Studien Edelman Trust Barometer: Deutsche haben Angst vor Innovationen

Edelman-Infografik Trust-Barometer15 PaceSelbstfahrende Autos, virtuelle Währungen, 3D-Drucker und Drohnen – wir leben in einer Welt der Innovationen mit immer schnelleren Produktzyklen. Was für den einen die ersehnte Erleichterung im Alltag ist, bereitet dem anderen Sorgen. In Deutschland ist die Angst vor allzu rasanten Veränderungen besonders deutlich ausgeprägt. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Edelman Trust Barometers 2015. Für die 15. Ausgabe des jährlichen Trust Barometers hat Edelman erstmals das Vertrauen in Innovationen untersucht – mit einem eindeutigen Ergebnis: In Deutschland sagen 57 Prozent der Befragten, die Geschwindigkeit, mit der neue Geschäftsideen entwickelt und sich Produktwelten verändern, sei zu hoch. Nur 21 Prozent bewerten Innovationszyklen als zu langsam – siehe dazu auch die nebenstehende Grafik.

Auch global stehen die Menschen der sich immer schneller verändernden Technologielandschaft skeptisch gegenüber: 51 Prozent der Meinungsführer der 33.000 Befragten in 27 Ländern gehen Veränderungen zu schnell. „Unternehmen stehen damit vor einem Balanceakt: Sie müssen innovativ sein, um ihre Zukunft abzusichern. Gleichzeitig laufen sie Gefahr, ihre Kunden zu verlieren, wenn sie Geschäftsideen, Produkte und Dienstleistungen zu schnell weiter entwickeln und nicht ausreichend erklären”, sagt Susanne Marell, CEO von Edelman Deutschland.

Vertrauensrückgang auf breiter Front
Das geringe Vertrauen in Innovationen ist Teil eines allgemeinen Vertrauensrückgangs in Deutschland. Der Trust Index sank gegenüber dem vergangenen Jahr signifikant um sieben Prozentpunkte auf 50 Prozent. Gründe sind die deutlichen Rückgänge des Vertrauens in Unternehmen (- 12 %), NGOs (- 10 %) und Medien (- 9 %). Nur die deutsche Regierung konnte sich diesem Trend entgegenstemmen und das Vertrauen um einen Prozentpunkt auf 50 Prozent erhöhen – im historischen Rückblick ein sehr hoher Wert.

„Nachdem die deutsche Wirtschaft in den Augen der Menschen in den vergangenen Jahren ein Garant für Stabilität war, sehen wir in den Ergebnissen des Trust Barometers 2015 wieder deutlich mehr Unsicherheit“, sagt Marell. „Neben der instabilen Lage in der Gesamtwirtschaft, zum Beispiel durch die Folgen der Ukraine- und der Euro-Krise, trägt die Skepsis der Deutschen in Bezug auf Innovationen zu diesem signifikanten Vertrauensrückgang bei.“ Der Vertrauensverlust in Deutschland verläuft parallel zum globalen Trend: In 19 der 27 Länder im Edelman Trust Barometer ist das Vertrauen gegenüber dem Vorjahr gesunken.

Unternehmen müssen aktiv zuhören und kommunizieren
Der Schlüssel zu nachhaltigem wirtschaftlichen Erfolg heißt – neben notwendigen Innovationen – Vertrauen. Fehlt es, bedeutet es für 51 Prozent der Befragten in Deutschland, dass sie Produkte oder Dienstleistungen nicht kaufen. Im Gegensatz dazu geben 77 Prozent an, Angebote von Marken anzunehmen, die sie für glaubwürdig halten. 52 Prozent kritisieren Unternehmen, im Gespräch mit Freunden und Kollegen, wenn sie sie nicht für vertrauenswürdig halten. Dagegen empfehlen 57 Prozent „ihre“ Marken und Unternehmen.

Im Edelman Trust Barometer 2015 formulieren die Befragten klare Forderungen an Unternehmen: Sie sollen mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zu einer produktiveren Gesellschaft leisten. Dabei ist die Mehrheit der Befragten (72 Prozent) der Meinung, dass Unternehmen gleichzeitig ihre Gewinne erhöhen und die wirtschaftlichen und sozialen Lebensumstände verbessern können. Damit dies gelingen kann, verlangen die Menschen nach mehr Sorgfalt und fordern mehr Transparenz.

Vertrauen und Innovation hängen eng zusammen
Die Edelman Untersuchung zeigt einen Zusammenhang zwischen allgemeinem Vertrauen (Trust Index Wert) und der Bereitschaft, Innovationen anzunehmen. Grundsätzlich sind die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern offener für Innovationen als in Industrieländern (65 Prozent bzw. 44 Prozent). In Deutschland, Frankreich und Spanien ist die Bevölkerung im Allgemeinen skeptischer gegenüber technologischen Neuentwicklungen als beispielsweise in den vier Ländern mit dem höchsten Trust Index Wert: die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien, Indonesien und China.

Banken und Medien stehen im Branchenvergleich am schlechtesten dar
Im weltweiten Branchenvergleich bleibt der Technologiesektor weiter Spitzenreiter (78 Prozent global, 66 Prozent in Deutschland). Aber in 70 Prozent der Länder halten die Befragten Technologie-Unternehmen für weniger glaubwürdig als im Vorjahr. Auf Platz zwei und drei folgen Consumer Electronics (75 Prozent) und die Automobilindustrie (71 Prozent). Das Schlusslicht bilden der Finanzsektor (54 Prozent), Banken (53 Prozent) und Medien (51 Prozent).

Die Zahlen zeigen auch: Eine allgemein hohe Glaubwürdigkeit einer Branche bedeutet nicht automatisch, dass die Menschen allen Produkten oder Dienstleitungen vertrauen, die diese Unternehmen anbieten. Während der Technologiebranche das höchste Vertrauen entgegengebracht wird, trauen nur 37 Prozent der Befragten in Deutschland Technologieunternehmen zu, dass sie z.B. Cloud Computing Dienste verlässlich implementieren können. „Unternehmen können sich nicht auf einem hohen Vertrauenswert für die Branche ausruhen, sie müssen sich Vertrauen immer wieder neu verdienen und ihren Beitrag innerhalb der Gesellschaft kommunizieren, insbesondere, wenn sie innovative Angebote schaffen”, sagt Marell.

Der Chief Engagement Officer muss Transparenz schaffen
Neben dem Vertrauensrückgang in Unternehmen verlieren auch CEOs weiterhin an Glaubwürdigkeit. Mit nur 28 Prozent ist das Vertrauen in sie gegenüber dem Vorjahr um neun Prozentpunkte gesunken. An der Spitze des Vertrauensrankings stehen nach wie vor Menschen wie Du und ich (70 Prozent). Experten aus Industrie oder Wissenschaft (66 Prozent) haben um sechs Prozentpunkte an Glaubwürdigkeit zugelegt. „Der CEO als Chief Engagement Officer, der verantwortungsvoll handelt und offen kommuniziert, ist nicht in Sicht. Dabei ist er derjenige, der das Vertrauen in sein Unternehmen lenken muss”, sagt Marell. „Er trägt die Verantwortung für den entscheidendsten Faktor für das Vertrauen der Verbraucher in Innovationen: Transparenz.”

Traditionelle Medien verlieren Vertrauen
Wer Dialog führen will, muss wissen wo. Denn in einer diversifizierten und sich schnell verändernden Medienwelt ändert sich auch die Bedeutung der unterschiedlichen Medienkanäle. In Deutschland haben traditionellen Medien wie Zeitungen und Zeitschriften sowie Fernseh- und Rundfunksender deutlich an Vertrauen eingebüßt. Nur noch 66 Prozent der Befragten halten diese Medien für glaubwürdig, elf Prozentpunkte weniger als noch ein Jahr zuvor. Dennoch wird traditionellen Medien hierzulande weiter das größte Vertrauen entgegengebracht, wenn es um Nachrichten und allgemeine Informationen geht. Erst mit deutlichem Abstand folgen Internet-Suchmaschinen (47 Prozent), Hybrid-Medien wie Blogs oder Nachrichten-Websites (36 Prozent) sowie soziale Medien (31 Prozent) und unternehmenseigene Publikationen (30 Prozent).

Dieses Ergebnis steht in einem deutlichen Gegensatz zur internationalen Entwicklung. Weltweit haben Internet-Suchmaschinen (64 Prozent) in diesem Jahr zum ersten Mal die traditionellen Medien (62 Prozent) als glaubwürdigste Quelle abgelöst. Auch soziale Medien und Unternehmenspublikationen gewannen deutlich an Vertrauen (jeweils plus drei Prozentpunkte auf 48 bzw. 47 Prozent).

Junge Generation verlässt sich auf die eigene Recherche
Nutzer bis Mitte 30 verlassen sich heute weltweit weitgehend auf Suchmaschinen (72 Prozent), gefolgt von traditionellen Medien und Hybrid-Medien (64 bzw. 63 Prozent) sowie Social Media (59 Prozent). Nicht zu vernachlässigen ist in dieser Generation die Bedeutung von Unternehmensmedien. Den Informationen auf einer Unternehmenswebsite oder im Corporate Magazin vertrauen immerhin 57 Prozent der Generation Y.

Während traditionelle Medien in Deutschland nach wie vor noch hohes Vertrauen genießen, halten nur 45 Prozent der Befragten Journalisten für glaubwürdig. Wenn es um aktuelle Informationen geht, setzen die Menschen inzwischen auf andere Quellen: Freunde und Familie sowie Wissenschaftler gelten als besonders vertrauenswürdig (67 bzw. 60 Prozent). Für nur sehr bedingt glaubwürdig halten die Menschen in Deutschland Prominente (22 Prozent) und Vorstandschefs (27 Prozent).
Weitere Informationen finden sich auf der Edelman-Website.

Über das Edelman Trust Barometer: Das Edelman Trust Barometer wurde von der Marktforschungsfirma Edelman Berland entwickelt, die Datenerhebung erfolgte mithilfe von 20-minütigen Online-Interviews. Der Erhebungszeitraum lag zwischen dem 13. Oktober und 24. November 2014. Für das Edelman Trust Barometer 2015 wurden in 27 Ländern jeweils 1.000 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung sowie 200 weitere (USA und China: 500) Meinungsführer im Alter von 25 bis 64 Jahren befragt. Alle Meinungsführer erfüllen folgende Kriterien: Sie besitzen einen Hochschulabschluss, das jährliche Haushaltseinkommen befindet sich im oberen Viertel ihres Landes bezogen auf ihr Alter, sie lesen oder sehen mehrmals wöchentlich Wirtschafts-/Nachrichtenmedien und verfolgen mehrmals wöchentlich Fragen der öffentlichen Politik.

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