Kommentare Political Affairs: Die ungezügelte Freiheit der Desinformation

"Schon wieder Krieg.
Der Kluge hört’s nicht gern."
Johann Wolfgang von Goethe

"Nach dem Wahnsinn (des Caligula) gelangte der Schwachsinn (des Claudius) auf den Kaiserthron“
Deutscher Historiker 1896 in einem deutschen Schulbuch

"Eines Tages wird das ungezügelte Feuer der Freiheit auch die dunkelsten Ecken unserer Welt erreichen“
George W. Bush 2005


Über Kommunikationsvorgänge vor und im Irak-Krieg wissen wir heute, daß uns die Regierung Bush ständig belogen hat. Das weltweite positive oder zumindest respektierte Großmacht-Image der USA und das durchaus positive Image des Cowoboys in der amerikanischen Geschichte gingen dadurch fast bodenlos in den Keller. Der U.S.-Administration gelang dagegen ein ungewollter Relaunch des Toyota Spots "Nichts ist unmöglich“.Wir dürfen auf die Würdigung dieses Ergebnisses bei den Karnevalsumzügen gespannt sein.

Heute schluckt der U.S.-Präsident für seinen angedrohten Europa Besuch sprachlich Kreide und liest vom Teleprompter ab, dass er in seinen markigen Worten in der Vergangenheit zu weit gegangen sei. Die vierjährige Lehrzeit hat dem Azubi in Sachen Weltpolitik gut getan.

Die U.S. Regierungsrepräsentanten begründen ihr Versagen auf der Suche nach Schuldigen am Informationschaos der Vergangenheit mit den falschen Analysen ihrer fünfzehn Nachrichtendienste. In Wirklichkeit ging es aber um eine langfristig geplante Desinformations- und Propaganda-Offensive mit Kopfgeldern, Verleumdungen und Verschleierungen. Mit Informationen und Dialog hatte das nichts mehr zu tun. Es handelte sich um pure Desinformation, gerichtet auf den Rest der Welt und vor allem frei nach der Befehlsausgabe des früheren PR-Chefs des Weißen Hauses. Er antwortete vor Beginn des Krieges auf die Frage eines Journalisten ob die Stimmungslage der amerikanischen Bevölkerung berücksichtigt werde: Der Präsident sei der Oberkommandierende und der Oberkommandierende werde das Volk erziehen…


Die Benennung der Dienste als Schuldige am Informationsschlamassel schwappte natürlich transatlantisch auch nach Deutschland über. Vor allem die CDU-Opposition, an der Spitze ihre U.S. getreue Angela Merkel, bedienten sich der U.S. Sprachdiktion zum innenpolitischen Nachtreten für die verlorene Wahl. Kanzler Schröders "Nein“ zur Entsendung deutscher Soldaten in das Territorium des Irak war bei allen Sprachfehlern und Tarzanschlägen auf die eigene Brust eine für ihn mehrfach erfolgreiche Strategie. Innenpolitisch sicherte er die Wiederwahl und außenpolitisch gewann er für Deutschland im Weltpolitischen Maßstab an der Seite Chiracs an Respekt und Ansehen. Die Beschimpfung "das alte Europa“ wurde zum Ehrentitel.


Unter Kommunikationsgesichtspunkten ist es interessant die Rückruder-Aktionen der Opposition in Sachen Niebelungentreue zu beobachten. Ab Herbst 2004 distanzierten sich die Spitzen der Opposition über den lautstarken U.S. Herold Friedbert Pflüger, den provinziellen Amateur-Atlantiker Rupert Polenz bis hin zum fundamentalistischen Wolfgang Schäuble von ihren früheren Aussagen und Bewertungen weil sie sich unter anderem auf Informationen durch die deutschen Dienste verlassen hätten. Schon Powell, Rice, Rumsfeld und Cheney hatten vor Beginn des Irak-Krieges versucht &dbquo;befreundete Nachrichtendienste“ vor ihren faktenarmen Propagandakarren zu sperren. Folgte jetzt die deutsche Opposition diesem Erfolgsmodell? War etwa der deutsche Kanzler ein staatsmännischer Glückspilz weil der die Analysen des BND überging, auf seinen Bauch hörte und einfach spielerisch eine Münze mit Kopf- oder Zahlangebot hoch warf: War "yes“ – War "no“? Dann allerdings müßte man den Dienst wegen Nutzlosigkeit auflösen, denn die Ausgaben für vier bis sechs tausend überflüssiger Nicht-Informationsbeschaffer und unfähiger Analytiker in Feld und Zentrale wären schlecht angelegt. Viel mehr sollte sich dann die politische Entscheidungsebene der Erkenntnisse zufälliger oder Ad hoc Netzwerke aus Experten, abhängigen und unabhängigen Instituten , wie Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der Adenauer-, Ebert-, Naumann- und Böll-Stiftungen, nicht zu vergessen Jorunalisten wie Scholl-Latour und Christoph Reuter, bedienen, um zu einem entscheidungsstützenden Lagebild zu kommen. Wenn vor allem der BND so arbeiten würde wie es die CDU/CSU Politiker zu ihrem Selbstschutz behaupteten, dann wäre er auf dem Weg zu einer Nicht-Nachrichten-Verwaltungsanstalt, ähnlich einer gewissen Nürnberger Anstalt in Sachen Arbeit, die sich nun Agentur nennt. Daß es so nicht ist, dürfen wir als optimistische Laien, PR-Kommunikatoren und Journalisten begründet annehmen. Den auf mich hilflos wirkenden CDU-Politikern empfehle ich zwei taktische Abläufe für bessere Effektivität und bessere Effizienz ihrer zukünftigen außenpolitischen Aussagen:

AFQI: Annahmen-Fakten-Quellen-Interpretation 
IKEA: Information-Kommunikation-Entscheidung-Aktion

Die ins Visier genommene neue Baustelle der U.S.-Politik läßt uns frösteln. Sprachlos sollten wir als Politikberater und Staatsbürger dadurch nicht werden. Lautstarke Demonstrationen sind allerdings kein wirksames Mittel. Mein Vorschlag: Bleiben wir in Massen zu Hause damit der U.S.-Präsident bei seinem Deutschland-Besuch möglichst unbeachtet durch die Straßen fährt wie schon einmal in Berlin. Nichtbeachtung ist die wirksamste Form professionellen Protestes.

Konrad Janus

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