld und eine Plattform geben, die die tägliche Grassroot-Arbeit machen. Zum Beispiel dem kleinen Hinterhofverein den Truck auf dem CSD sponsern und selbst in den Hintergrund treten. Wenn sich Unternehmen auch inhaltlich beteiligen wollen, dann im Dialog mit den Expertinnen- und Expertenorganisationen und selbstkritisch der Debatte stellend: „Wir machen zwar schon einiges, wissen aber, dass wir noch besser werden können.“ Beides hätte Newswert.

2. Vielschichtigkeit mitdenken

Unternehmen tun gut daran, ihr LGBTIQ*-Engagement nicht losgelöst von weiteren Vielfaltsdimensionen zu denken und zu kommunizieren – wie ethnischer und sozialer Herkunft, Religion, Alter, körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Vielschichtigkeit zu berücksichtigen ist ein Zeichen dafür, sich die Community nicht als Trend herauszupicken, seine Hausaufgaben im Diversity-Management gemacht zu haben und multidimensional zu denken. Wer diesen Prozess durchläuft, hat eine authentische Geschichte zu erzählen: LGBTIQ* sind nicht nur LGBTIQ*, sondern vieles mehr.

3. Commitment zu LGBTIQ*-Engagement als Versprechen für die Ewigkeit

Ein kommunikatives Alleinstellungsmerkmal hat, wer sich zu zeitlosem Engagement bekennt. Es ist keine Kunst, in noch LGBTIQ*-gewogenen Zeiten, unter einer progressiven Ampelregierung, mit einem gefühlt mehrheitlich unterstützenden Zeitgeist, den Regenbogen zu hissen. Authentisch wäre, jetzt ein belastbares Commitment für die Zukunft abzugeben. Allen möglichen zukünftigen Widrigkeiten zum Trotz. Wer traut sich zu sagen, dass sein Engagement unverhandelbar ist, sollte auch mal ein anderer politischer und sozialer Wind wehen?

4. LGBTIQ*-Engagement außerhalb des „Westens“: Förderlich oder gefährdend?

Oft stehen Unternehmen in der Kritik, in Nordamerika und Teilen Europas Flagge zu zeigen, während sie in anderen Ländern wiederum stumm bleiben, in denen Queerness abgelehnt wird. Jedoch tut offensives, mit der Tür ins Haus fallendes Engagement der Community vor Ort oft keinen Gefallen. Es gefährdet sie sogar. Das auf die Community geworfene Scheinwerferlicht kann autokratische Systeme in Zugzwang bringen, rigoros gegen sie vorzugehen, um die eigene Klientel gewogen zu stimmen. Insbesondere in Ländern, in denen das öffentliche Zeigen von Affektion und Zuneigung auch für die cis-hetero-normative Mehrheitsgesellschaft ein Tabu ist.

Es gilt, in die Communities vor Ort reinzuhören, ob das Engagement erwünscht ist und überhaupt etwas bewirken kann. Unternehmen haben die Verantwortung, Communities mit „west“-zentrierten Kampagnen keinem Risiko auszusetzen und auch keine falschen Hoffnungen zu wecken. Brands können ein Momentum verstärken, nicht aber initiieren. Dies obliegt der Politik, der Diplomatie und der Zivilgesellschaft. Unternehmen können als Katalysator wirken und bestehenden Wandel unterstützend begleiten.

Wenn sich Unternehmen wiederum in bestimmten EU-Ländern nicht hinter die Community stellen, angesichts von Queerfeindlichkeit in Politik und Gesellschaft, es in progressiv-liberal-solidarischen Kontexten aber tun, muss man klar und deutlich von Pinkwashing sprechen. Diese Länder sind als EU-Mitglieder Teil einer kulturellen Wertegemeinschaft, die bei ihrer Gründung einen Wertekanon unterzeichnet hat. Hier sind Unternehmen angehalten, unmissverständlich Flagge zu zeigen.

Der Anspruch an glaubwürdiges LGBTIQ*-Engagement ist hoch. Die Berechtigung, dazu zu kommunizieren, verdient man sich mit aussagekräftigen Taten. Wer sich auf diese Reise begibt, hat die Chance, einen Unterschied zu machen. Und suchen wir nicht alle ständig den USP?

LGBTIQ* = steht für die englischen Worte lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, intersex und queer. Der hinzugefügte Genderstern * steht als Platzhalter für weitere mögliche sexuelle und geschlechtliche Identitäten, die sich hinter den Bezeichnungen verbergen können.

Über den Autor: Peter Sendrowicz ist Director Public Affairs, Corporate Communication & Public Diplomacy bei MSL. Er leitet den DE&I Expert Hub. Neben Vielfaltsthemen berät er Unternehmen und Organisationen bei ihrer strategischen Positionierung im politischen und öffentlichen Raum rund um Innovationstechnologien, Nachhaltigkeits- und Forschungsfragen, Gesundheits- und Ernährungspolitik sowie kultur- und gesellschaftspolitische Herausforderungen. Davor war er vier Jahre im Nahen Osten im Stiftungs- und Think-Tank-Bereich tätig.

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