Rezensionen Bruhn/Esch/Langner: Handbuch Kommunikation

Manfred Bruhn, Franz-Rudolf Esch und Tobias Langner (Hrsg.): "Handbuch Kommunikation. Grundlagen - Innovative Ansätze - Praktische Umsetzungen". Verlag: Gabler Wiesbaden, 1. Auflage, 9. Oktober 2008. 1385 Seiten. Preis: 149,00 Euro. ISBN-13: 978-3834903778.
Rezension von Susanne Hartmann, PR-Beraterin und Wirtschaftsjournalistin (www.hartmann-pr.de), Absolventin von PR Plus (www.prplus.de) 10/2009.

Marketing-Fundgrube
Mit gut 2, 5 Kilo Gewicht und rund 1.400 Seiten beweist Manfred Bruhn schon rein äußerlich, dass Kommunikation ein schweres Geschäft ist. Der renommierte Marketing-Spezialist hat mit einer ganzen Riege von meist betriebswirtschaftlich geprägten Autoren ein Werk herausgebracht, das „in einzigartiger Breite und Tiefe, Erfolgsfaktoren der Konzeption, Realisation und Kontrolle von Kommunikationsmaßnahmen in allen bedeutenden Instrumenten und Branchen sowie die zentralen organisatorischen und rechtlichen Aspekte der Kommunikation“ darlegen will. Studierende, Wissenschaftler und Praktiker sollen gleichermaßen von diesem Wissens-Fundus profitieren. Die Notwendigkeit, sich mit Kommunikation zu befassen, sieht Bruhn in der rückläufigen Kommunikationseffizienz und –effektivität, andererseits können Wettbewerbserfolge nur durch Kommunikation generiert werden.

Als Vorreiter in der Entwicklung und Konzeptionierung einer integrierten Unternehmenskommunikation hat sich Bruhn längst einen Namen gemacht. Um dieses zentrale Thema kreist auch das vorliegende Buch: Nachdem Grundlagen der Kommunikation und Ansätze für ein systematisches Kommunikationsmanagement umrissen werden, widmen sich die Autoren den Kommunikations-Instrumenten, der strategischen Ausrichtung, der operativen Planung sowie erschöpfend weiteren Themen wie Controlling, Budgetierung und auch rechtlichen Aspekten.

Professionalisierung gefordert
Spätestens bei der Betrachtung der Einführung wird allerdings klar, dass der sehr allgemein gehaltene und fast schon bewusst generalisierende Titel „Kommunikation“ für dieses Handbuch doch ein wenig weit formuliert ist. So befasst sich dieses Werk sehr verdienstvoll mit der Kundenkommunikation von Unternehmen – also einem Bereich des Marketings. Das erklärte Ziel Bruhns, eine Professionalitätssteigerung im Bereich der werblichen Kommunikation, rückt durch dieses Nachschlage- und Inspirationswerk sicher ein Stück näher.

Bei dem herrschenden Definitions-Wirrwarr rund um den Begriff Kommunikation wäre eine Abklärung aus einer Meta-Perspektive hilfreich gewesen, der alleinige Blick aus der Marketing-Brille verkürzt und vereinfacht das komplexe Thema. Inhaltlich bietet das Buch viel Bekanntes und neue Ansätze, was sich mit den neuesten Literaturhinweisen und prägnant zusammengefasst trefflich als Praxiswissen-Reservoir eignet.

Brüche entstehen allerdings aus der erwähnten Perspektive, die auch nur zum geringen Teil die Berufswirklichkeit von Spezialisten für Unternehmenskommunikation abbildet, sondern eher diejenige der Marketing-Abteilungen – oder am ehesten die von Studierenden - trifft. Dass diese Widersprüche in einer umfassenden, integrierten Unternehmenskommunikation aufgelöst werden sollen, ist die bekannte Doktrin Bruhns, allerdings zeigt sich auch in diesem Werk, dass bei einer allzu einseitigen Sicht wichtige Aspekte – trotz der Fülle an Themen – unter den Tisch fallen.

PR als kommunikationspolitisches Instrument
Aus PR-Perspektive wird das Debakel schon bei der Betrachtung der Gliederung deutlich: Public Relations werden von Bruhn als eines von vielen kommunikationspolitischen Instrumenten behandelt, hinter der klassischen Mediawerbung, die für Bruhn immer noch das zentrale Instrument ist, und vor Below-the-line-Kommunikation und Direktmarketing. Die Aufgaben: Dialog und Darstellung. Mit Ulrike Röttger haben die Herausgeber eine kenntnisreiche Vertreterin des Faches für den PR-Artikel verpflichten können. Man merkt ihrem Aufsatz den Spagat an: Statt Pressearbeit und Imagewerbung praxisnah zu erläutern, was zweifelsfrei in das Marketing-Mix-Konzept gepasst hätte und nun im gesamten Buch fehlt, erläutert sie die unterschiedlichen Kommunikationsbegriffe und Verständigungsschwierigkeiten zwischen Betriebswirtschaft und Kommunikationswissenschaft. In Anlehnung an Merten begreift Röttger PR als Management von Kommunikation durch Kommunikation und betont die zentrale Bedeutung der PR als Organisationsfunktion für die Binnen- und Außenperspektive von Unternehmen.

Als „enabling function“ sorgt PR für die Legitimation von Organisationen – beispielsweise durch Lobbying, Agenda Setting und Issues Management. Ihrer Ansicht nach wird das Verständnis von Public Relations als Hilfsfunktion des Marketings den komplexen Anforderungen nicht gerecht. In einem eleganten Schlenker beleuchtet Röttger das Berufsbild und den Wandel aller Medienberufe im momentanen Prozess der Entgrenzung und Ökonomisierung des Mediensystems. So bietet dieser Artikel – versteckt als Marketing-Instrument – eine Begriffsdiskussion, die dem Buch als Ganzes konzeptionell gut getan hätte. Wie wenig sich PR als Marketing-Instrument eignet, zeigt diese bewusste Sperrigkeit inmitten der praxisnahen und systematischen Bearbeitungen der eigentlichen Instrumente. Tiefgreifendere Analysen von Kommunikationsprozessen, wie Reflexivität, sucht man in den über das Buch verstreuten Analysen vergeblich – hier herrscht eine zweck- und nutzenorientierte, meist eindimensionale Perspektive auf die Pole Botschaft-Medium-Empfänger vor.

State of the art im Marketing
Die zahlreichen Artikel, die sich mit gängigen und auch weniger bekannten Marketingkonzepten wie zum Beispiel „Word-of-Mouth“ befassen, sind durch die Bank auf neuestem Stand, praxisnah und klar geschildert und mit zahlreichen Literaturhinweisen versehen – perfekte Einstiegshilfen oder Erinnerungsstützen für alle, die sich mit Marketing professionell auseinandersetzen. Lücken gibt es bei allen Themen, die sich rund um den Bereich „Sprache“ gruppieren: Im Kapitel Corporate Design fehlt die Auseinandersetzung mit Unternehmenssprache, Pressearbeit (obwohl gerade im Bereich Produkt-PR auch ein wichtiger Bestandteil von Marketing-Strategien) wird lediglich erwähnt und auch das Kapitel „Verbale Reize in der Kommunikation“ bleibt beim wichtigen Thema „Text“ an der Oberfläche. Wie im ganzen Buch liegt der Fokus auch hier eindeutig auf Print- oder Spotwerbung, ganz im Sinne klassischer Marketing-Konzepte.

Sehr interessant und – gerade auch für PR-Fachleute – mit direktem Nutzen verbunden sind die ausführlichen Darstellungen der Themen Controlling und Evaluation. Hier zeigt sich der riesige Erfahrungsschatz der Autoren am eindrucksvollsten, dies und die ausgesprochen umfassende und ausführliche Zusammenfassung der heutigen Marketing-Kommunikation spricht eindeutig für das gewichtige Werk. Also eine klare Kaufempfehlung für alle, die sich professionell mit Kommunikation beschäftigen: Auch und gerade weil die Reibungspunkte zwischen den Disziplinen klar zum Ausdruck kommen. Wenn das Buch dann noch in der nächsten Ausgabe Handbuch Marketing-Kommunikation hieße, wäre es fast perfekt.

Die Rezensentin
Die Kölner PR-Beraterin und Wirtschaftsjournalistin Dr. Susanne Hartmann hat sich auf integrierte Kommunikation für mittelständische Unternehmen spezialisiert. Sie betreut die externe Kommunikation der Soennecken eG und anderer Unternehmen und Wirtschaftsinstitutionen. Die zertifizierte PR-Spezialistin legt bei ihrer Arbeit besonderen Wert auf die praxisnahe Verbindung von PR-, Marketing und publizistischen Themen. Ihre langjährige Erfahrung als Texterin, Autorin und Journalistin sowie als Hochschuldozentin setzt sie bei mittelständischen Unternehmen im Sinne von kreativen und praxistauglichen Kommunikationsstrategien um. (
www.hartmann-pr.de)

Seitennavigation