Branche Viele Presseinformationen verfehlen ihr Ziel

Fast die Hälfte der Presseinformationen, die täglich bei Journalisten eingehen, passen nicht zu deren Ressort. Das ist das Ergebnis einer Studie des Journalistenzentrums Wirtschaft und Verwaltung (JWV) und der Technischen Universität Dortmund, die am 23. September auf dem Kommunikationskongress in Berlin vorgestellt wurde. Danach erhalten die befragten Redakteure tagesaktueller Medien im Schnitt mehr als 70 Presseinformationen am Tag. Davon erreichen 44 Prozent von vornherein das falsche Ressort und insgesamt 83 Prozent sind nach Angaben der befragten Redaktionen nicht verwendbar. Der Aufwand, sie auszusortieren, variiert größtenteils zwischen bis zu einer Stunde (28%) und zwei Stunden (22%), in einigen Fällen (8%) sogar noch länger. Bemerkenswert:  Emails an abwesende Redakteure werden bei fast der Hälfte  (44%) der tagesaktuellen Medien weder bearbeitet noch weitergeleitet.

Von den gleichzeitig befragten Pressestellen gab mehr als die Hälfte (51%) an, ihre Presseverteiler halbjährlich oder seltener zu aktualisieren. Dem stehen allerdings je rund 25% gegenüber, die vierteljährlich oder monatlich ihre Medienadressen revidieren. Die Adressen werden dabei weniger von professionellen Adressanbietern bezogen (14%) als überwiegend durch eigene Recherchen.

Die wichtigsten Zielmedien der Pressestellen sind dabei nach wie vor die Tageszeitungen (98%), gefolgt vom Hörfunk (79%) und freien Journalisten bzw. Korrespondenten (73%). Erst dann rangieren nacheinander die Online-Medien (72%), die Nachrichtenagenturen (71%) und das Fernsehen (70%) vor Fachzeitschriften, Anzeigenblättern etc. Dieses Ergebnis muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die meisten befragten Pressestellen vor allem auf eine lokale bzw. regionale Publizität abzielen. Nur etwa für die Hälfte stehen bundesweite (55%)  bzw. für ein Fünftel internationale Medien (21%) im Vordergrund.

Gegensätze zwischen Redaktionen und Pressestellen zeigen sich bei den jeweiligen Anforderungen an eine Website. So ist die Archivfunktion für Pressemitteilungen aus der Sicht von Journalisten im Verhältnis weniger wichtig. Sie hätten dafür lieber mehr Hintergrundinformationen und Illustrationsmaterial wie Schaubilder zum Herunterladen auf der Website. Auch würden sie gerne selbständig auf der Website Presseabos auch wieder abbestellen können.

Auch das gegenseitige Rollenverständnis von Pressestellen und Redaktionen stimmt nicht durchgehend überein. Zwar ist die Geschäftsgrundlage offenbar intakt: Beide Seiten vertrauen gegenseitig gleichermaßen auf die Richtigkeit und die korrekte Wiedergabe von Informationen. Während sich aber die Pressestellenmitarbeiter durchgängig als „bewährte Ansprechpartner der Journalisten“ verstehen (87%), teilten nur 58% der Redakteure diese Auffassung. In vergleichbaren Größenordnungen weichen die gegenseitigen Einschätzungen auch hinsichtlich der „Zuverlässigkeit“ und des „Zeitgewinns durch Pressemitteilungen“ voneinander ab. Die Pressestellen schätzen ihre eigene Kenntnis der Arbeitsweise von Medien deutlich selbstbewusster ein (74%) als dies ihnen die Journalisten zutrauen (58%).

Das JWV interpretiert diese Ergebnisse einerseits als Beleg, dass Pressestellen und Journalisten trotz der veränderten Kräfteverhältnisse immer noch die nötige Distanz wahrten. JWV-Vorsitzender Adrian Teetz: „Gingen PR und Medien zu sehr Hand in Hand, bekämen beide Legitimierungsprobleme“. Andererseits werde auch deutlich, dass die Kenntnis journalistischer Methoden und Arbeitsbedingungen immer noch stärker im Know-how der PR verankert werden könne. Presseinformationen pointiert inhaltlich auszurichten und treffsicher zuzustellen, sei auch in der digitalen Kommunikation immer noch wichtiger als deren Frequenz und Streuung. Erhöhter PR-Aufwand und erweiterte Informationskanäle allein führten nicht zu stärkerer Publizität.

In der Studie hatten fast 2.000 Pressestellen und rund 1.200 Redaktionen simultan unabhängig voneinander auf Fragen über Arbeitsmethoden und das gegenseitige Rollenverständnis geantwortet. Mit der Studie wollte das JWV das Verhältnis von Journalismus und PR vor dem Hintergrund verschobener Ressourcen und der rasanten technologischen Entwicklung beleuchten. Das JWV ist PR-Bildungsträger des Deutschen Journalistenverbandes sowie von kommunalen und Nonprofit-Spitzenverbänden. Ein pdf mit den ausführlichen Ergebnissen der Studie kann beim JWV kostenfrei bezogen werde. Bitte eine Email mit Name, Anschrift und Position des Absenders an: studie@journalistenzentrum-jwv.de

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