Rezensionen Reuter: Politische Kommunikation von NGOs

Reuter, Hanna (2008): Politische Kommunikation von NGOs. Strategien gemeinnütziger Interessenvertretung. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 120 Seiten. Preis: 59,00 Euro. ISBN: 978-3-8364-5297-7.
Rezension von Sebastian Wuwer

David gegen Goliath: Oft wird dieses Bild bemüht, wenn sich gemeinnützige Interessenorganisationen gegen die Macht globaler Großkonzerne stellen oder politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen, Dass zumindest einige der weltweit über 25.000 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) längst selbst zu Riesen geworden sind, haben sie nicht zuletzt ihrer hochgradig professionellen Öffentlichkeitsarbeit zu verdanken. Denn wenn „David“ gegen Goliath gewinnen möchte, muss er zugleich im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit und politische Deutungshoheit bestehen. Wie NGOs ihre Ziele über strategische Kommunikation erreichen können, versucht Hanna Reuter in ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu umreißen.

Deskriptiv setzt sich die Autorin mit den Erfolgsfaktoren und den Fallsstricken politischer Kommunikation von Nichtregierungsorganisationen auseinander und bezieht sich dabei auf zahlreiche weitere Werke der akademischen Fachliteratur zum Thema. Damit bietet ihre Arbeit zwar einen guten wissenschaftlichen Einstieg in das Thema, zeigt zahlreiche theoretische Zugänge und ist konzeptionell sinnvoll durchdacht; für PR-Praktiker ist das Resultat jedoch lediglich bedingt von Nutzen, da es keine wirklich neuen Erkenntnisse für eine erfolgreiche politische Kommunikation von NGOs zu bieten hat.

Allzu oft kratzt Reuter mit ihren Beschreibungen lediglich an der Oberfläche der kommunikativen Praxis und deren alltäglichen Herausforderungen – so etwa im Kapitel zu den Strategien der direkten und indirekten politischen Einflussnahme. Wünschenswert wäre in diesem Kontext insbesondere eine explizite Kategorisierung von Nichtregierungsorganisationen nach finanzieller Ausstattung und personellen Ressourcen gewesen, um so die dargestellten Maßnahmen und Instrumente der politischen Einflussnahme nach dem Kriterium tatsächlicher Realisierbarkeit bewerten und einordnen zu können.

Zwar geht Reuter auch auf erfolgversprechende Artikulations- und Interaktionsmöglichkeiten kleiner NGOs im Unterschied zu den Riesen unter den gemeinnützigen Interessenvertretungen ein, allerdings bleibt ihre Darstellung der Kommunikationsstrategien gegenüber Massenmedien und politischen Akteuren aus praktischer Perspektive häufig zu undifferenziert und schematisch. Vor diesem Hintergrund sticht zumindest das im vorletzten Kapitel präsentierte Fallbeispiel zum internationalen Zusammenschluss von NGOs gegen den Reifenhersteller Continental („Euzkadi“-Fall) positiv heraus. Denn es zeigt praktisch: Wenn sich mehrere Davids zusammenfinden, muss Goliath weiche Knie bekommen.

Fazit: Die Arbeit von Hanna Reuter bildet eine gute Grundlage für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der politischen Kommunikation von Nichtregierungsorganisationen und ist außerdem geeignet, theoriebasiertes Problembewusstsein für die Herausforderungen der strategischen Kommunikation von NGOs zu schaffen. Für PR-Praktiker jedoch hat das Werk kaum einen Nutzwert, da es neue Erkenntnisse zur PR-Praxis vermissen lässt.


Der Rezensent:
Sebastian Wuwer ist Angestellter im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landtags Nordrhein-Westfalen und dort unter anderem in der Print- und Online-Kommunikation sowie als Redenschreiber tätig. Zuvor studierte Wuwer im Bachelor- und Masterstudiengang Politik- und Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, war erster PR-Trainee in der Verwaltung des nordrhein-westfälischen Landesparlaments und konnte sein berufsbegleitendes Studium bei PR Plus im März 2009 als akademisch geprüfter PR-Berater abschließen. Er war außerdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Bundestag sowie als freier Journalist für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) tätig.

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