Branche „Brückenschlag“ für Journalisten: Darf es auch ein bisschen PR sein?
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- von Volker Thoms
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat einen Kongress veranstaltet. „Brückenschlag – Kommunikation in unruhigen Zeiten“ lautete der Titel des Events in Berlin. Thema: PR in ihren verschiedenen Facetten. „Längst ist die PR ein attraktives Arbeitsfeld für Journalisten geworden, das stärker in den Fokus gerückt werden sollte“, heißt es auf der Kongress-Webseite. Anders ausgedrückt: Darf es für Journalisten auch ein bisschen PR sein?
Dass Journalisten die Seite wechseln, ist nichts Neues. Dass die Zahl sich erhöhen wird und vor allem freie Journalisten künftig PR-Aufträge annehmen müssen, um finanziell über die Runden zu kommen, liegt nahe. Trotz einer nach wie vor guten wirtschaftlichen Situation in Deutschland waren die Nachrichten aus der Medienbranche in den vergangenen Monaten desaströs. DuMont, Funke, „Handelsblatt“, „Reuters“, „Huffington Post“, „Welt“ – der große Sparzwang; Stellenabbau.
Mit Wechselgedanken dürften sich nicht nur die von Entlassungen betroffenen Journalisten herumschlagen, sondern auch diejenigen, denen die Anstellung bei einem Medium zu unsicher geworden ist. Oder zu trist. Das Arbeitsumfeld empfindet mancher als nervig. Newsrooms-Jobs plus das Produzieren von Nachrichten in hoher Frequenz und im Schichtdienst sind stressig. Es bietet sich kaum noch kreativer Freiraum. Eigene Geschichten oder längere Recherchen, Vor-Ort-Termine, Interviews, Pressekonferenzen und Dienstreisen – all das findet sich im Arbeitsalltag von Journalisten immer seltener wieder. Ein lukratives Abfindungsangebot – und tschüss!
Frank Überall (Foto: Florian Büh für DJV), Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, weiß natürlich, dass die Grenzen zwischen Journalismus und PR nicht mehr so scharf verlaufen wie zu besseren Medienzeiten. „Ich habe Verständnis dafür, dass Kollegen, die unter finanziellem Druck stehen, auch PR-Aufträge annehmen“, sagte Überall in seiner Eröffnungsansprache den etwa 160 Teilnehmern. Er versuchte gar nicht erst, ein künstliches Spannungsverhältnis zwischen Medien und PR zu konstruieren. „Wir stützen uns auf das gleiche Handwerk und das gleiche Berufsethos“, erklärte er. „Wir brauchen auf beiden Seiten Profis.“ Enttäuscht zeigte sich Überall über die „Geschwindigkeit und Phantasielosigkeit“, mit der Verlage sparen und Stellen abbauen würden.
Seitenwechsel als reale Option
Für die Keynote hatte sich der DJV einen „Seitenwechsler“ eingeladen: Robert von Heusinger, Head of Communications and Public Affairs bei der Großbank HSBC in Deutschland. Er arbeitete vorher unter anderem als Chefredakteur bei der DuMont Redaktionsgemeinschaft – war verantwortlich für heute kriselnde Medien wie "Berliner Zeitung" und "Frankfurter Rundschau".
Von Heusinger (Foto: Florian Büh für DJV) versuchte sich in einer Art Dreiklang: Zu erklären, warum der Journalistenberuf weiterhin spannend ist. Beispiele zu geben, was ein PR- oder Pressesprecher-Job in einem Konzern erfordert, und Tipps zu geben, was Journalisten beachten sollten, wenn sie denn in die PR wechseln wollen. Seine Kernbotschaft an alle Wechselwilligen: „Wenn Sie sich nicht mit einem Unternehmen identifizieren können, wird das nichts!“
Heißt konkret, wer in Autos nur Dreckschleudern sieht, sollte keine PR für Autos machen. Wer Energiekonzerne für unmoralisch hält, dürfte bei diesen ebenso falsch sein wie ein Bienenliebhaber bei einem Agrarchemieunternehmen. „Bleiben Sie authentisch“, rät von Heusinger. „Kann ich mit meiner Einstellung für dieses Produkt sprechen?“ Das sollte man sich im Vorfeld fragen. „Ein guter Journalist kann auch Pressesprecher“, lautete von Heusingers ermunternde Conclusio.
Eine gewisse Leidensfähigkeit und diplomatisches Geschick in Unternehmen hält er für notwendig, um im Unternehmen Erfolg zu haben. Zehn oder mehr Aufschläge bei einer Pressemitteilung – eher die Regel als die Ausnahme. Doch wesentliche Fähigkeiten und Anforderungen in PR und Journalismus seien ähnlich: Die Notwendigkeit, den Zeitgeist und relevante Themen zu kennen, Texte komprimieren zu können, kreativ zu sein sowie kritische Fragetechniken zu beherrschen. Unternehmen scheinen all das vorrangig Journalisten zu attestieren: Mit Oliver Schumacher (Deutsche Bahn), Jörg Eigendorf (Deutsche Bank), Steffen Seibert (Regierungssprecher) und Jörg Howe (Daimler) haben ehemalige Journalisten bekanntlich die exponiertesten PR-Jobs des Landes inne.
Der Klassiker: Content Marketing
Ein weiteres Thema: Content Marketing – das Betätigungsfeld in der PR, das mit seinen redaktionell anmutenden Produkten Journalismus am nächsten kommt. Es diskutierten Christiane Wolff, vorher bei Serviceplan und jetzt selbstständig mit dem Handwerksdienstleister Crafty, Katrin Voges, Leiterin Digitale Medien bei Tempus Corporate aus dem „Zeit“-Verlag, sowie Dirk Benninghoff, Chefredakteur von fischerAppelt. Dieser bestätigte seinen schon einmal in einer „Xing“-Kolumne dargelegten Eindruck, dass es Anfang dieses Jahres ein erhöhtes Interesse von Journalisten an einer Anstellung in seiner Agentur gegeben habe. „Ein schlechtes Zeichen, wenn das geballt kommt“, so Benninghoff.
Für die zuhörenden Journalisten hatte er warme Worte mitgebracht: „Die Textqualität von gelernten Redakteuren ist hoch – auch ihre Belastbarkeit, Schnelligkeit und Taktung.“ Journalisten besäßen die im Content Marketing wichtige Fähigkeit, „Unternehmensgeschichten mit dem zu verknüpfen, was in der Welt draußen passiert.“ Den Umgang mit Kunden müssten einige noch lernen und „damit klarkommen, dass Kunden viel größere Eingriffe in Texten vornehmen als Journalisten es gewohnt sind.“ Benninghoff war vor etwa drei Jahren von „Bild“ zu fischerAppelt gewechselt. #kommindieagentur?
Wie Agenturen haben auch Verlage wie der „Zeit“-Verlag Content Marketing als Einnahmequelle entdeckt. Für sie ist dieses Geschäftsmodell heikel. Verlage umgibt der Verdacht, man könne kaum objektiv-kritisch über Unternehmen im redaktionellen Teil berichten, wenn man gleichzeitig Geld mit deren Publishing-Produkten verdiene – ein unsinniges Argument, weil Verlage seit jeher über Anzeigen der Unternehmen Einnahmen generieren. Voges war sichtlich bemüht, darauf hinzuweisen, wie sehr die „Zeit“ darauf achte, Journalismus und Content Marketing zu trennen. Journalisten, die im Auftrag von Kunden geschrieben hätten, seien für redaktionelle Artikel über dieses Thema für eine gewisse Zeit gesperrt, sagte sie.
Weiterhin hartnäckig hält sich offenbar die Überzeugung, dass Content Marketing dazu beitrage, den Journalismus zu zerstören. „Handelsblatt“-Medienkorrespondent Hans-Peter Siebenhaar verfolgt diese These an vorderster Front. Ende vergangenen Jahres hatte er nachgelegt, als er schrieb, Content Marketing liefere „Munition für den populistischen Kampf gegen die Medien“. Übersetzt: Weil Bahnfahrer im Zug kostenlos die „DB Mobil“ der Deutschen Bahn erhalten und vorher die „Schrot & Korn“ im Bioladen mitnehmen, würden sie nicht mehr den „Spiegel“ kaufen. Oder weil Verkehrsminister Andreas Scheuer im Neuigkeitenzimmer seines Ministeriums Videointerviews produziert, würden Menschen nicht mehr „Heute Journal“ und „Tagesthemen“ schauen. Nicht jeder dürfte das für ein realistisches Szenario halten.
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