Medien netzwerk recherche-Tage: Ein Kodex für JournalistInnen?

In den über vierzig Veranstaltungen für über 600 Journalisten des diesjährigen netzwerk-recherche-Treffens am 19. und 20. Mai in Hamburg war natürlich die permanente Diskussion über den Medienkodex, das berühmte Haustier, das durch das Dorf getrieben wurde, diesmal nicht als Spanferkel oder schon zu Koteletts verarbeitet, sondern quietschlebendig und mit der Bespitzelungsarie als Vor- und Nachspeise.

Aus den qualitativ unterschiedlichen Beiträgen der Podiumsdiskutanten konnten die jungen Teilnehmer und "alten Hasen" Hinweise und Fakten zu neuen Entwicklungen mitnehmen, Dabei machte Eva Kohlrusch, die Vorsitzende des Journalistinnenbundes, mit ihren Statements und Fragen zum netzwerk-Medienkodex nicht nur Eindruck, sondern stellte auch den Entwurf für ein JournalistInnen-Leitbild vor:

"JournalistInnen nehmen verschiedene Rollen ein: sie beobachten, berichten, spiegeln wieder, hinterfragen, decken auf, kommentieren, transportieren Meinungen und Problemlösungen, regen Diskussionen an, lenken den Blick auch auf verdeckte Milieus, beleuchten Hintergründe und stellen Zusammenhänge dar. Bei allem nehmen sie mehr und mehr die Rolle des Sortierens und Gewichtens von Kommunikation ein, prägen also Wissen und Verhalten und sind sich dieser Verantwortung bewußt.

Folgende Grundsätze gelten für jede Form und jeden Bereich des Journalismus:

1. JournalistInnen sind der Unabhängigkeit verpflichtet – im Denken, bei der Recherche und der Berichterstattung.
2. JournalistInnen informieren sich umfassend und gehen gewissenhaft mit Informationen um. Sie wahren die Menschen- und Persönlichkeitsrechte, sichern Daten und Zitate sorgfältig ab.
3. JournalistInnen informieren vielschichtig, öffnen gezielt den Blick für Verschiedenheiten, brechen Vorurteile auf, führen Kenntnis und Verständnis herbei, vermeiden Kampagnencharakter und falsche Gewichtungen durch Formen der Dauerwiederholung.
5. JournalistInnen setzen sich nachdrücklich für minderbeachtete Themen und Ereignisse ein und machen deutlich, daß auch Schweigen bzw. Verschweigen durch Nicht-Berichterstattung eine Form der Kommunikation ist, die Wirkung zeitigt.
6. JournalistInnen sind sich der Macht der Sprache bewußt, pflegen ihre Vielschichtigkeit und geben der differenzierten Wahrnehmung unterschiedlicher Gruppen, Lebensweisen und Standpunkten sprachlich Ausdruck.
7. JournalistInnen unterscheiden erkennbar zwischen Fakten, Meinungen und PR.
8. JournalistInnen verpflichten sich zur umgehenden Korrektur bei fehlerhafter Veröffentlichung.
9. JournalistInnen ermöglichen und nutzen Fortbildung zur Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit.
10. JournalistInnen erwarten von den Verantwortlichen in den Medienunternehmen, diese Grundsätze zu teilen und sie weder durch Zeitdruck noch durch technische, ökonomische, politische oder formatbedingte Gründe zu unterlaufen."

Wolfgang Reineke, Heidelberg

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