Ethik: Die Pinocchio-Gesellschaft und die Moral von der Geschicht…

(cw) Es geht stets um die Diskussion ethischer Grundsätze, wenn Unternehmen und ihre Akteure sich außerhalb der gesellschaftlichen Normen und Werte bewegen und sich damit Vorteile verschaffen. Das mehr oder weniger bewusste Eingehen ethischer Risiken wirkt sich nicht nur negativ auf die handelnde Person aus, sondern auf die gesamte Organisation und führt nicht selten extern aber besonders intern zu einer tiefen Vertrauenskrise bei Mitarbeitern.

Auch wenn die Abgrenzung zwischen Ethik und Moral eine tiefere philosophische Betrachtung erfordern würde, ist bereits aus den wenigen Definitionen ersichtlich, dass Ethik als auch moralisches Handeln direkten Einfluss auf die Reputation einer Organisation nehmen. Reputation und unternehmerische Ethik sind damit ebenso interdependent wie Ethik und die dazu gehörigen Handlungsmotive der Moral. Eine ethische Grundhaltung ist nicht nur reputationsbildend, sie wird geradezu von Stakeholdern vorausgesetzt. Eine fehlende ethische Grundhaltung führt zu einem Vertrauensverlust in die Führungskräfte mit direkter Folge auf die interne Moral der Mitarbeiter, Kundenloyalität und damit auf die gesamte Wertschöpfung eines Unternehmens. Während die Ethik das WIE unternehmerischer Handlungen definiert, liefern die moralischen Grundsätze das WARUM. Damit werden beide zu einer wichtigen Aufgabe der Unternehmenskommunikation, die in einem Klima von Vertrauen und der Glaubwürdigkeit nicht nur die Inhalte, sondern auch die kommunikative Beweisführung im Fall eines Ethikverlustes erbringen muss.

In der Praxis geraten Ethik und moralische Handlungen im unternehmerischen Kontext auch gerne mal verloren: Spekulationen mit Anlegergeld, hohe Bonuszahlungen bei gleichzeitig hohen bilanziellen Verlusten, Doktorarbeiten ohne korrekte Quellenangaben, unzeitgemäßer rigider Führungsstil sind einige Beispiele wie schnell ethische und moralische Grundsätze in Vergessenheit geraten können. Auf die Tat folgt dann auch in der Regel schnell das Wort: Leugnen bis der öffentliche Druck zu groß wird – oder die Wahrheit unweigerlich früher oder später ans Licht kommt. Lügen gehört anscheinend unweigerlich zur Krise dazu. Offenbar kommt die heutige Leistungsgesellschaft nicht ohne diese verbalen Ungenauigkeiten aus. Peter Stiegnitz, Soziologe auf dem Gebiet der Mentiologie (Lehre der Lüge) an der Universität Wien behauptet gar in einem Zeitungsinterview, der Mensch beginne bereits mit dem sechsten Lebensjahr zu Lügen – bis zum vorletzten Atemzug. Und dazwischen lüge er bis zu 200 Mal am Tag! Während Lügen als Kompliment, Ausreden, Peinlichkeiten, falscher Barmherzigkeit oder Notlügen legitimiert werden, beginnt diese ungeliebte aber doch zum Leben gehörende Eigenart bereits mit der Erziehung. Stiegnitz: ‚Kinder werden zu Lügnern erzogen, wenn beispielsweise der Vater vom Sohn verlangt, sich am Telefon zu verleugnen. Kinder lernen schnell, dass der dosierte Umgang mit der Wahrheit das Leben erleichtern kann‘. So nimmt es kein Wunder, dass für den Mentiologie-Spezialisten das Gegenteil der Lügen nicht die Wahrheit, sondern die Wirklichkeit ist: ‚Lügen sind das Schmiermittel unserer Gesellschaft. Ohne sie funktioniert nichts mehr. ‘ Ist damit Lügen einfach nur menschlich? Oder gar wirklich in unseren Genen verankert, wie einer der Thesen von Stiegnitz behauptet? Was nützen ethische und moralische Grundsätze eines Unternehmens, wenn deren Einhaltung schon ‚genetisch‘ verhindert werden?

Auch wenn diese Erkenntnisse eines Mentiologie-Wissenschaftlers richtig sind, erklären sie lediglich WARUM Führungskräfte sich immer wieder zu verbalen Ungereimtheiten verleiten lassen. Wer erinnert sich nicht an das hartnäckige Leugnen Bill Clintons (‚Ich hatte nie Sex mit Miss Lewinsky‘), dem Geständnis Bernhard Kohl unter Tränen vor laufenden Kameras, ‚er habe die Doping-Lügen satt‘ oder dem steirischen Extrem-Sportler Christian Stangl, der nach seinem Abstieg des K2 seine Aussage des Gipfelsiegs korrigierte mit den Worten, er habe sich in einem ‚tranceartigen Zustand oben gesehen‘.

Nun, vielleicht befindet sich auch so mancher prominente Politiker oder Wirtschaftsvertreter ‚in Trance‘, wenn diese versuchen, unethisches Verhalten zu leugnen oder zu beschönigen. Für die Reputation einer Gesellschaft oder eines Unternehmen ist dies allemal abträglich, die daraus folgende Verantwortung trägt der schließlich Geständige nur selten allein. Resultierende Kursrutsche, Vertrauensverluste sind nur zwei Beispiele, mit denen die Unternehmenskommunikation noch monatelang beschäftigt sein wird. Dabei ist es auch unerheblich, wenn diese Wissenschaft zwischen Selbstlüge, Fremdlüge und Kollektivlüge (one-to-many) unterscheidet. Vielleicht ist diese Differenzierung sogar ein Prozess, den eine Führungskraft ‚durchmacht‘, moralische und ethische Verantwortung dabei völlig über Bord wirft. So ganz genau wird man das nie erfahren, denn für die Krisenkommunikation steht erst einmal Schadensbegrenzung auf dem Programm.

Und die Moral von der Geschicht? Lügen kann nachweislich einen guten Grund haben, jedoch keine Daseinsberechtigung, wenn es um die Reputation und damit die Verantwortung für eine Organisation geht und dem Vertrauen der Stakeholder. Das uneingeschränkte Commitment zu Offenheit und Ehrlichkeit stärkt die Reputation.

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