Autoren-Beiträge CSR oder wie sag ich’s bloß meinen Bezugsgruppen

Was haben der mündige Verbraucher, die Medien und der PR-Professional gemeinsam? Allesamt werden sie zunehmend skeptisch gegenüber Trends, Hypes und all den Dingen, von denen man nicht so genau weiß, was das ist und wozu und ob man das überhaupt zum Leben bzw. Arbeiten wirklich braucht. Das Themenfeld CSR bzw. Nachhaltigkeit ist – durchaus nachvollziehbar – ein klassisches Terrain für Skeptiker. Ich unterstelle dem Leser dieser Zeilen einen gewissen Kenntnisstand in der Sache und ersparen uns definitorische Ein- und Abgrenzungen. In diesem Artikel soll es um das Kommunizieren von Corporate Social Responsibility (CSR) gehen.

In der PR Report-Sonderveröffentlichung „Nachhaltigkeit“ bin ich über den Ausspruch von Prof. Guido Palazzo von der School of Business and Economics der Universität Lausanne zum CSR-Reporting gestolpert, wonach „die größten Halunken (...) die dicksten und schönsten Berichte“ haben. Einige der dicksten CSR-Berichte habe ich für unsere Kommunikationsagentur angefordert, teils gelesen, teils aktiv durchgeblättert. Soweit allesamt ordentlich gemacht und ambitioniert ausgerichtet. Dass die Seitenanzahl von CSR-Berichten etwas über den moralischen Zustand von Unternehmen verrät, möchte ich doch bezweifeln, aber natürlich machen vier Doppelseiten auf Ökopapier zu Artenschutzprojekten in Brasilien allein noch keinen neuen Regenwald. Aber unbestritten: die Öffentlichkeit ist skeptisch gegenüber all zuviel Hochglanz-Heile-Welt.

Alles nur Heile-Welt-CSR-Reporting?
Nein, so schlimm ist es sicher nicht. Man sollte den Wert des Reportings für die Professionalisierung des Nachhaltigkeitsdiskurses nicht unterschätzen. Zudem haben einige der landläufig gerne als „Halunken“ klassifizierten Unternehmen wie z.B. aus der Minerlalöl-, Automobil- oder auch Lebensmittelindustrie teilweise Branchenstandards gesetzt und damit die Meßlatte für die anderen recht hoch gelegt.

Das Publizieren von Nachhaltigkeitsberichten ist zweifelsfrei richtig und wichtig, dokumentiert aber natürlich nur partiell die Integration von CSR in die Wertschöpfungskette des Unternehmens. Stattdessen dominiert in CSR-Berichten die Darstellung der firmeneigenen Nachhaltigkeitspolitik und -erfolge, beeindruckende Zahlen- und Datensammlungen beziehen sich auf einschlägige Richtlinien und Indikatoren wie die der Global Reporting Initiative. Dagegen ist es auch nichts einzuwenden, sofern das Berichten nicht zum Selbstzweck wird und die strategische Idee des CSR und die identifizierbare personelle Verantwortung nicht aus dem Blick gerät.

Denn der Bericht an sich ist, auch wenn es manchmal den Anschein hat, noch keine CSR-Kommunikation. Nachhaltigkeitsberichte sind zunächst einmal Ausdruck des Selbstverständnisses zum eigenen CSR-Management. CSR-Berichte können daher immer nur ergänzender Bestandteil einer CSR-Kommunikation sein und werten im günstigsten Fall das Spektrum des Corporate Publishing auf. Der CSR-Bericht hat übrigens viel mehr mit Journalismus als mit PR gemein, wird gerne von PR-Verantwortlichen in Auftrag gegeben und von freien Autoren umgesetzt.

Also Krise im CSR-Reporting?
Zumindest teilweise! Es wäre schon viel dadurch gewonnen, würde man CSR-Berichte so angehen wie einen klassischen Geschäftsbericht. Dieser erzählt – wenn er gut gemacht ist – von Gewinnen und Verlusten, von Chancen und Risiken sowie Erfolgen und Misserfolgen, wie Prof. Palazzo es auf den Punkt bringt. Nobody is perfect, Unternehmen offenkundig auch nicht. Die Verbraucher wissen dies und werden „mehr Schein als Sein“ ohnehin früher oder später abstrafen.

Ein weiteres Problem der CSR-Kommunikation ist die Absenderschaft in der Firma. Diese reicht – so denn überhaupt konsequent verortet – von der Stabsstelle Kommunikation, über die CSR-Abteilung bis hin zum Marketing. Überwiegend verantworten die PR-Stellen das CSR-Management und die CSR-Kommunikation, doch in den selteneren Fällen sind hier Experten in der Sache anzutreffen. CSR wird hier also zumeist „miterledigt“ und so sieht sie dann eben manchmal auch aus: irgendwie planlos, effektorientiert, merkwürdig modisch und hier und da ein wenig selbstverliebt. Nicht nur die jüngste Deloitte-Studie zu CSR bestätigt den maßgeblichen Einfluss der PR-Abteilungen in Unternehmen bei der Implementierung von CSR-Strategien.

Von einem Vermittlungsproblem zwischen Wirtschaft und Öffentlichkeit ist zudem immer wieder die Rede. Christoph Lütge von der Universität Braunschweig sagt dazu: „In Deutschland scheuen sich die Unternehmen noch, das eigene gesellschaftliche Engagement der Öffentlichkeit zu vermitteln.“ Scheu hin oder her, es ist halt nicht so einfach, da Unternehmen sich – ob sie wollen oder nicht – mit einem Spannungsverhältnis arrangieren müssen: Forderung nach Transparenz einerseits und marketingunverdächtige Ansprache der Bezugsgruppen andererseits.

Was tun als CSR-Kommunikator?
Sachkompetenz, Strategie, Standing und Geduld sollte man schon mitbringen für den Job. CSR-Kommunikation sollte als Teil der Corporate Communications verstanden werden. Als solche richtet sie sich wie die PR generell nach innen wie außen aus. Bei der internen Kommunikation geht es vor allem darum, die Kultur der Verantwortlichkeit innerhalb des Unternehmens zu untermauern. Ziel der externen Kommunikation ist es, die Wahrnehmung der CSR-Treibenden als verantwortliches Unternehmen in der Öffentlichkeit realistisch darzustellen. Unausgereifte CSR-Kommunikation erkennt man häufig daran, dass sie sich – losgelöst von der Unternehmenskommunikation – um das soziale Anhängsel einer Firma bemüht und wie eine eher willkürliche Ansammlung von Themen und Projekten daherkommt. Profunde CSR-Kommunikation vermittelt neben den relevanten Issues auch immer eine Haltung, die ein Unternehmen verkörpert und die letztlich die Glaubwürdigkeit allen Handelns ermöglicht.

Anleitung zur CSR-Kommunikation?
Habe ich leider auch nicht! Die Kommunikationsleitlinien des einen Unternehmens können für anderen Firmen völlig unangebracht sein. So mag es für einen Konsumgüterhersteller Sinn machen, verantwortliches Handelen eng und konsequent an Marken und Produkten der Firma auszurichten. Wer möchte nicht gerne „klimaneutrales“ Eis wie Ben & Jerry’s essen oder mit dem Kauf einer Coke einen Beitrag zur Trinkwasserknappheit in der Dritten Welt leisten. Doch wie schaut es mit gesundheitlich umstrittenen Produkten wie Zigaretten oder mit nur von einer Minderheit als interessant eingeschätzten Produkten aus – sagen wir z.B. Entwässerungsrinnen oder Druckmaschinen. Macht hier eine CSR entlang der Wertschöpfungskette wirklich Sinn? Wohl eher weniger. Nicht ohne Grund richten Tabakkonzerne den Fokus ihrer CSR-Aktivititäten auf das Moderieren gesellschaftlicher Dialoge, die den verantwortlichen Umgang mit den Produkten zum Gegenstand haben.

Und nun? Man möge sich nichts vormachen: CSR-Kommunikation ist anspruchsvoll und Vereinfachung ist nicht in Sicht. Blaupausen gibt es in der PR spätestens seit der Durchdringung der Online-Welt mit Sozialplattformen, Blogs etc. nicht mehr. Die CSR-Kommunikation macht hier keine Ausnahme und wird sich in besonderem Maße der verbrauchergesteuerten Kommunikation im Web 2.0 stellen müssen.

Soviel ist klar: Von Superlativen („die nachhaltigste Kampagne seit ...“) gilt es die  Finger zu lassen und die apokalyptische Dramatisierung („.... damit wir unseren Kindern eine besserer Welt hinterlassen“) wird in den seltensten Fällen der Sache gerecht. Was bleibt ist die Konzentration auf die wesentlichen kommunikativen Tugenden: Transparenz, Information, Klarheit und Angemessenheit. Ach ja, und mal neue Wege ausprobieren. Das Web 2.0 kann ja durchaus zum Freund und einem wichtigen Partner für authentisches Campaigning werden. Aber bedenken: Jedes Medium hat seine Spielregeln, die es zu respektieren gilt.

Autor:
Alexander Weber (37) ist PR-Berater der Hamburger KommunikationsberatungLaurich & Kollegen und verantwortlich in der Agentur für dasKompetenzfeld CSR

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