Autoren-Beiträge Vom Profiteur zum Akteur – auch Sportvereine betreiben CSR

Sportvereine und CSR – geht das zusammen? Steht das „C“ nicht für Unternehmen, also die Siemens, H&M, Bayer und Daimler dieser Welt. Ja, genau! Aber wollte der FC Bayern nicht vor gar nicht zu langer Zeit noch an die Börse gehen. Und wer kann es sich leisten, Fußballprofis für 100 Millionen Euro zu kaufen, wenn nicht ein globaler Wirtschaftsplayer wie Real Madrid. Die großen Sportvereine, allen voran die Fußballclubs mit den Profiabteilungen als Aushängeschild, agieren nicht selten wir wirtschaftliche Großkonzerne.

Da scheint es nur recht und billig, dass sie sich auch in Sachen CSR mit mittelständischen Unternehmen oder Weltkonzernen vergleichen lassen müssen. Während Präzedenzfälle für strategische CSR des Sportes eher rar sind, herrscht traditionell kein Mangel an gesellschaftlichem Engagement von Sportvereinen. Anlässlich des „Round Table CSR“ der Hamburger Agentur Laurich & Kollegen im September 2009 stellten mit dem HSV und dem FC St. Pauli die beiden Großen des Hamburger Fußballs ihre jeweiligen Zugänge zum Thema „unternehmerische Verantwortung“ vor.

Als erster deutscher Profiverein hat der Hamburger Sport-Verein im Juli 2009 eine CSR-Broschüre herausgegeben. Der Verein interpretiert dies als ersten Schritt im Sinne eines transparenten Reportings, ist sich aber darüber im Klaren, mit dieser ersten Auflage nicht im strengeren Sinne einem CSR-Bericht gerecht zu werden. Denn dies würde auch die Berücksichtigung international anerkannter Reporting-Standards gemäß der Global Reporting Initiative (GRI) bedeuten. Bis dahin ist also noch ein längerer Weg. Sportvereine praktizieren hier traditionell einen anspruchsvollen Spagat: einerseits gemeinwohlorientierte Vereine und anderseits wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen. In seiner CSR lehnen sich die „Rothosen“ des HSV bewusst an einem klassischen Wirtschaftsbetrieb an und stellen sich ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsaspekten.

Zum Beispiel der „Hamburger Weg“: Das CSR-Modell des HSV lässt sich auf drei zentrale Kernziele verdichten, die ausformuliert lauten: „Lokal Identität stiften“, „Regional Partnerschaften fördern“ und „Weltweit Gemeinwohl stärken“. Der strategische Ansatz ist hierbei stringent von innen nach außen ausgerichtet und damit dem Selbstanspruch eines Hamburger Traditionsvereins als auch eines international agierenden europäischen Topclubs geschuldet. Als wesentliche Bezugsgruppen definiert der Verein Mitglieder bzw. Mitarbeiter, Fans, Region, Geschäftspartner, Kunden, Kapitalgeber, sportliche Konkurrenten, staatliche und nicht-staatliche Institutionen, Entscheidungsträger, Medien und weitere Meinungsbildner. Insbesondere in seiner Rolle als gesellschaftlicher Akteur bekennt sich der HSV zu seiner Verantwortung.

Das CSR-Leuchtturmengagement des HSV ist zweifellos der „Hamburger Weg“ (www.der-hamburger-weg.de) – ein partnerschaftlich und langfristig angelegtes Bekenntnis zur Hansestadt, das der Verein seit 2006 praktiziert. Der Hamburger Weg ist eine Initiative unter der Schirmherrschaft des ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg und verfolgt qualitative und quantitative Ziele. Basis des Konzeptes sind klassische Sponsoringleistungen im Umfeld des HSV. Besonders macht den Hamburger Weg, dass Teile der Sponsoringerlöse vom HSV für soziale Projekt in der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise wird klassisches Sport-Sponsoring mit Verantwortungsbewusstsein für die Stadt Hamburg verbunden. Die Auswahl der geförderten Projekte erfolgt gemeinschaftlich durch die Stadt, die Partnerunternehmen und den HSV.

„Das Sozialprojekt ‚Hamburger Weg’ ist sicherlich anschaulichster Ausdruck unseres Selbstverständnisses in der CSR“, erklärte HSV-Marketingleiter Stefan Wagner beim Sport-„Round Table“ in der Handelskammer. „Seit 2006 haben wir gemeinsam mit unseren Partnern zahlreiche soziale Projekte unterstützt und wollen auf diesem Wege unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.“ Für die Profifußballer des HSV – und nicht nur Hamburger  Jungs wie Piotr Trochowski – wird ein persönliches Engagement beim Hamburger Weg als Ehrensache gelebt. Zudem reist der HSV seit 2008 klimaneutral und zahlt feiwillige Kompensationszahlungen für die durch die Reisetätigkeit der Profiabteilung verursachten Klimagase. „Dieses Geld wird dann weltweit in Solar-, Wasserkraft- , Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert“, ergänzte Wagner.

Von der regionalen Kulturförderung bis zum weltweiten Engagement für Trinkwasser: Merklich anders verfährt der FC St. Pauli: Gewohnt unkonventionell koordiniert der Hamburger Kiez-Club eine Vielzahl sozialer Projekte im Umfeld seiner intensiven Fangemeinde. Für lokale aber auch zunehmend überregionale Sichtbarkeit sorgt seit 2005 die in Hamburg und zunehmend auch bundesweit etablierte Trinkwasserinitiative Viva con Agua (www.vivaconagua.org), die mit dem Verein eng verbunden ist, organisatorisch aber als eigenständige e.V. agiert. „Der Verein lebt seit fast 100 Jahren vom Engagement der Menschen in seinem Umfeld“, so Michael Meeske, Geschäftführer des FC. St. Pauli. „Das wollen wir weiter fördern und arbeiten gleichzeitig an einem klareren Profil für unser CSR-Engagement.“ Die Initiative Viva con Agua ist hier Musterbeispiel für ein aus dem Umfeld des Vereins erwachsenes und mittlerweile emanzipiertes Engagement.

Der „Round Table CSR“ zum Thema Sport machte deutlich: Professionelle Sportvereine mit umfangreichen Bezugsgruppen bewegen sich im Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohlorientierung und Kommerzialisierung. Sportvereine sind dabei nicht mehr „nur“ Profiteuere des Sportsponsoring anderer Unternehmen, sondern werden zunehmend zum Akteur von vereinbetriebener CSR.

Es überrascht nicht, dass dem Profifußball – vergleichbar mit Entwicklungen in der Sportvermarktung – im Bereich der Sport-CSR eine Vorreiterfunktion zukommt. CSR-Aktivitäten können je nach strategischer Entscheidung eine regionale oder bundesweite Stoßrichtung entfalten. Sportvereine nehmen hierbei eine wichtige Mittlerfunktion ein und können unter anderem auch öffentlichkeitswirksame Plattformen für die CSR-Aktivitäten von Unternehmen zur Verfügung stellen. Das macht Sie für Unternehmen natürlich äußerst reizvoll, weil die verein als Absender in der Regel deutlich positiver besetzt sind als klassische Firmen.

Abzuwarten bleibt, inwiefern und wie sich CSR im Sportgeschäft als „harter“ Business Case verankern und sich damit die dritte Säule des „Triple-Bottom-Line“-Ansatzes der CSR – der Faktor „ökonomische“ Nachhaltigkeit – in die Aktivitäten der Vereine integrieren wird. Dann wird sich unweigerlich die Frage der Nachhaltigkeit des einen oder anderen Transfers aufdrängen – nicht nur in Hamburg, vielleicht auch in Madrid.


Autor: Alexander Weber (37), PR-Berater der Hamburger Kommunikationsberatung Laurich & Kollegen und verantwortlich in der Agentur für das Kompetenzfeld CSR

Seitennavigation