Kommentare Kerlikowskys Kommentar über...die Kosten von Weltkriegen und Wiedervereinigung

kerlikowsky1Guten Tag! Am Montag, den 3. Oktober, gibt es zwei Gründe zu feiern:
- Wir zahlen die letzte Tranche der Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg.
- Der Beitritt der DDR in die Bundesrepublik erfolgte vor 20 Jahren.

Die Belastungen nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg sind nicht begreifbar. Am 11. November 1918 hatte der französische Marschall Ferdinand Foch die Bedingungen für das Ende der Kampfhandlungen deutschen Unterhändlern diktiert. Dennoch blieb die Blockade der deutschen Häfen bestehen. Damit waren Einfuhren von Lebensmitteln über Nord- und Ostsee-Häfen unmöglich. Winston Churchill erklärte vor dem Unterhaus in London als Ziel: "Diese Waffe des Aushungerns ist vornehmlich auf die Frauen und Kinder gerichtet, die Alten, die Kranken und die Armen." In Folge starben 800 000 Deutsche.

Friedensverhandlungen wurden erst langsam in Gang gesetzt. Es gab 27 Siegerstaaten, die sich entweder deutsche Gebiete einverleibten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Litauen, Polen, Tschechoslowakei), Vermögenswerte oder Geld haben wollten. Churchills Landsmann John Maynard Keynes, der für Großbritannien an den Verhandlungen der Siegermächte teilnahm, trat von seinem Amt zurück, weil er sicher war, daß die Reparations-Bedingungen in einen Friedensvertrag für Deutschland unerfüllbar sind und einen Zweiten Weltkrieg verursachen würden.

20 Milliarden Goldmark, das sind über sieben Millionen Kilogramm Gold, sollte Deutschland gemäß dem Versailler Vertrag bis 1921 zahlen. Außerdem wurde ein Großteil der Handelsflotte konfisziert. Deutschland konnte die Beträge und zusätzliche Kohlelieferungen nicht erbringen. Im Juni 1920 setzten die Alliierten dann 269 Milliarden Goldmark, zahlbar in 42 Jahresraten, fest und korrigierten 1921 den Betrag auf 132 Milliarden Goldmark in 68 Jahresraten. Nach verschiedenen Umschuldungsvereinbarungen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sind nun am 3. Oktober 2010 noch circa 56 Millionen Euro zu zahlen. Allerdings kann es passieren, daß Besitzer von Anleihen, mit denen der deutschre Staat Zahlungen finanzierte, im Hinblick auf eine damit verbundene Goldklausel Forderungen stellen. Sie wollen richtiges Gold haben.

Im Vergleich zu den Größenordnungen der Reparationen sind die Transfers von West- nach Ostdeutschland geradezu Peanuts – jedenfalls in den Augen vieler Ostdeutscher. Allein im ersten Jahrzehnt der Wiedervereinigung haben 16 Millionen Ostdeutsche fast zwei Billionen DMark als Transferleistungen vom Staat erhalten. Der polnische Politologe Jerzy Macko von der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder rechnete vor: diese Summe ist gut zweimal soviel wie das jährliche Bruttosozialprodukt von Weißrußland, der Ukraine, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Litauen, Lettland und Estland. In diesen Ländern leben 130 Millionen Menschen. Die jährlichen Transferzahlungen gehen übrigens weiter, obwohl inzwischen über eine Million Einwohner weniger in den neuen Bundesländern leben. Der Soli, in West- und Ostdeutschland erhoben, spielt dabei eigentlich keine Rolle; denn die Einnahmen daraus fließen in den allgemeinen Haushalt der Bundesregierung.

Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 1. Oktober 2010

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