Autoren-Beiträge Kommunikation gegen Mitgliederfrust und -verlust in Verbänden

von Udo Seidel, geschäftsführender Gesellschafter von muehlhaus & moers kommunikation gmbh (GPRA), Köln

Verbandsspitzen haben es nicht leicht: Mitgliederzahlen sinken in vielen Bereichen. Der Druck aus den eigenen Reihen steigt. Einst war Solidarität das zentrale Motiv für eine Verbandsmitgliedschaft. An ihre Stelle ist oft eine nüchterne Kosten-Nutzen-Betrachtung gerückt. Angesichts gestiegener Erwartungen und höheren Wettbewerbdrucks müssen Verbände mehr denn je ihren Nutzen und Mehrwert für die Mitglieder kommunizieren.

Experten konstatieren eine Amerikanisierung des Verbandswesens: Wie in den Vereinigten Staaten führen auch hier strukturelle Entwicklungen wie Übernahmen und Fusionen bei vielen Verbänden zu rückläufigen Mitgliederzahlen. Die Zahl der Verbände nimmt hingegen nach wie vor zu – und damit auch der interverbandliche Wettbewerb. Bereits heute buhlt eine Vielzahl von Verbänden – von Wirt-schaftsverbänden bis hin zu Umweltschutzorga-nisationen – um dieselben Mitglieder. Auf der Lobbyliste des Deutschen Bundestages sind rund 2.000 Verbände verzeichnet. Über 1.000 Verbandsgeschäftsstellen sind in Berlin präsent. Gleichzeitig gibt es zunehmende Konkurrenz, weil immer mehr Unternehmen bei ihrer Interessenvertretung auch direkt auf Public-Affairs-Spezialisten jenseits der Verbände setzen. Gefährdet die aktuelle Entwicklung die Zukunft der Interessengruppen? „Das Gerede von der Verbandsmüdigkeit und der Verbändekrise ist Quatsch – die Krise der Verbände existiert nicht“, meint dazu Hans-Joachim Mürau, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V.

Die oft zitierte Krise betrifft in der Tat nicht alle Verbände. Es gibt erfolgreiche Beispiele, denen es gelingt, ihre Mitglieder zu binden. Sie wissen, dass gute Leistung allein nicht reicht: In einer Studie des Markt¬forschungsinstituts Forum und der Deutschen Gesellschaft für Qualität werden Kommunikation und Image – vor Finanzkraft, Verbandspolitik und Führungs¬personal – als wichtigste Erfolgsfaktoren für den Verbandserfolg genannt. Sie sorgen dafür, dass sich die Mitglieder engagieren, sie verhindern ein „exit or voice“ – so bezeichnete der Soziologe Albert O. Hirschmann die Reaktionsmöglichkeiten unzufriedener Mitglieder einer Organisation. Die meisten Interessenvertreter sehen auch den Handlungsbedarf in Sachen interne Kommunikation. So gaben Geschäftsführer großer Verbände in einer Umfrage des Verbändereports zu Beginn des Jahres die Optimierung der Mitgliederbindung und
-kommunikation als zentrale Aufgabe für 2007 an.

Zwischen Kompetenzgerangel und Konsensmanagement

Die Mitgliederkommunikation stellt die Akteure allerdings vor besondere Herausforderungen: Häufig kommunizieren in stark organisierten Verbänden die Vertreter einzelner Organisationsstufen aneinander vorbei und geben ein uneinheitliches Bild nach innen und außen ab. Und nicht selten kommt es zwischen hauptamtlicher Geschäftsführung und ehrenamtlicher Präsidentschaft zu Unstimmigkeiten. Es gilt also ständig zu vermitteln, nicht nur unter den Spitzen, sondern auch unter den Mitgliedern, deren Interessen nicht immer homogen sind. Eine weitere Besonder-heit: Die Empfänger der Kommunikation, die Mitglieder, sind Ressourcengeber und Träger zugleich. Sie sind anspruchsvoller geworden und fühlen sich oft nicht ausreichend vertreten.

Diese Verbandsspezifika machen eines deutlich: Es ist gerade in Verbänden extrem wichtig, die interne Kommunikation nicht dem Zufall zu überlassen, weil sie die Grundlage für die Handlungsfähigkeit eines Verbandes bildet.

Folgende Assets sollten bei der internen Verbandskommunikation beachtet werden:

• Ressourcen: Professionelle interne Kommunikation braucht ebenso viele Ressourcen wie die Lobbyarbeit. Sind diese Mittel nicht vorhanden, gilt es, sie zu schaffen, etwa durch intelligente Refinanzierungskonzepte im Rahmen von Veranstaltungssponsorings.

• Professionalität: Mehr Investition schafft die Möglichkeit, die interne Kommunikation auf ein professionelleres Fundament zu stellen. Verbände können von der kritischen Distanz und Kommunikations¬expertise externer Berater in Kommunikationsagenturen profitieren. Sie können Verbände bei der Entwicklung von Strategien und der professionellen Planung und Umsetzung von Einzelmaßnahmen bis hin zu Kampagnen unterstützen.

• Strategie: Interne Kommunikation gelingt nur dann, wenn sie eingebettet ist in ein Gesamtkonzept, das externe und interne Kommunikation, Kommunikations- und Lobbyplanung miteinander verbindet. Die Kommunikationsstrategie legt ein Leitbild fest, das sowohl den Mitarbeitern des Verbands als auch den Mitgliedern klar signalisiert, wofür der Verband steht. Nur so kann überhaupt eine Identifikation der Mitglieder mit dem Verband stattfinden.

• Tools: Immer noch gibt es Verbände, die keinen professionellen Internetauftritt, geschweige denn ein Extranet mit umfassenden Services für Mitglieder bereithalten. Nur wenige Verbände setzten neben der Jahresversammlung auf weitere Veranstaltungen zum persönlichen Austausch untereinander. Wer mit seinen Mitgliedern erfolgreich kommunizieren und dabei echten Nutzen bieten will, braucht effektive Medien und „Orte des persönlichen Austausches“.

• Mitgliederorientierung: Verbände müssen sich strikt an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder orientieren. Das setzt saubere Analysen – etwa über Mitglieder-, aber auch Kündigerbefragungen – voraus. Mitglieder¬orientierung bedeutet auch eine individuelle Ansprache. Ein Member Relationship Management hilft, eine Kommunikation nach dem Gießkannen¬prinzip zu vermeiden und den individuellen Bedürfnissen der Mitglieder gerecht zu werden.

• Öffentlichkeit: Einer der Hauptnutzen für Verbandsmitglieder liegt naturgemäß in der Interessensvertretung. Die Präsenz von Verbänden in der Öffentlichkeit ist ein Gradmesser für ihren Einfluss. Wer sich auf dem hart umkämpften Meinungsmarkt Gehör verschaffen will, braucht eine professionelle Medienarbeit, die auf einem strategischen Themenmanagement basiert. Dazu ist es unabdingbar, dass Verbände ihr Fachwissen mediengerecht übersetzen und in die Öffentlichkeit transportieren. Ein nach innen starker Verband ist nach außen stark und umgekehrt: Eine starke Präsenz in der Öffentlichkeit stärkt Verbände auch nach innen.

• Image: Strategische PR-Arbeit nach innen und außen dient immer auch der Pflege des Verbandsimages, das wiederum die Zufriedenheit der Mitglieder deutlich beeinflusst. Gleichzeitig ist ein positives Image ein wesentliches Entscheidungskriterium bei einer Vielzahl von austauschbaren oder ähnlichen Angeboten und damit in Zeiten steigenden Wettbewerbsdrucks für Verbände ein immer wichtigerer Faktor nicht nur für die Mitgliederbindung, sondern auch die Mitgliedergewinnung.

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