Autoren-Beiträge Corporate Compliance und die mögliche Rolle der PR

Was zur Zeit der Klimaschutz für die Politik, ist die Corporate Compliance als Standard guter Unternehmensführung im Mittelpunkt des Corporate Governance-Kodex geworden. Im Rahmen der Fortschreibung des Corporate Governance-Kodex wurde der neueste Stand der Überprüfung und der Änderungen durch das Bundesministerium der neue Kodex-Text am 20.07.2007 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. In einer persönlichen Bewertung zieht der Rechtsanwalt Jürgen Bürkle, Leiter der Konzernrechtsabteilung und Compliance Officer der Stuttgarter Lebensversicherung eG das erste Fazit:

„Mit der Aufnahme von Compliance als verbindlichen Kodex-Standard, die nach der Rechtsprüfung durch das BMJ erfolgte, sollte die Diskussion über eine entsprechende Rechtspflicht in der börsennotierten AG abgeschlossen sein. Der Vorstand hat dort keine Freiheit zu entscheiden, ob er ein Compliance-System installiert, kann aber darüber bestimmen, wie dieses System individuell ausgestaltet wird. Die Anerkennung der Compliance als Element verantwortungsvoller Unternehmensorganisation trägt der weiter wachsenden Bedeutung dieses Instruments Rechnung und strahlt zudem auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften aus, für die im Hinblick auf die Leitungsverantwortung - abgesehen von den kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen - keine abweichenden Anforderungen gelten. Die Compliance-Vorgaben werden sich überdies unter Berücksichtigung der dort existierenden Besonderheiten ebenfalls auf die Unternehmensorganisation in der GmbH auswirken. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass sich Corporate Compliance mit der Aufnahme in den Deutschen Corporate Governance Kodex als allgemein anerkanntes Mittel der sachgerechten Unternehmensorganisation etabliert hat. (Quelle: Corporate Compliance als Standard guter Unternehmensführung des Deutschen Corporate Governance Kodex, Betriebsberater, BB, Heft 34, 20.08.2007)

Die neue Kodexfassung definiert Compliance in der Erweiterung wie folgt: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinsternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance).“ (Unterstreichung neuer Text) Compliance wird zur Rechtspflicht des Vorstandes in seiner Organisations- und Leitungspflicht, und zwar unternehmensweit als Corporate Compliance in „wesentlichen, rechtlich und wirtschaftlich kritischen Bereichen“ und konzentriert sich z.B. auf Korruptionsprävention, Reputationsschutz, Produktion und kartellrechtliche Probleme. Bei der Implementierung des neuen Gedankengutes kommt dem Chief Corporate Compliance Officer eine entscheidende Rolle zu.

José A. Campos Nave (RA und Niederlassungsleiter Rödl und Partner, Eschborn):
„Es gilt daher, Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Chief Compliance Officers von vornherein innerhalb des Unternehmens zu gewährleisten und darüber hinaus für eine entsprechende Markttransparenz Sorge zu tragen. Nur auf diese Weise läßt sich nicht nur die Werthaltigkeit der Position des Chief Corporate Officers sichern und stärken. Darüber hinaus wird auch einer Entwicklung vorgebeugt, die einigen wenigen Unternehmen zu einem werbewirksamen Auftritt verhilft, der sich bei einem späteren Scheitern des neuen Revisionsorgans wegen erneuter Verstöße und Korruptionsfälle nachteilig auf alle Unternehmen auswirken kann, die im guten Glauben den Chief Corporate Compliance Officer als Teil der Corporate Compliance-Organisation eingeführt haben.

Die bisher detaillierteste Veröffentlichung zu „Kommunikation und Krisenmanagement im Gefüge der Compliance-Organisation“ der Juristen Prof. Dr. Jörg Rodewald und Dr. Ulrike Unger würdigt das Thema umfassend, nicht nur in rechtlicher Sicht. Als Kommunikation bezeichnen sie die Steuerung der Informationsflüsse im Unternehmen. Sie interpretieren Compliance-Strukturen, Informationskultur, Berichtswege und Eskalationsroutinen und die Kommunikation mit dem Aufsichtsrat. Besonders ausführlich wird zum Thema Krisenmanagement Stellung genommen: Maßnahmen vor Eintritt der Krise - Organisatorische Vorkehrungen - Krisenmanagement aus der Sicht des Compliance Officers (Kenntniserlangung - Vorgehen im Krisenfall - Berichterstattung - Abhilfemaßnahmen - Presse - Krisennachbereitung). Bei der Konzentration auf die Krisenkommunikation verlieren die Autoren die allgemeine Bedeutung für das gesamte Unternehmen in ihrem Fazit nicht aus den Augen:

„…Compliance versteht sich in mehrfacher Hinsicht weiter als eine schlichte Rechtmäßigkeitorganisation. Es existiert keine allgemeine für alle Unternehmen gleich umzusetzende derartige Standardorganisation. Das einzelne Unternehmen muß mit seinen Spezifikationen und Besonderheiten beachtet werden. Compliance bezeichnet daher eine umfassende, unternehmensspezifische Organisationsstruktur, die Unternehmen in Ermangelung einer gesetzlich festgelegten allgemeinen Unternehmensorganisation einrichten.

Compliance ist nicht als Einhaltung der rechtlichen Mindestanforderungen, sondern als Implementierung eines spezifisch auf das jeweilige Unternehmen angepasste Organisation zur Einhaltung der rechtlichen Anforderungen sowie der internen Standards (etwa aus Gründen der Unternehmenskultur) zu verstehen.

Compliance ist kein rechtliches, sondern ein fach- und abteilungsübergreifendes (Interne Revision, Controlling, Rechtsabteilung, etc.) Thema, das nicht ohne betriebswirtschaftliche Aspekte (etwa des Informationsmanagements) betrachtet werden kann und letztlich auch zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen wird.“
Die Autoren verweisen zudem expressis verbis darauf, das Thema Compliance nicht auf den rechtstechnischen Aspekt zu reduzieren. Fazit: Das Compliance-Feld ist eindeutig ein Teil der Public-Affairs-Bemühungen des Unternehmens. Die Juristen der Organisationen - auch der genannten Autoren - haben erkannt, wie wichtig es ist, eine Zusammenarbeit mit den „bereits gesetzlich geforderten Beauftragten (z.B. Geldwäschebeauftragten, Datenschutzbeauftragten, Arbeitssicherheitsbeauftragten und anderen internen Beratungsfunktionen (vor allem die Rechtsabteilung) sinnvoll in die Compliance-Organisation zu integrieren…“ (Bürkle)

Solange die Compliance-Kooperation klassische PR- und Public-Affairs-Teams nicht in ihre Arbeit integrieren, wird ihre „Aufwandsreduzierung“ und die Nutzung von „Kontroll- und Beratungssynergien“ im Sinne eines Qualitätsmanagement nur eine halbe Sache bei der operativen Arbeit bleiben. Deren Erfolg ist nicht nur von der juristischen Struktur, sondern vor allem vom Erkennen situativer Frühwarnsignale und der professionellen Einleitung und Abwicklung von Kommunikationsprozessen und ihrer Begleitung im Sinne nachhaltiger Corporate Social Responsibility abhängig. Das ist ein klassischer PR-Auftrag. Er hat mit dem noch weit verbreiteten Nichtwissen vieler Juristen über die Unterschiede von PR, Werbung und Marketing zu rechnen. Wir müssen unseren Anspruch deutlich formulieren - und erfüllen.

Lesenswerte Beiträge im „Betiebs-Berater“ zum Thema Compliance mit Bedeutung für das PR-Management: Campos Nave - Chief Corporate Compliance Officer, BB 2007, Heft 31, „Die erste Seite“; Rodewald/Unger - Kommunikation und Krisenmanagement im Gefüge der Corporate-Compliance-Organisation, BB 2007, 1629; Hauschka/Greeve - Compliance in Korruptionsprävention, BB 2007, 165; Rodewald/Unger - Corporate Compliance - organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Haftungsfällen der Geschäftsleitung, BB 2006, 113; Bürkle - Corporate Compliance - Pflicht oder Kür für den Vorstand der AG?, BB 2005, 565.
Wolfgang Reineke, Heidelberg

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