Autoren-Beiträge Verantwortung im Web 2.0 - Corporate Social Media Responsibility

Ein Beitrag von Alexander Weber (37), PR-Berater der Hamburger Kommunikationsberatung Laurich & Kollegen und verantwortlich in der Agentur für das Kompetenzfeld CSR

Zu Anfang drei Thesen:
1) Im digitalen Breitbandbandzeitalter durchlaufen wir eine beispiellose mediale Zeitenwende.
2) Parallel befindet sich das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem in einer fundamentalen Vertrauenskrise. 
3) Aus dem passiven Konsumenten ist ein aktiver Prosument geworden, der Kaufentscheidungen und Handlungen zunehmend auch von Bewertungskriterien jenseits des Preisleistungsverhältnisses eines Produktes oder einer Dienstleistung abhängig macht.

Die Schlagworte begegnen uns quasi täglich und überall – Web 2.0 oder Social Media, Finanz-, Wirtschafts-, Immobilien- oder xy-Krise und CSR oder Nachhaltigkeit. Wir können diese Phänomene singulär betrachten, doch vielleicht lohnt es sich, nach Schnittmengen und sich bedingenden Argumentationen Ausschau zu halten?

Oder um eine weitere These zu formulieren: Social Media wird eine zunehmend wichtige Rolle bei der Beantwortung der Frage spielen, wie Unternehmen ihre Corporate Social Responsibility interpretieren und sich als Wirtschaftsakteur artikulieren.

Worum geht es hier nicht? Dieser Beitrag wird sich nicht mit dem grundsätzlichen Wert oder Unwert von Social Media auseinandersetzen. Der „Ja, aber“-Diskurs zu Social Media ist be-reits hinreichend geführt und wunderbar verarbeitet. (www.opensourcepr.de/2009/11/16/11-populaere-einwande-gegen-social-media/)
Praktisch sekündlich schießen neue Foren, Blogs und Tweets zu Social Media aus dem Web-Boden. Auch werde ich mich nicht an der Debatte über Hype und Scheinheiligkeit von CSR beteiligen, ich setze voraus, dass die Herausforderung eines nachhaltigen Wirtschaftens seitens Unternehmen und anderer Mitglieder der Gesellschaft das 21. Jahrhundert maßgeblich beschäftigen werden.

Im Folgenden richtet sich der Blick also ausschließlich auf die Interaktion von CSR und Social Media! Dabei fußen Social Media und CSR auf einem grundsätzlich kompatiblen Verständnis der Begrifflichkeit „Sozial“: Social Media erkennt im Individuum einen integralen Bestandteil einer Informations- und Wissensgesellschaft. CSR versteht das Unternehmen als einen der Zivilgesellschaft verpflichteten Akteur, der in der Wechselwirkung mit seinen Anspruchsgruppen einen Wert für sein Business erkennt. Das sollten doch eigentlich nicht nur in der Theorie gute Bedingungen für eine belastbare Freundschaft sein!?

Was hat CSR mit facebook zu tun?
Mehr oder minder generisch bietet das kollaborative Web 2.0 aufgrund des möglichen Dialo-ges zwischen Produzenten und Konsumenten einen Nährboden für die Verbreitung und Um-setzung des CSR-Konzeptes. Unterstellt wird, dass ökologische oder kulturelle Belange von Unternehmen als bürgerschaftliches Engagement im Mitmach-Internet besser umgesetzt und kommuniziert werden können. Das Engagement solcher Belange, die über die im engeren Sinne Geschäftstätigkeit eines Unternehmens hinausgehen, schafft Vertrauen zwischen Produzenten und Konsumenten, was dem Reputationsmanagement zugute kommt. Der Aspekt Transparenz unternehmerischer Prozesse auf Freiwilligkeitsbasis kann Glaubwürdigkeit bei den Konsumenten vermitteln.

Daher ist mitunter CSR im Social Web bereits deutlich besser aufgehoben denn in jedem anderen Medium. Oder anders gefragt: Welchen medialen Eindruck hinterlässt Ihre CSR denn in den noch sogenannten „klassischen“ Medien? Wie häufig stehen Unternehmen denn mit CSR im Handelsblatt oder FTD? Mit mehr als 350 Millionen Usern ist facebook wohl die am schnellsten wachsende Sozial-Plattform der Welt und für nicht wenige Menschen – und hiermit meine ich nicht die 14- bis 19-Jährigen – das Leitmedium ihrer Mediennutzung. Mittlerweile hat auch die Konferenzlandschaft die Wechselwirkung aufgegriffen: Die „Justmeans Social Media for Sustainability“-Konferenz (www.socialmediacsr.com/) hat sich jüngst genau diesem Gegenstand angenommen. Die Fragestellungen hier: Wie sollten Unternehmen Social Media nutzen, um mit Kunden, Mitarbeitern, Aktivisten und anderen Bezugsgruppen zu interagieren? Was sind die besten Tools und Plattformen hierfür: Facebook, Twitter, Youtube oder oder oder? Wodurch generiert man Communities und wie hält man diese dauerhaft engagiert? Wie verhält es sich bei Social Media mit dem Return of Investment und welche Parameter machen Sinn? (mehr hier: http://mashable.com/2009/11/06/social-responsibility/) 

Was hat Social Media mit PR zu tun?
Im Zeitalter einer entstehenden digitalen Demokratie eröffnet Social Media Unternehmen und Marken neue Kommunikationsmöglichkeiten. Soweit würde das vermutlich auf breite Zustimmung stoßen, aber worin soll hier ein Businesswert liegen? Als Mechanismus des Marketings muss Social Media klassischen Business-Kriterien genügen und warum sollten die in dem Themenfeld CSR besonders günstig sein? Schauen wir uns einzelne Kriterien an:

• Zielgruppen: Die Online-Zielgruppe bringt erfahrungsgemäß schon eine ausgeprägte CSR- und insbesondere Umweltsensibilität mit.
• Mehrfachverwertung: CSR-Social Media-Kampagnen dient diversen Kommunikationszwecken, sie wirken extern wie intern und provozieren Aufmerksamkeit bei Mei-nungsbildnern.
• Blue Ocean-Strategie: Wenig überraschend in der digitalen Welt ist der Umstand, dass auch dieser Markt Zeitfenstern unterworfen ist. Wer hier früh ausgearbeitete Angebote vorzuweisen hat, wird den Diskurs prägen und für sich nutzen zu können
• Social Return of Investment: Gut umgesetzt stecken in Social Media-CSR Potenziale für Absatzsteigerungen, Employer Branding und PR bei vergleichsweise geringen Kosten.
• Marketing-Synergie: Social Media-CSR kann zum Baustein bestehender Online-Kampagnen einer Firma werden, mit erheblichem Potenzial im Crossmarketing.
(vgl. hierzu: http://creativefusionmedia.wordpress.com/2009/03/12/corporate-social-responsibility-and-social-media-the-next-frontier-in-public-relations-20/)


Wer nutzt denn Social Web schon für CSR?
Soweit man das einschätzen kann sind dies eher wenige und hier vor allem die Konsumgü-terindustrie. Aber darin liegt zum einen der Charme und zum anderen die Chance. Es gibt hier einige sehr überzeugende Beispiele, vieles ist im Werden – Eindrücke einer ersten Web-Inspektion ohne wissenschaftlichen Anspruch:

Als eine der weltweit prominentesten Nachhaltigkeitskampagnen ist sicherlich (Product) Red (www.joinred.com/Splash.aspx) zu bezeichnen. Unter der Dachmarke Product (Red) vertreiben große Kunsumgütermarken wie Nike, Converse, American Express, Apple, Starbucks oder GAP spezielle Red-Produkte. Der Erlös dieser Produkte kommt dem „Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria“ (www.theglobalfund.org/en/) zugute. Die Verbindung von starken Themen, starken Marken und Produkten sowie starken Persönlichkeiten be-gründete massive Öffentlichkeit, die durch eine konsequente Interaktions- und Informations-strategie vor allem auf den Kanälen Youtube, Facebook und Twitter (über eine Million Follo-wer) korrespondiert wird. Damit ist es der Initiative gelungen, zu einer weltweit beachteten Sozialmarke zu werden.

Bei Product (Red) vertreten und generell gut ausgestellt in dem Thema ist die Kaffeehaus-Marke Starbucks. Allein in facebook bindet das Unternehmen mehrere Millionen Fans an die Aktivitäten der Marke und bewegt sich hier in Dimensionen weltweit gefeierter Rock- und Popbands. (www.facebook.com/Starbucks) 

Auch der Sportbekleidungsgigant Nike befördert im Social Web das Image des Unternehmens als guter Weltbürger, engagiert sich mit „Lace Up Saves Lives“ in der Red-Kampagne (www.facebook.com/nikefootball?v=app_11007063052&ref=ts) und fördert ausdrücklich das kreative Engagement-Potenzial seiner Mitarbeiter über das interne Social Media-Netzwerk „We Portal“.

Die Hamburger Trinkwasserinitiative Viva con Agua (www.vivaconagua.org), als Verein ein wachsend interessanter Partner für CSR-Aktivitäten von Firmen wie Armedangels, Miles Fashion, setzt als selbsternannt „offenes“ Netzwerk für engagierte Menschen die viralen Potenziale des Social Web für die Kommunikation von Spendenaktionen, kulturelle Events und Kampagnen ein. Mediale Omnipräsenz ist hier Option sondern organisatorische Notwendigkeit: Viva von Agua ist daher  im Web neben der eigenen Site in Myspace, Facebook, Twitter, StudiVZ, Youtube, XING, betterplace, helpedia oder auch Utopia präsent. Als jungem Player in der internationalen Entwicklungshilfe ist es Viva con Agua in nur fünf Jahren gelungen, zu einem vielbeachteten Akteur im nichtstaatlichen Sektor zu werden. Ende 2009 richtete die Initiative die ersten internationalen Wassertage aus und bündelte kulturelle Spendenveranstaltungen für ein aktuelles Projekt von Hamburg über Vancouver bis New York. (www.vivaconagua.org/index.htm?wassertage2009) 

Die Eismarke Ben & Jerry’s aus dem Hause Unilever spricht im Zusammenhang mit ihrem Erfolgsprodukt von „klimaneutralem Eis“. Schon ein Vorreiter in Sachen Markenkommunika-tion im Web 1.0 dokumentieren die Eismacher aus den USA auch im Web 2.0 auf hohem Niveau und unter Facebook-Profil „Ben & Jerry's Homemade, Inc.“ steht die Marke mit fast einer Millionen Fans im Austausch und nutzt den Kanal entsprechend konsequent für Updates und Verweise rund um das markenbezogene Nachhaltigkeitsengagement. (www.facebook.com/benjerry)

Zunehmend erkennt auch die IT-Branche die Potenziale ihres Mediums. Der Chiphersteller Intel nutzt sehr gezielt Social Media als Instrumente einer viralen Kommunikationsstrategie und übernimmt Führungsfunktion in seiner Branche. Intel nutzt die neuen Medien wie facebook, um sein umweltschonendes Bewusstsein darzustellen und seinen Einfluss auf andere Player der Informations- und Kommunikationstechnologien auszuweiten. (siehe CSR made by Intel via Youtube: www.youtube.com/watch?v=2ge8YrJaQjY&feature=player_embedded)

Im Dezember 2009 sorgt ein kommerzieller Spot von Daimler Crysler für Furore im WWW. Chrysler hat einen Kurzfilm produziert, der eine klare Unterstützung für die Freilassung der burmesischen Menschenrechtlerin Aung San Suu Kyi beinhaltet. Hiermit nimmt eines der führenden Wirtschaftsunternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahr, in dem es ein soziales Statement offensiv mit kommerziellen Interessen verknüpft. (www.youtube.com/watch?v=aOHMFfAVOzs&feature=player_embedded)

CSR 2.0 oder Corporate Social Media Responsibility?
Mit den beschriebenen Beispielen soll zum Ausdruck kommen, dass es bereits marktrelevante Ansätze und Umsetzungen in einer noch im Werden befindlichen Disziplin gibt. Ja, es gibt einen Trend zu CSR 2.0 und die Chancen überwiegen zumeist die Risiken: Denn die Wege der Umsetzung sind noch bestreitbar. Wer jetzt überzeugend Konzept mit Instrumenten kombiniert, erarbeitet sich eine Dialogplattform für seine aus CSR-Perspektive relevanten Bezugsgruppen, etabliert sich als relevanter CSR 2.0-Player und prägt damit Maßstäbe.

Ob wir wollen oder nicht, wir befinden wir in einer sich abenteuerlich rasant potenzierenden Mediengesellschaft. Lassen Sie sich nicht einlullen von den Bestandssichereren und Traditionalisten. Wer stehen bleibt, hat schon so gut wie verloren in einem Markt, in dem die Zeitfenster für Aufmerksamkeit und das Erreichen kritischer Massen, die wirtschaftlichen Erfolg bedingen, immer kürzer werden.

Die Bedeutung von CSR und Social Media wird zunehmen, noch entwickeln sie sich zumeist auf parallelen Ebenen, obwohl eine Fusion von beiden den Umsetzungsprozess des jeweiligen Konzeptes beschleunigen würde. Wo stehend wir also in der CSR 2.0? CSR im Web 2.0-Zeitalter heißt nicht, alles einfach mitzumachen, sondern die neuen Kanäle als Möglichkeiten in einer bewusst steuerbaren Kommunikations- und Community-Arbeit zu verstehen und zu bewerten. Es spricht viel dafür, dass einen Fan-Account bei facebook für IKEA, Nike, BMW oder Product (Red) mit enormem Aktivierungspotenzial ihrer Anspruchsgruppen mehr Sinn mach als eine facebook-Account einer Life Science-Forschungseinrichtung, aber warum sollte letztere nicht via Twitter über jüngste Entwicklungen aus den Abteilungen informieren. Aber dabei verhält es sich dann letztlich so wie bei allen Herausforderungen der Kommunikationsarbeit: einige passen besser, andere weniger gut.

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