Unternehmen Große Bandbreite: Zwei Analysen checken CEO-Reden

CEO-Reden bei Hauptversammlungen der DAX-Unternehmen werden Jahr für Jahr kritischen Analysen unterzogen. Bereits seit 2012 gibt es den Verständlichkeits-Index der Universität Hohenheim und seit 2014 das Ranking der überzeugendsten Redner, das vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache, Königswinter, erstellt wird. Beinahe zeitgleich wurden jetzt anhand von unterschiedlichen Kriterien die besten Redner ermittelt.

In beiden Untersuchungen schnitt Telekom-Chef Timotheus Höttges überzeugend ab. (Foto: Telekom)

Hohenheimer Verständlichkeits-Index

Laut der Analyse der Universität Hohenheim hielt erneut Telekom-Chef Timotheus Höttges die verständlichste Rede. Andere punkteten hier in Sachen Authentizität (Björn Gulden, CEO von Adidas), Offenheit (Martin Brudermüller, CEO der BASF SE) oder gar mit Experimentierfreude (Roland Busch, CEO von Siemens).

Insgesamt sind die Reden deutscher CEOs im Hohenheimer Verständlichkeits-Check etwas unverständlicher als im Vorjahr. Der „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“ reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). Professor Frank Brettschneider und sein Team an der Universität Hohenheim in Stuttgart untersuchen seit 2012 mit Hilfe einer Analyse-Software, wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30- bzw. DAX-40-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen.

Demnach hielt Timotheus Höttges (Telekom) mit 19,9 Punkten die formal verständlichste Rede. Auf Platz 2 folgt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, Theodor Weimer, mit 18,8 Punkten. Auf dem dritten Platz befindet sich Rolf Buch: Mit 18,6 Punkten bietet der Vonovia-CEO ebenfalls eine sehr verständliche Rede.

Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeits-Wert von 13,7 Punkten. Das sind 0,6 Punkte weniger als im letzten Jahr (14,3), aber 3,9 Punkte mehr als noch vor elf Jahren (9,8). Fünf Reden haben mehr als 18 Punkte erreicht. Vier Reden liegen unter zehn Punkten. Die meisten „Neulinge“ im Vergleich zu 2022 landen in der oberen Hälfte der Verständlichkeits-Rangfolge.

Der CEO von Rheinmetall, Armin Papperger, ist eine Ausnahme. Er belegt mit 2,2 den letzten Platz. Keine Rede seit 2012 war formal so unverständlich. Das Gleiche gilt für die Rede von Hans Dieter Pötsch, CEO von Porsche SE: Mit 5,3 Punkten war sie nochmals unverständlicher als im letzten Jahr (7,1). Das bedeutet den vorletzten Platz.

Alles in allem stellt Brettschneider das Fazit: „Die meisten Vorstandsvorsitzenden nutzen die Hauptversammlung für Reden, die auch für eine breitere Öffentlichkeit verständlich sind. Viele CEOs bemühen sich, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch Laien den Inhalt der Rede verstehen. Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“.

VRdS-Preis für Wirtschaftsrhetorik

Der Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) verleiht in diesem Jahr erstmalig einen Preis für die beste Hauptversammlungsrede im führenden deutschen Aktienindex DAX 40. Mit dem "VRdS-Preis für Wirtschaftsrhetorik“ prämieren die Redenexperten die besten Redner in insgesamt drei Kategorien: Rhetorik, Auftritt sowie in einer Sonderkategorie, deren Fokus jährlich wechselt und in diesem Jahr dem Thema „Storytelling“ gewidmet war. Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury aus erfahrenen Redenschreiberinnen und Redenschreibern.

Den Preis für die beste Rhetorik erhält Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF SE. Der VRdS begründet dies mit der klug gewobenen Argumentation, mit der es dem Unternehmenslenker gelingt, seine Zuhörerinnen und Zuhörer für die Unternehmensziele zu gewinnen und seine Reputation als entscheidungsfreudiger, risikobereiter und zugleich verantwortungsvoll handelnder CEO zu stärken.

Den besten Auftritt legte in diesem Jahr der frisch gekürte CEO von Adidas Bjørn Gulden hin. „Ihm gelingt ein äußerst sympathischer Redeauftritt, der seine große Verbundenheit mit Adidas glaubwürdig zum Ausdruck bringt und der ihn als Person ebenso erlebbar werden lässt wie als Botschafter der Marke Adidas“, kommentiert Patrick Maloney, Mitglied des Präsidiums und Koordinator der diesjährigen Redenanalyse des VRdS, die Entscheidung. „Mit freiem Vortrag, einer großen Portion Humor und authentischer Lässigkeit spricht Bjørn Gulden nicht nur zur Sache, sondern vor allem zu Menschen und bricht dabei gekonnt mit der Erwartung des Publikums, wonach eine Hauptversammlung eine eher steife Angelegenheit sein müsse.“

Höttges wird gelobt, geht leer aus

Der mehrfache rhetorische Sieger der Redeanalysen der Vorjahre, Telekom-Chef Tim Höttges, hielt auch in diesem Jahr wieder eine erstklassige Rede. Der VRdS entschied sich jedoch, mit der Einführung des „VRdS-Preises für Wirtschaftsrhetorik“, bisherige und künftige Sieger, die mehr als dreimal hintereinander den ersten Platz belegt haben, nur noch außer Konkurrenz zu bewerten, um auf diese Weise auch rhetorische Newcomer und Aufsteiger auszeichnen zu können.

Insgesamt zeigte sich auch dieses Jahr wieder eine hohe Diversität der rhetorischen Leistungen. Dennoch zog VRdS-Präsidenten Peter Sprong ein kritisches Fazit: „Von einer rhetorischen Zeitenwende sind wir aber weit entfernt. Die Reden zur Hauptversammlung sind längst noch nicht das, was sie sein könnten, nämlich echte Jahreshöhepunkte für die Reputationspflege der Unternehmen. Stattdessen prägen offenbar Tradition und juristische Zwänge weiterhin das Veranstaltungsformat. Spürbar strategisch ausgerichtete Kommunikation dominiert gegenüber glaubwürdiger Positionierung und anschaulicher Erzählung.“

Übereinstimmende Ergebnisse beider Auswertungen

Beide Auswertungen kommen mit ihrem unterschiedlichen Instrumentarium zu dem Ergebnis, dass die Sprache klarer wird und Fachchinesisch sowie Bandwurmsätze seltener zu finden als früher. Auch bei den am besten bewerteten CEOs gibt es mit Blick auf Adidas-CEO Bjørn Gulden, BASF-CEO Martin Brudermüller und Telekom-Chef Höttges Übereinstimmung, auch wenn Letzterer aus den angeführten Gründen beim VRdS in diesem Jahr keinen Preis bekommen hat.

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