PRJ-Archiv Scheben’s Sachverständigenkolumne (V): Was Prozessgegner vor Gericht alles falsch machen

PR-Alltag: Wenn zwei sich streiten...

Manch fröhlich begonnene Zusammenarbeit von Kunde und PR-Berater oder PR-Agentur endet im Streit und letztlich vor Gericht. Die Stunden dort sind dann hoffentlich Stunden der Wahrheit. Im Regelfall sind es auch Stunden unerwarteter Enttäuschungen beider streitenden Parteien. Sich im Recht fühlen bedeutet nicht, vor Gericht Recht zu bekommen. Was läuft da falsch?

Nichts läuft falsch. Alles läuft richtig. Das Gericht ist an der Wahrheit interessiert, die Anwälte am Sieg ihrer Mandanten, und erst recht die wollen den Prozess gewinnen. Aber mancherlei ist bereits falsch gelaufen, bevor es zur Auseinandersetzung kam, und vor Gericht rächt sich das bitter.

Nicht die blauen Augen der Klägerin oder der gute Ruf des Auftraggebers, nicht die Zahl der im Agenturheft abgedruckten Referenzen fallen ins Gewicht und nicht die Marktmacht eines Markenartiklers. Allein die Aktenlage zählt.

Auftragnehmer und Auftraggeber eines PR-Projekts sind gut beraten, ihre Zusammenarbeit von Anbeginn an absolut lückenlos zu dokumentieren. Telefonnotizen, Ausdrucke gesendeter und empfangener Emails, ausführliche Ergebnisprotokolle, Kopien von in Zwischenschritten vorgelegter und abgenommener oder auch nicht abgenommener Leistungen – das und vieles mehr kann vor Gericht sehr nützlich sein. Nichts ist hilfreicher vor Gericht als Beweise, mögen die Behauptungen noch so gekonnt formuliert sein und noch so vehement vom Anwalt vorgetragen werden.  Achten Sie als Streithahn bereits bei den Schriftsätzen Ihres Anwalts darauf, dass er sich tunlichst um die Beweise kümmert. Und: Lesen Sie die Schriftsätze Ihres eigenen und des gegnerischen Prozessbevollmächtigten sehr, sehr gründlich und mit kritisch-kühlem Kopf: Versetzen Sie sich in die Situation des Gerichts!

Kurzum: Betreiben Sie nachvollziehbares Qualitätsmanagement und sorgen Sie für lupenreine Aktenlage! Und zwar immer und überall! Dieser Rat gilt für Auftraggeber wie Auftragnehmer gleichermaßen. Es hatte für die PR-Szene schon seinen Sinn, als man daran ging, das Miteinander von Auftraggeber und Auftragnehmer analog der Vorschriften der DIN EN ISO 9001 zu gestalten. Da wurde im Zuge des Arbeitsprozesses protokolliert, was nur zu protokollieren war, und im Gerichtsprozess war dann leicht zu beweisen, was es zu beweisen galt.

Was freilich von einem Gericht nicht so ohne weiteres zu beantworten ist, bleiben Fragen wie:
• Handelt es sich bei den 100 Seiten bedrucktem Papier um das bestellte PR-Konzept oder nur um 100 Seiten bedrucktes Papier?
• Ist der berechnete Stundensatz marktüblich oder nicht, wie steht es um die Marktüblichkeit der berechneten Stundenzahl?
• Sind die vorgelegten grafischen Leistungen das verlangte Geld wert oder handelt es sich bei den Vorlagen um dilettantisches Gekritzel?

Dergleichen kann ein Gericht in den seltensten Fällen aus eigener Sachkunde heraus beurteilen. Dann also wird ein Sachverständiger vom Gericht damit beauftragt, eine oder mehrere sehr konkrete Beweisfragen zu beantworten. Je präziser für ihn die Aktenlage ist, um so verlässlicher wird sein Gutachten ausfallen.


Dipl. oec. Mathias Scheben
Von der IHK zu Koblenz öffentlich bestellter
und vereidigter Sachverständiger für
Beratungs- und Gestaltungsleistungen,
Leistungshonorierung in der
Unternehmenskommunikation
(
www.pr-sachverstaendiger.de)


In der 6. und letzten Folge: Gute Tips für alle Fälle

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