Branche Trugbild Wirtschaft – Studie von A&B Framework zur Wahrnehmung der Wirtschaft in der Krise erschienen

Die Bürger zweifeln immer stärker an den Grundlagen des Wirtschaftssystems. Dieses erscheint ihnen zunehmend als virtuelles 'Trugbild', in dem Realität, Täuschung und Selbsttäuschung kaum noch auseinander zu halten sind. Kern der Krise ist nicht die oft zitierte Gier der Bankmanager, sondern der völlige und anhaltende Kontrollverlust aller Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Dies ist das Ergebnis einer psychologischen Langzeitstudie des Berliner Marktforschungsinstituts A&B Framework zur Wahrnehmung der Finanzkrise. 

Die Folgen sind unübersehbar: Die Menschen wenden sich vom öffentlichen Diskurs ab und konzentrieren sich auf ihre persönlichen Netzwerke, um dort selbst konkret etwas zu unternehmen und persönliche Strategien der Krisenbewältigung zu entwickeln. Die daraus resultierende Schatten- und Netzwerkwirtschaft setzt zunehmend Benchmarks für Reputation und Vertrauen. Unternehmen können dem Generalverdacht eines 'virtuellen Geschäftsmodells' entgegen wirken, wenn sie die Verbindung von Produkt und Produzent wieder stärker betonen und damit einem eskalierenden Entfremdungsprozess entgegen wirken. Einige Ergebnisse der Studie:

Ursache der Krise: Lang anhaltende Fehlentwicklungen
Aus Sicht der Menschen gilt die Krise nicht mehr als temporäre Störung eines sonst funktionstüchtigen Wirtschaftssystems, sondern zunehmend als unvermeidliche Folge lang anhaltender Fehlentwicklungen. Durch einen Blick zurück suchen sie nach tieferen Ursachen. In den psychologischen Tiefeninterviews wurde deutlich, dass das 'Bild der Wirtschaft' im Verlauf der letzten Jahrzehnte gravierende Metamorphosen durchlaufen hat, die für das Entstehen eines ‚Trugbildes der Wirtschaft’ entscheidend sind.

1. Phase: 'Überschaubare Blöcke' (bis 1989)
Vor dem Mauerfall 1989 bestimmte das Grundmotiv der 'Spaltung' den Alltag. Ost und West, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, erste und dritte Welt: Abgrenzbare Blöcke machten den Alltag übersichtlich und handhabbar. Das Verhältnis von Bürgern, Politik und Wirtschaft war durch einen stabilen, aber starren Rahmen gesetzlicher Vereinbarungen bestimmt. Im Rahmen der entwickelten Konsumgesellschaft erstreckte sich das Motiv der Spaltung dann zunehmend auch auf das Verhältnis von Produkt und Produzent. Für den Verbraucher wurde es gleichgültig, welches Unternehmen hinter welchem Produkt steht. Von dieser Entwicklung profitierten Konsumenten und Wirtschaft: Sie ermöglichte einerseits hedonistischen Konsum-Überfluss und andererseits größere unternehmerische Freiheiten.

2. Phase: 'Naturhafter Ökonomismus' (1989 – 2008)
Der Mauerfall 1989 markiert im Bewusstsein der Deutschen den Urknall einer grenzenlosen wirtschaftlichen Expansion. Durch die fortschreitende Globalisierung entstand jedoch bald der Eindruck, dass viele Unternehmen gesellschaftlich bindungslos, unkontrolliert und undurchschaubar einzig ihre egoistischen Interessen vertraten – weltweit und an wechselnden Standorten. Es begann ein Entfremdungsprozess zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die neue Ordnung einer 'globalen Gier' erschien als 'naturhafter Ökonomismus' alternativlos: 'Die Wirtschaft' erschien zwar als kein liebenswertes, aber doch festes und dauerhaftes Konstrukt.

3. Phase: 'Wirtschaft als Trugbild' (seit 2008)
Seit der Pleite der Lehman-Bank ist der schleichende Entfremdungsprozess zwischen Wirtschaft und Gesellschaft eskaliert. Die Finanzkrise zeigte im Verlauf weniger Monate, wie virtuell und zerbrechlich unsere Lebensgrundlagen eigentlich sind. Durch die unfassbaren Auswirkungen und die offensichtliche Ratlosigkeit der Eliten kollabierte die Gewissheit von Wirtschaft als einer 'natürlichen Ordnung'. Aus der Finanzkrise wurde so eine 'Krise der Virtualität': Wirtschaft wurde zum Trugbild, bei dem belastbare Realitäten, Täuschungen und Wunschdenken kaum mehr auseinander gehalten werden können.

Konsequenz: Abwendung vom öffentlichen Diskurs

Auf diese Zustände regieren die Menschen heute mit einer verstärkten Abwendung von allen politischen Akteuren und einem chaotischen öffentlichen Diskurs, der die eigene Ratlosigkeit und Unsicherheiten eher verstärkt als vermindert. In dieser zunehmend als Belastung empfundenen Situation verlagern sie ihr Tun entschlossen in den Bereich der eigenen sozialen Netzwerke, in denen sie Autonomie, Sicherheit und Stabilität finden – und Möglichkeiten, private Strategien der Krisenprävention zu realisieren: Das Land erlebt einen Boom privat-wirtschaftlicher Aktivitäten. Durch das Wirtschaften im privaten Umfeld haben die Bürger zudem eine sachlich notwendige und ganz praktische Wirtschafts-Ethik entwickelt. Die Einhaltung 'ehrbarer Kaufmannstugenden' ist die Grundlage der Netzwerk-wirtschaft, denn Verbraucherschutz lässt sich hierbei rechtlich nicht einklagen. Die Netzwerkwirtschaft – und nicht die im Generalverdacht der Virtualität stehende 'Realwirtschaft' – setzt deshalb heute die Benchmarks für Glaubwürdigkeit im Geschäftsleben und die Reputation von Unternehmen.

Chancen: Die (neue) Einheit von Produkt und Produzent
Die zunehmende Spaltung von Produkt und Produzent ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem unhinterfragten Standard geworden und bildet bislang die Grundlage wirtschaftlichen Handelns der meisten Unternehmen, die für eine breite Öffentlichkeit fast nur noch mit der Zahlenwelt ihres Geschäftsmodells sichtbar werden. Die Interviews haben gezeigt, dass neues Vertrauen und Reputation als Grundlage einer öffentlichen 'Licence to Operate' entstehen kann, wenn ein Unternehmen wieder zusammen mit seinen Produkten sinnstiftend sichtbar wird – wenn also die bisherige strikte Trennung von Produkt und Produzent wenigstens in Ansätzen überwunden wird. Die Entwicklung entsprechender Strategien ist jedoch nicht für alle Unternehmen ohne Weiteres möglich. Unübersichtliche Portfolios und komplexe Eigentumsverhältnisse stellen die Erarbeitung wirksamer Strategien vor besondere Herausforderungen.

Die vollständige Studie ‚Trugbild Wirtschaft’ kann bei A&B Framework für 150 Euro erworben werden. Ein kostenloses Summary wurde auf  www.a-b-framework.de bereit gestellt. -oj-

Seitennavigation