Autoren-Beiträge Autorinnenbeitrag: Nach Green- und Pink-Washing droht jetzt New-Work-Washing

Warum New Work mehr als schöne Versprechen braucht

Vertrauensurlaub, Wellbeing-Tage, Workation: New Work gilt als Antwort auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt – setzt aber auch einen echten Kulturwandel voraus. Denn mit leeren Worthülsen allein gibt sich die neue Generation der Talente nicht zufrieden. Den Versuch, sein Image durch inhaltsleere Buzzwords aufzupolieren, kennen wir bereits aus den Bereichen Nachhaltigkeit, LGBTQ oder sozialem Engagement. So gesellt sich zu Green-, Pink- und Bluewashing nun auch das New-Work-Washing.

Nora Feist ist CEO und HR-Verantwortliche von Mashup Communications. (Foto: Saskia Uppenkamp)

Die Generation Z ist dabei, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern und die Prinzipien des New Work maßgeblich voranzutreiben. Mit ihrem frischen Denken und ihrer technologischen Affinität haben sie sich als Motor für Innovation und Fortschritt etabliert.

Im Fokus: die Work-Life-Balance. Jüngst zeigte eine repräsentative Forsa-Umfrage, dass die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeitliche Flexibilität wie eine vollvergütete 4-Tage-Woche mehr als rein finanzielle Benefits schätzen.

Die Anpassung auf flexible Arbeitszeiten bringt gerade für die PR-Branche spezifische Herausforderungen mit sich. Insbesondere bei der Bewältigung von Krisen, dem Management von Social-Media-Plattformen oder der Betreuung internationaler Kunden sind effiziente und zeitnahe Reaktionen entscheidend. So sollte in den Teams sichergestellt werden, dass immer mindestens eine Person per Telefon oder Mail erreichbar ist und auf spontane oder dringende Anfragen reagieren kann. Gut gepflegte Kalender und eindeutige Absprachen sind hierfür die Grundlage, damit für alle im Team transparent einsehbar ist, wer wann verfügbar ist und sich um entsprechende Anliegen kümmern kann. Insgesamt empfehle ich darüber hinaus, dass Kunden von Beginn an daran gewöhnt werden, dass sie nicht von einzelnen Personen bzw. Beraterinnen oder Beratern, sondern von einem ganzen Team betreut werden, um Abhängigkeiten oder Unmut bei Abwesenheiten zu vermeiden.

Nicht zuletzt um dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, rate ich dennoch jedem Unternehmen, auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzugehen. Egal ob 4-Tage-Woche oder komplett flexible Arbeitszeiten wie bei Mashup Communications: Wichtig ist, dass auch wirklich gelebt wird, womit geworben wird.

Zwischen Selbstinszenierung und Selbstbestimmung: Das Dilemma der 4-Tage-Woche

Denn nicht überall, wo 4-Tage-Woche draufsteht, ist auch 4-Tage-Woche drin. So führte Wedel als eine der ersten Städte das zunächst verlockend klingende Arbeitszeitmodell ein. Beschäftigte der Stadtverwaltung können ihre Stunden nun auf vier statt auf fünf Tage verteilen. Das heißt aber: An den einzelnen Arbeitstagen muss länger gearbeitet werden. Der Lohn bleibt gleich. Mit Selbstbestimmung und Flexibilität hat das wenig zu tun.

Ein Positivbeispiel aus der PR-Welt sind hingegen unsere Kolleginnen und Kollegen von Wake up Communications, mit denen wir uns gemeinsam in unserem Netzwerk Fairgency für gerechte Arbeitsbedingungen einsetzen. Bereits Anfang 2022 haben sie die 4-Tage-Woche eingeführt. In Hochphasen von Projekten wird dies zwar gegebenenfalls auf einen kurzen Freitag als Arbeitstag erhöht. Wichtig ist dabei jedoch die klare Kommunikation darüber an die Mitarbeiter.

Selbst wenn alle Hürden gemeistert sind und ein Konzern neue Benefits etabliert, ist das noch kein Garant fürs Gelingen. So verkündete Lidl noch vor einem Jahr die Einführung der 4-Tage Woche in Österreich. Positives Employer Branding und eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität versprach sich der Konzern davon. Las man das Kleingedruckte, wurde jedoch schnell klar, dass dieses Modell nur für ausgewählte Büromitarbeiter galt und nicht für Filialangestellte. Nach nur sechs Monaten Testzeit folgte die Nachricht, dass Lidl das Angebot wieder beendet, da es „nicht angenommen wurde“. Ein Anreiz, der sich für Lidl und sein Team also doch nicht gelohnt hat? 

Innovation oder Illusion? Das Für und Wider von New Work

Bei allen schönen Versprechen gilt bei New Work doch das gleiche wie für jede innovative Neuerung: Mit den zahlreichen Vorteilen kommen auch einige Herausforderungen.

Natürlich ist die Arbeit im Homeoffice oder aus dem Mini-Van komfortabel und spart Zeit. Doch erfordert sie auch ein hohes Maß an Selbstorganisation, Struktur und Disziplin. Das Verschwimmen von Job und Privatleben kann zu Überlastung, schlimmstenfalls einem Burn-out führen. Eine weitere Herausforderung ist, dass Kunden eventuell Schwierigkeiten haben könnten, mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten der PR-Teams umzugehen. Schließlich ist die Erreichbarkeit in der PR-Branche ein hohes Gut und muss auch bei flexiblen Arbeitszeiten unbedingt sichergestellt sein.

Gemeinsam stark: So schaffen Unternehmen passende Benefits für alle Mitarbeitenden

Für ein erfolgreiches New Work, bei dem alle Angestellten tatsächlich individuelle Mehrwerte erhalten und die Zufriedenheit der PR-Kunden dennoch garantiert ist, kommt es auf drei wesentliche Punkte an.

  1. Die Kommunikation und Transparenz sind das A und O eines erfolgreichen Team-Miteinanders. Es braucht klar definierte Maßnahmen, um alle Kolleginnen und Kollegen an Bord zu holen und mit vereinten Kräften in die gleiche Richtung zu ziehen. Denn nichts ist schlimmer, als aus der Zeitung von anstehenden New-Work-Maßnahmen im eigenen Unternehmen zu erfahren. Oder in bunten Marketingkampagnen einen Zerrspiegel der angeblichen Work-Life-Balance vorgehalten zu bekommen: „Die Realität stimmt nicht mit dem überein, was öffentlich und intern beworben wird“, fassten es frustrierte Lidl-Mitarbeitende auf kununu zusammen.
  2. Fairness ist ein ebenso wichtiger Faktor. Denn wie das Beispiel von Lidl zeigt, laufen Unternehmen andernfalls Gefahr, die Lage eher zu verschlimmern als zu verbessern. Unzufriedenheit und das Gefühl von Ungerechtigkeit kommen auf, wenn angepriesene Benefits nur Einzelnen zugutekommen. In solchen Fällen ist es ratsam, alternative Zuwendungen für die anderen Mitarbeiter einzuführen und dies auch so zu kommunizieren – so fühlen auch sie sich wertgeschätzt.
  3. Womit wir bei der nächsten Voraussetzung für Unternehmen angekommen wären: Flexibilität. Je bedürfnisorientierter sich Organisationen heutzutage aufstellen, desto schneller wird deutlich, dass die Wünsche der Angestellten so vielseitig und unterschiedlich sind wie sie selbst. Aus diesem Grund kommen immer mehr Firmen zu dem Schluss, dass nicht zwangsläufig verschiedene Arbeitsmodelle eingeführt werden müssen. Viel wichtiger ist ein Betriebsklima, das Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung, Vertrauen und Flexibilität ermöglicht. Je stärker diese Werte in einer Organisation verankert sind, desto wertvoller und passender sind am Ende automatisch auch die Lösungen, die Mitarbeitende für sich in Anspruch nehmen. Schließlich sind Maßnahmen, die das Team für sich selbst definiert und gestaltet, wesentlich zielführender und authentischer als die von oben übergestülpten Benefits, die im Zweifelsfall nur zum Lebensentwurf einiger weniger passen.

Beyond Buzzwords: So wird aus Headlines glaubhafte Unternehmenskommunikation

Wenn also New-Work-Benefits eingeführt werden, muss das Team merken, dass die Maßnahmen ernst gemeint sind und wirklich in Anspruch genommen werden dürfen. Denn letztlich gilt: Wenn die Maßnahmen nicht authentisch präsentiert und die Motivation dahinter deutlich gemacht wird, werden sie auch keine Akzeptanz erfahren. Bei toxischer Unternehmenskultur bringen auch die besten Benefits nichts und die erwünschten Ergebnisse bleiben aus. Daher steht und fällt alles mit der internen Kommunikation und Umsetzung, die wesentlich länger währt als eine „catchy“ Headline in den Medien. Denn wenn die Organisation beim genauen Hinsehen nicht hält, was sie verspricht, verliert sie schnell an Glaubwürdigkeit, was schlussendlich weder aufs Employer Branding noch auf die Marke als solche einzahlt. Bei New-Work-Washing verhält es sich also genauso wie schon bei Green-, Pink- und Bluewashing: Fliegt der Schwindel auf, fällt es dem Unternehmen auf die Füße – negative Headlines garantiert.

Über die Autorin: Nora Feist (Foto) ist gemeinsam mit Miriam Rupp Geschäftsführerin von Mashup Communications, der Berliner Agentur für PR und Brand Storytelling. Als HR-Verantwortliche konzentriert sie sich auf Employer Branding und sorgt in der Agentur dafür, dass arbeitstechnisch zusammenkommt, was zusammenpasst. Daneben plant und koordiniert die Kommunikationsexpertin Vorträge sowie unternehmensinterne Workshops, in denen sie und ihr Team Insights und Inspirationen rund um Markengeschichten auch auf Konferenzen, Panels und Branchentreffen teilen.

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