Autoren-Beiträge Sorry?! Fachliche Bedenken über einen Beitrag zu Regeln für Pressearbeit

falkenberg-violaEin Beitrag von Viola Falkenberg, Bremen (Journalistin, Autorin u. a. des Buches „Pressemitteilungen schreiben“ und Leiterin der „Akademie für Pressearbeit - Pressada“)
"Das Verfassen von Pressemitteilungen oder -meldungen ist das Fundament des Journalisten-Handwerks", schreibt Bernhard Kuntz im ersten Absatz seines Beitrages im PR-Journal. Sorry?! Seit wann ist es die Aufgabe der Journalisten Pressemitteilungen zu schreiben? Es soll sogar das fachliche Fundament ihres Handwerks sein? Wie das? Das scheint schon nach den Gesetzen der Logik unmöglich. Der Einstieg ist also recht gewagt. Natürlich muss der Unterschied zwischen Pressearbeit und Journalismus nicht jedem geläufig sein. Aber vielleicht doch denjenigen, die Beiträge unter der Überschrift "Regeln für professionelle Pressemitteilungen" verfassen? Im Netz "versendet" sich zwar viel. So trösten zumindest Hörfunkjournalisten einander über misslungene Formulierungen hinweg. Aber doch nicht alles!

Kuntz behauptet - oder beschreibt er? - dann auch weiter, was so häufig behauptet/beschrieben wird: Es gelte, "den recht starren Aufbau einer Meldung zu beachten". Das klingt logisch, also wird es (ab-?) geschrieben und schon ist es wieder ein Stück wahrer? Nach vielen Details folgt der erlösende, relativierende Satz : "Manchmal weichen Pressemitteilungen von der skizzierten Grundform ab – speziell im Lead. Insbesondere Meldungen, die für Wochen- und Monatszeitschriften verfasst wurden, beginnen oft mit ein, zwei Sätzen, die zunächst die Relevanz oder Aktualität des Themas aufzeigen." Wirklich? Die Relevanz wird nur manchmal zuerst aufgezeigt?!

Um es vorweg zu nehmen: Es wird in der Regel mit dem begonnen, was für die Leser am wichtigsten, also relevantesten ist. Das angebliche „manchmal“ ist also immer dann die Regel, wenn es sich weder um eine Terminankündigung handelt noch um eine Pressemitteilung, die vor allem an Nachrichtenagenturen geht. Und selbst dann gilt es mit der wichtigsten, also der relevantesten W-Frage zu beginnen. Diesen modifizierten Nachrichtenvorspann ziehen selbst Nachrichtenagenturen dem summarischen vor, wann immer es möglich ist. Das lässt sich in Handbüchern über das Schreiben von Agenturmeldungen nachlesen, die auch in der Ausbildung von Agenturjournalisten verwendet werden.

Wo aber wurde festgelegt, dass Pressemitteilungen wie Agenturmeldungen aufgebaut sein sollen? Viel wäre gewonnen, wenn künftig mehr Autoren benennen, dass auch Pressemitteilungen Texte sind, die Interesse wecken und in den Text hineinziehen dürfen und sollen, dass sie also mit einem prägnanten Zitat beginnen dürfen, mit einem relevanten Detail beginnen - oder mit dem Wichtigsten für die Leser.

Denn die Empfehlung, Pressemitteilungen nach den Regeln für Agenturmeldung  zu verfassen - Kuntz ist da beileibe keine Einzelfall - führt zu vielen Problemen: So wird viel Arbeitszeit auf das Verfassen höchst langweiliger Pressemitteilungen verwendet, die nur selten veröffentlicht werden. Das klingt im digitalen Zeitalter, in dem Medien sich rasant wandeln, nicht nur antiquiert. Es ist antiquiert! Und es kippt Wasser auf die Mühlen derjenigen, die vertreten, Pressearbeit sei von vorgestern.

Daran ändert auch nichts, dass im Text noch einiges propagiert wird, was Journalisten und erfahrene Pressearbeiter unschwer als Fehler erkennen (wie die Abkürzung GmbH in der Unterzeile und Pressemitteilungen, die auch Grafiken umfassen dürfen und auch mal drei, vier Seiten lang sein dürfen). Denn der Text wendet sich an Anfänger, die sich informieren wollten und stattdessen zu vermeidbaren Fehler angehalten werden. 

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