Rezensionen Rezension: Inspirierende Einsichten für die Influencer-Praxis
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- von Markus Kiefer, Heiligenhaus
Social-Media-Influencer waren zwischenzeitlich schon einmal ins Gerede gekommen. Die üblichen Verdächtigen der Szene waren mit zu vielen Produkten gleichzeitig unterwegs. Inzwischen, so scheint es, sind sie bei vielen Unternehmen ein gern gewählter Kommunikationskanal, der da funktioniert, wo andere Medien ausfallen oder an Bedeutung oder an Glaubwürdigkeit verlieren. Das Spannungsfeld, in dem sich solche Influencer bewegen, ist das Thema eines F.A.Z.-Sammelbandes. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird das Wirken der Influencer beleuchtet.
Unter anderem kommen Vertreterinnen und Vertreter etablierter Agenturen wie Grey, Serviceplan, Kolle Rebbe, Think Out Of The Box, Jung von Matt und Territory webguerillas zu Wort. Sie geben unter anderem in den Kapiteln 1 und 2 wertvolle, inspirierende Einsichten in die Systematik der Influencer-Bewertung und Auswahl in ihren jeweiligen Häusern.
Kapitel 3 setzt zwei weitere, schwergewichtige Akzente: Wie können Top-Fußballer und Rockstars zugunsten von Unternehmen wirken? Für welche Werte stehen denn Fußballer wie Podolski, Reus, Kroos, Hummels oder Schweinsteiger? Für sehr unterschiedliche, wie das markante Positionierungs-Schaubild auf Seite 142 ausweist.
In Kapitel 4 sticht der Aufsatz von Mandy Möller-Sarnoch ins Auge, der die prominentesten Social-Media-Stars unserer Tage wie Pamela Reif, Caro Daur, Bianca Heinicke, Julian Bam und andere in ihrer Wirkmacht genau analysiert und dies in einer anregenden Influencer-Typologie ansprechend visualisiert (The Ten Types of Influence, S. 177). Die zehn Typen sind: Analyst, Insider, Expert, Activist, Disruptor, Authority, Journalist, Celebrity, Personal Brand, Connector. Während dieser Text den Scheinwerfer auf Prominente wirft, zeigt Kerstin Hoffmann („PR-Doktor“), dass die Gegenseite zum Scheinwerferlicht genau so wirkungsvoll sein kann. Sie präsentiert die Möglichkeiten, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Influencer aufzubauen. Der Titel ihres Beitrags ist ja schon länger Aktions-Programm in vielen Unternehmen: „Die wahren Stars der Marke“.
Kapitel 5 thematisiert dann abschließend wesentliche rechtliche Aspekte wie geistiges Eigentum, Kennzeichnungspflichten, Haftungsfragen und andere. Den Band schließt ab eine knappe Reflexion (3 Seiten) von Günther Jauch über den Promi-Einsatz in Unternehmenswerbung. Alles hoch relevante Inhalte für die Praxis der Marketingkommunikation.
Der einleitende Aufsatz der Herausgeber dürfte die Akzeptanz des Buches dann noch zusätzlich in der Scientific Community absichern. Was die ausgewiesenen Marken-Experten Alexander Schimansky (Professor für Marken- und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim) und Shamsey Oloko (u.a. Daimler, Think Out Of The Box, Universal Music and Brands) hier gemeinsam mit Magdalena Beck (promovierte Psychologin und Statistikerin) meisterhaft ausrollen, das ist nicht weniger als die gesamte Entwicklung der Meinungsmacher-Typologien in Jahrzehnten wissenschaftlicher Diskussion und Marketing-Praxis, von Greta Garbo früher bis Bianca Heinicke („Bibi“) heute, glänzend aus der einschlägigen Fachliteratur und mit spannenden Praxis-Quellen belegt.
Darüber hinaus nehmen Praktiker aus diesem ausführlichen Einleitungsaufsatz drei anregende Schaubilder zur weiteren Eigenarbeit mit:
- Die Influencer-Typen (Celebrity, Content-Creator, Kunde, Mitarbeiter) und ihre dafür geeigneten Auftrittsformate (S. 14),
- die inhaltliche „Passung“ im Dreieck Marke/Unternehmen/Produkt – Celebrity – Zielgruppe (S. 19) und
- der sogenannte strategische Entscheidungskorridor: Markenziele – Influencer – Inszenierung – Touchpoints (S. 30).
Das alles sind hochwertige, anregende Tools, die der strategischen Überlegung auf der Praxisebene sehr dienlich sein müssten.
PR-Perspektive fehlt
Was dem Band insgesamt abgeht: Was ist eigentlich mit den PR-Aspekten, die den Einsatz von Celebrities gleich welcher Art im Marketing doch unabdingbar zur Folge haben? Es entsteht nämlich zwangsläufig und immer eine ganze Menge „Earned Media“, wie man das heute nennt, nämlich begleitende Medienberichterstattung und das Thematisieren solcher Star-Einsätze auf allen möglichen Social-Media-Kanälen. Und dies ist dann nicht mehr Marketing-Kommunikation, sondern der Job der Kommunikationsmanager, der Medienmanager, der PR-Leute. Hier liegen gewaltige Chancen und sehr konkrete Aufgaben für die Unternehmenskommunikation.
Wie sich Unternehmen diese Formen der zusätzlich entstehenden Öffentlichkeit systematisch zunutze machen könnten, wenn sie denn schon auf teure Stars setzen, das sollte vielleicht Thema von zwei, drei ergänzenden Aufsätzen sein, wenn der F.A.Z.-Verlag eine überarbeitete Neuauflage des Buches plant. Die Aktualität des Themas wird ja bleiben und die Qualität des hier vorgelegten Sammelbandes hätte in jedem Fall eine weitere Neuauflage mit zusätzlichen Aspekten verdient.
Noch eine Bitte an den Verlag: Bei einer Neuauflage des Sammelbandes bitte hinter die Namen auch die Herausgeber-Funktion auf den Titelseiten außen und innen setzen und deutlicher in dieser Hinsicht markieren. Es sind ja nicht die Autoren-Namen einer Monographie.
Titel: Die Macht der Meinungsführer. Von Celebrities bis zu Influencern; Herausgeber: Alexander Schimansky / Shamsey Oloko; Verlag: Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2020; Umfang: 253 Seiten; Preis: 29,00 Euro; ISBN 978-3-95601-226-6
Über den Autor der Rezension: Professor Dr. Markus Kiefer (65, Foto) war von 2010 bis Ende des Sommersemesters 2022 hauptberuflich an der FOM – Hochschule tätig, als Professor für Allgemeine BWL, mit dem Schwerunkt Unternehmens- und Wirtschaftskommunikation. Seit dem Wintersemester 2022 nimmt er an der FOM und im Wechsel an weiteren Hochschulen Lehraufträge mit Schwerpunkt PR und Unternehmenskommunikation wahr.
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