Branche Kanzlerin Merkel macht die beste Öffentlichkeitsarbeit

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht nach Einschätzung der Mitglieder des Deutschen Bundestages die beste Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aller Politiker in Deutschland. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von 119 Bundestagsabgeordneten aller Parteien zur politischen Kommunikation, durchgeführt von Lothar Rolke und Volker Metz (beide Fachhochschule Mainz). Von allen CDU/CSU-Abgeordneten sehen 80 Prozent Merkel vorn, von den anderen Parteien immerhin noch 44 Prozent. Der Zweitplatzierte Matthias Platzeck erhielt von den SPD-Abgeordneten 67 Prozent und von den anderen Parteien nur 22 Prozent der Stimmen. Für Rolke, der in Mainz Kommunikationsmanagement lehrt, ist das Ergebnis ein deutlicher Hinweis auf die große mediale Lernfähigkeit Merkels: „Während sich ihr Vorgänger Gerhard Schröder zu Beginn seiner Kanzlerschaft mit unverkennbarem Stolz zum Medienkanzler ausrufen ließ, hat Merkel diese Rolle stillschweigend wie selbstverständlich übernommen und füllt sie mir großem Geschick aus.“

Gesellschaftliche Probleme sind Anlässe zur Profilierung. Professionelle Politik ist heute laut Studie vor allem professionelle Kommunikation. Dafür verwenden die Bundestagsabgeordneten fast 60 Prozent ihrer Zeit – insbesondere für „Persönliche Gespräche“, „Sitzungen“ „Telefonate“ und dem Halten von „Reden“. Das wichtigste Ziel ist nach Auskunft der Politiker das „Gewinnen von Vertrauen“ – deutlich wichtiger als etwa die „Vermittlung von Kompetenz“. Dabei kommt es den Abgeordneten mehr auf die „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“ an als auf die „Darstellung der eigenen Leistung“, stellen Rolke und Metz in ihrer Studie fest. „Aus der Perspektive der Politik sind öffentliche Problemstellungen vor allem Anlässe zur Selbstprofilierung, und viel weniger Aufgaben, die gelöst werden müssen“, erklärt Rolke das vorherrschende Selbstverständnis der Politiker in der Mediengesellschaft.

Öffentlichkeitsarbeit besteht für den Abgeordneten vor allem in „Einzelaktionen“, die 88 Prozent der PR-Aktivitäten ausmachen. Mit 12 Prozent kommen die eher längerfristig angelegten Kampagnen äußerst selten vor. Um Medienaufmerksamkeit zu erzielen, nutzt der Abgeordnete „aktuelle Themen“ und „konkrete Ereignisse“. „Öffentliche Konflikte“ rangieren auf einer Liste möglicher Anlässe wider Erwarten erst an dritter Stelle. Dass die Kommunikation mit Wählern und Mediennutzern häufig misslinge, sei den Abgeordneten durchaus bewusst, so Rolke. Gefragt nach den Ursachen würden die Politiker zusammengefasst wie folgt antworten: Die Sache selbst sei häufig zu komplex, die Medien würden zu viele Störgeräusche produzieren und die Bürger würden sich nicht richtig verstanden fühlen. Rolke bemerkt dazu kritisch: „Durch die aktionsgetriebene Kommunikation von Statements, Pressemitteilungen und Interviews, erzeugt die Politik selbst erst jenes Grundrauschen in den Medien, das sie hinterher als Störung wahrnimmt.“ Politik müsse sich ähnlich wie bei Werbe- und PR-Kampagnen in der Wirtschaft viel stärker fokussieren, um hinreichend wahrgenommen zu werden.

Das Internet gewinnt auch im politischen Raum immer stärker an Bedeutung. Hier sehen die Abgeordneten das größte Zukunfts-potenzial für die Kommunikation mit den Wählern. Bereits 98 Prozent der Mandatsträger verfügen über eine eigene Homepage und 90 Prozent aktualisieren ihr Angebot wöchentlich oder gar täglich. Aber noch spielt in der medialen Kommunikation die Pressearbeit die herausragende Rolle. Im Durchschnitt pflegt der so genannte einfache Abgeordnete Kontakte zu acht wichtigen Journalisten, denen er pro Monat ein Interview gibt. Allerdings wird die Beziehung zwischen Politik und Medien mit der Zeit immer enger. Nach Rolke greift hier die Vernetzungsregel: „Je länger ein Abgeordneter im Bundestag ist, desto mehr und intensivere Kontakte hat er zu den Journalisten.“ Im Übrigen meinen die Bundestagsabgeordneten, dass zwei Drittel der politischen Berichterstattung auf ihre Initiative zurückgehe. Das entspricht der Einschätzung der Wirtschaft, die ebenfalls davon ausgeht, dass sie selber das überwiegende Presseecho initiiere.

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