Rezensionen Biehl-Missal: Wirtschaftsästhetik

Brigitte Biehl-Missal: "Wirtschaftsästhetik. Wie Unternehmen die Kunst als Inspiration und Werkzeug nutzen." Verlag: Gabler Verlag, Wiesbaden. 2011. 196 Seiten. Preis: 42,95 Euro. ISBN 978-3-8349-2429-2.
Rezension: Manfred Piwinger, Wuppertal
Das Grundlagenwerk zur Wirtschaftsästhetik widmet sich konkret der Frage, was die ästhetischen und gar künstlerischen Seiten von Management und Kommunikation in Unternehmen sind, und wie Kunst als Inspiration und als strategisches Werkzeug zur Wertschöpfung eingesetzt werden kann. Das ist das Neue daran. Es ist gewagt, hier von einem Sachbuch zu sprechen, zumal es auf den ersten Blick nicht den herkömmlichen Vorstellungen eines Sachbuches entspricht. Erst nach und nach und bei gründlicher Lektüre erschließt sich sein Wert. Wer zu einem Perspektivwechsel bereit ist, findet hier reichlich Stoff und fachlich eine erweiterte Perspektive. Das Buch ist regelrecht eine Schatzkiste für die Kommunikationspraxis und Forschung, verlangt freilich vom Leser einen aufgeschlossenen Zugang. Viele Bücher haben schon Kunstsponsoring, Mäzenatentum und den Kunstmarkt behandelt, aber der Wertschöpfungsgedanke und die Inspiration durch Kunst kam bisher zu kurz.

Die Autorin ist Theaterwissenschaftlerin und forscht an der School of Management and Business, Aberystwyth University, Wales. Vielen in der Kommunikationsbranche werden ihre Ausarbeitungen zur Inszenierung von Topmanagern bei öffentlichen Auftritten in Erinnerung sein (Brigitte Biehl: Business is Show Business). Vom Standpunkt der Kommunikationswissenschaft setzt das Buch vielfältige Kommunikationsformen in den ästhetischen Zusammenhang. Biehl-Missal definiert Ästhetik nicht eingeengt als ‚Schönheit‘, sondern als sinnliche Wahrnehmung, als visuelle, akustische, körperliche Wahrnehmung – und damit als eine Form der Kommunikation, die unterbewusst und nachhaltig wirkt.

Biehl-Missal spannt einen breiten Themenbogen – vom symbolischen Interaktionismus hin zu den vielseitigen Inszenierungsformen des Impression Managements. Vieles fließt in dem nur knapp 200 Seiten starken Buch zusammen: gängige ästhetische Ausdrucksformen, künstlerische Modelle von Unternehmen wie Unternehmen als Theater oder Storytelling, ebenso Kunst als Management-Instrument, als sogenannte kunstbasierte Intervention. Das Ganze gedacht als eine Erweiterung der Kommunikationsfunktion in Unternehmen, die solche Initiativen koordinieren, implementieren und bewerten könnte. Ein letzter Teil beinhaltet die Kritik von Künstlern an Unternehmen. Und nennt Beispiele wie Künstler und Aktivisten ihre eigenen Mittel einsetzen, um oft oppositionell auf Unternehmen aufmerksam zu machen. Ein Beispiel sind die Theaterregisseure von Rimini Protokoll, die eine Daimler-HV aufgrund der inszenierten Aspekte kurzerhand zum Theaterstück erklärten und 200 Zuschauer über Stimmrechtsvertretung einschleusten. Gerade damit müssen Kommunikationsverantwortliche umgehen können.

Ein Grundlagenwerk wie „Wirtschaftsästhetik“ lenkt unsere Aufmerksamkeit auf symbolische Handlungen und Ausdrucksformen, die sich summarisch in immateriellen Vermögenswerten niederschlagen. Hierauf aus einer ganz neuen, einer künstlerischen und theaterwissenschaftlichen Perspektive hinzuweisen, ist das große Verdienst der Autorin. Im empfehle es als eigenständiges Werk allen Kollegen, die sich für einige Stunden aus der Enge des Berufsalltags lösen wollen. Hier finden sie eine Quelle der Inspiration auf einer breiten fachlichen Basis.

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